In für Ärzte, für BUCHHALTER & UNTERNEHMENSBERATER, für Freiberufler, für UNTERNEHMER, Steuer-Tipps für ALLE

1      Hintergrund

Die Digitalisierung macht auch vor der betrieblichen Buchhaltung nicht halt. Die Schwerpunkte liegen hierbei auf einer immer stärkeren Automatisierung der Prozesse, die letztlich zu großen Einsparungen führen wird. Die deutsche Finanzverwaltung hat schon 2014 neue Regelungen für die elektronische Buchführung und Belegerfassung erlassen, und zwar in Form der „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (GoBD). Diese lasse sich unterteilen in drei Hauptbereiche:

  • Aufbewahrungspflichten für elektronische Unterlagen,
  • Führung elektronischer Bücher und
  • Verantwortlichkeiten für die vorgenannten Bereiche.

Alle Steuerpflichtigen, die Bilanzen oder Einnahmenüberschussrechnungen (EÜR) erstellen, müssen die GoBD beachten, sofern sie unternehmerische Prozesse EDV-gestützt abbilden und ihre Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten teilweise oder ganz in elektronischer Form erfüllen. Dabei gelten die GoBD ganz unabhängig von der Betriebsgröße.

Buchführungsrelevante Systeme sind in diesem Kontext sowohl das Hauptbuchführungsprogramm als auch Nebenbereiche wie etwa die Anlagen- oder Lohnbuchhaltung. Zudem werden elektronische Archivsysteme sowie elektronische Zeiterfassungssysteme von den Regelungen der GoBD erfasst, wenn sie buchführungsrelevante Daten liefern.

Ein wichtiger Teilbereich der GoBD, der alle drei Hauptbereiche berührt, ist die Verfahrensdokumentation, in der insbesondere alle relevanten IT-Prozesse dargestellt werden müssen.

2      So gehen Sie die Verfahrens­dokumentation an

2.1     Grundlagen

Zentrale Grundsätze der GoBD bezüglich der elek­tronischen Buchführung sind Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit, Vollständigkeit, „richtige“ und zeitgerechte Buchung bzw. Aufzeichnung sowie Ordnung und Unveränderbarkeit. Die Verfahrensdokumentation ist erforderlich, um die Anforderungen an Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit zu erfüllen. Mit ihr müssen alle Vorgehensweisen sowie Systeme und Programme im Einzelnen dargestellt werden, mit denen Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit erreicht werden (soll).

Der Begriff Verfahrensdokumentation hat seinen Ursprung eigentlich im Bereich der IT. Dort steht er ebenso für die nachvollziehbare Abbildung von Prozessen. Bei der Erstellung einer Verfahrensdokumentation sollte deshalb das Personal aus der Buchhaltung bzw. Steuerabteilung eng mit dem EDV-Fachpersonal zusammenarbeiten und lernen, eine gemeinsame Sprache zu finden.

Der konkrete Inhalt einer Verfahrensdokumentation hängt stark von den Prozessen im betreffenden Unternehmen ab. Deshalb kann es auch kein einheitliches Muster geben, wohl aber Punkte, die auf jeden Fall in der Dokumentation thematisiert werden sollten.

Die Verfahrensdokumentation dient insbesondere dazu, dass sich ein sachverständiger Dritter, also etwa ein Betriebsprüfer, innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick verschaffen kann. Also sollte sie entsprechend formal aufbereitet sein: mit Übersichten, Grafiken und einem Inhaltsverzeichnis. Eine bloße Aneinanderreihung von Details ohne weitere Erläuterung und Strukturierung dürfte die Anforderungen nicht erfüllen.

2.2     Wesentliche Bestandteile

2.2.1    Allgemeine Beschreibung

In der allgemeinen Beschreibung muss ausgeführt werden, unter welchen Rahmenbedingungen und in welchem unternehmerischen Umfeld die relevanten IT-Systeme angewendet werden. So sind das Unternehmen und seine Tätigkeitsbereiche kurz zu beschreiben, ebenso der Wirtschaftsbereich, in dem es tätig ist, und wie der Gewinn ermittelt wird (Bilanzierung oder EÜR). Gibt es Besonderheiten – beispielsweise bei der Bilanzierung (besondere Anforderungen an das Archiv bei Ärzten usw.) –, so sind auch diese zu nennen.

Hinweis

Es empfiehlt sich, die allgemeine Beschreibung mit einem Ablaufdiagramm zu beginnen, aus dem die wichtigsten Prozesse im Zusammenhang mit der elektronischen Buchführung, insbesondere die elektronische Belegablage und die Erfassung von Geschäftsvorfällen, hervorgehen.

Außerdem muss angegeben werden, an welchen Orten buchführungsrelevante Prozesse wie etwa das Einscannen von Papierbelegen erledigt werden. Gleiches gilt für den Lagerort von Papierbelegen und den Ort ihrer Vernichtung. Darüber hinaus sollte in der allgemeinen Beschreibung dargestellt werden, in welchem Turnus Belege digitalisiert werden (täglich, wöchentlich
oder monatlich), und ob bzw. welche Arbeiten von externen Dienstleistern erledigt werden.

Hinweis

Es ist zudem sinnvoll, bereits in der allgemeinen Beschreibung einen Versionsüberblick zur Verfahrensdokumentation zu geben und die verschiedenen Autorisierungen bei der elektronischen Buchführung darzustellen – etwa in Form einer Grafik, die die verantwortlichen Personen und ihre Zuständigkeiten zeigt.

2.2.2    Anwenderdokumentation

In der Anwenderdokumentation werden die fachlichen Prozesse bei der elektronischen Buchführung inklusive der Nebensysteme beschrieben. Es muss dargestellt werden, wie Daten im System erfasst, auf Richtigkeit geprüft sowie abgestimmt werden und wie eine Ausgabe der Daten erfolgt.

Darstellung des Datenwegs

Aus der Darstellung muss beispielsweise hervorgehen, ob Daten händisch eingegeben oder automatisiert aus externen Datenquellen übernommen werden. Gleiches gilt für die Prüfung der Richtigkeit der Daten: Erfolgt diese durch händische Durchsicht oder durch automatische Prüfungen und Plausibilitätschecks? Auch wie Daten ausgegeben werden, muss dargestellt werden: als Papierausdruck oder elektronisch an weitere Verarbeitungssysteme bzw. externe Stellen?

Regeln für den Datenaustausch

Gerade für letzteren Fall muss erläutert werden, wie die Übergabe der Daten zwischen verschiedenen Systemen funktioniert und welche Regeln hierfür aufgestellt wurden.

Viele Unternehmen nutzen sogenannte Enterprise Resource Planning-Software (ERP). Hierbei handelt es sich um eine Plattform, die den automatischen Datenaustausch zwischen mehreren jeweils integrierten Pro­grammen ermöglicht. Dies kann zum Beispiel den Rechnungsworkflow, die Buchhaltung und betriebswirtschaftliche Auswertungen für das Unternehmenscontrolling erleichtern. Dabei erfolgt der Datenaustausch häufig in Echtzeit und die ERP führt auch selbständig Plausibilitätschecks durch. All diese Funktionen müssen dann in der Anwenderdokumentation entsprechend dargestellt werden.

Wenn Sie keine ERP nutzen oder einzelne Programme nicht (vollständig) in diese integriert sind, müssen Sie beschreiben, wie und wann Daten zwischen verschiedenen Systemen übertragen werden – insbesondere wenn es zu Formatbrüchen kommt, wenn also teilweise automatische und teilweise händische Abstimmungen zwischen Programmen stattfinden.

Schnittstellenbeschreibungen

Auch dargestellt werden müssen die Schnittstellen zwischen den Programmen und deren genaue Funktionen und Eigenschaften. Spätestens hierfür sind in der Regel spezielle IT-Kenntnisse erforderlich.

Weitere Dokumente

Weitere Teile der Anwenderdokumentation sind die Organisationsanweisungen zum Aufbau der unternehmensinternen IT sowie die Benutzerhandbücher der verwendeten Soft- und Hardware.

Hinweis

Die Verfahrensdokumentation ist außerdem wichtig für die Darstellung eines validen Tax Compliance Management Systems (TCMS). So liefert die Anwenderdokumentation weitgehend die Inhalte, die zur Tax Compliance für die Darstellung von Prozessabläufen benötigt werden.

Der Nachweis eines funktionierenden TCMS hilft insbesondere dabei, bei Fehlern und Änderungen im steuerlichen Bereich den Vorwurf einer leichtfertigen Steuerverkürzung bzw. einer Steuerhinterziehung zu entkräften.

2.2.3    Technische Systemdokumentation

Eingesetzte Hardware

Um den Gesamtprozess der elektronischen Buchführung zu beschreiben, ist zunächst die Darstellung der eingesetzten Hardware erforderlich. Dazu gehören insbesondere:

  • Serversysteme,
  • eingesetzte Hardware an Einzelplätzen (PCs etc.),
  • Hilfssysteme (z.B. Scanner zur Digitalisierung von Buchführungsunterlagen).

Hinweis

Die Darstellung sollte eine grundlegende Beschreibung des Herstellers und der verwendeten Produktkennzeichnung enthalten. Bei PCs sollten zumindest auch die wichtigsten technischen Daten wie Prozessor, RAM und Grafikkarte benannt werden.

Wichtig ist, dass die Hardware in einen Bezug zu ihrer Verwendung innerhalb der IT-Struktur des Unternehmens gestellt wird. So sollten bei der Beschreibung eines Serversystems die darauf laufenden buchführungsrelevanten Programme und deren Funktion kurz beschrieben werden.

Hinweis

Bedenken Sie, dass die Systemdokumentation aktualisiert werden muss, wenn Hardwarekomponenten ausgetauscht werden.

Eingesetzte Software

Es müssen alle verwendeten Programme in ihrer jeweiligen Version (inkl. möglicher Updates) aufgeführt werden. Die zuvor verwendeten Versionen sollten aus einer Nutzungshistorie ersichtlich sein. Darüber hinaus sind auch individuelle Änderungen und Anpassungen an Softwarekomponenten („Customizing“) darzustellen).

Hinweis

Die reine Aufzählung der verwendeten Programme ist nicht ausreichend. Es muss sich ein schlüssiges Gesamtbild ergeben, wie die einzelnen Komponenten und Systembestandteile mit ihren jeweiligen Schnittstellen ineinandergreifen.

Dies kann durch ein Datenflussdiagramm als Einführung mit weiteren Erläuterungen geschehen. Gegebenenfalls kann hier auch auf bereits vorhandene Ablaufpläne und Dokumentationen über die unternehmensinterne IT-Archi­tektur zurückgegriffen werden.

2.2.4    Betriebsdokumentation

Die Betriebsdokumentation stellt die Nutzungsprozesse und deren Organisation im täglichen Betrieb der buchführungsrelevanten Softwarekomponenten dar. Unbedingt enthalten muss sie insbesondere die betriebsinternen Anweisungen zur Dokumentation und zur Sicherheit des IT-Betriebs.

Darüber hinaus müssen die betrieblichen Prozesse im Normalbetrieb und auch im Notbetrieb beschrieben werden. Das Datensicherheits- und auch das Datensicherungskonzept soll umfassend dargestellt werden. Im Detail bedeutet dies, dass auch Regeln zur Generierung von Passwörtern (so abstrakt wie möglich) dargestellt werden müssen.

Des Weiteren ist das technische Berechtigungskonzept einschließlich der Benutzerverwaltung darzulegen: Wer darf worauf und mit welcher Berechtigung (Leserechte, Schreib- und Leserechte, Löschrechte usw.) zugreifen?

Hinweis

Wird ein Dokumentenmanagementsystem (DMS) verwendet, so ist es ratsam, die Berechtigung zum Anlegen neuer Ordner in den oberen Datenhierarchien zu beschränken und etwa lediglich der IT-Abteilung zuzuweisen. Hierdurch kann einerseits ein „Wildwuchs“ an Ordnern verhindert und andererseits die notwendige Indexierung, welche die GoBD verlangen, gewährleistet werden.

2.2.5    Internes Kontrollsystem

Die Benutzungsregeln für buchführungsrelevante IT-Strukturen müssen in einem internen Kontrollsystem (IKS) abgebildet werden, mit Hilfe dessen deren Einhaltung kontrolliert werden muss. Dass derartige Kontrollen auch tatsächlich durchgeführt werden, muss darüber hinaus auch protokolliert werden.

Das IKS muss folgende Bereiche erfassen:

  • Zugangs- und Zugangsberechtigungskonzepte,
  • Funktionstrennungen,
  • Kontrollen der Datenerfassung und -eingabe,
  • Übertragungs- und Verarbeitungskontrollen bei Datennutzung über Schnittstellen hinweg im Rahmen von automatisierten Übertragungen,
  • Schutzmaßnahmen gegen die beabsichtigte oder unbeabsichtigte Verfälschung von Dokumenten (z.B. durch die lückenlose Nachvollziehbarkeit von Änderungen im Rahmen eines DMS) und
  • stichprobenweise Plausibilitäts- und Vollständigkeitskontrollen.

Obwohl moderne IT-Programme standardmäßig über Plausibilitätsprüfungen verfügen, sind weitergehende Kontrollen der Abläufe dennoch erforderlich. Dies gilt insbesondere für die Prüfung der Vollständigkeit von Daten, die von einem Programm zur Weiterverarbeitung an ein anderes Programm übergeben werden.

Die turnusmäßige Durchführung von Plausibilitäts- und Vollständigkeitskontrollen muss dokumentiert wer­den, beispielsweise anhand entsprechender Formulare.

Hinweis

Das IKS ist ebenso wie die Anwenderdokumentation von besonderer Bedeutung für ein TCMS (vgl. Punkt 2.2.2).

2.3     Äußere Form

Die Verfahrensdokumentation sollte in geschlossenen Dokumenten mit aussagekräftigem Inhaltsverzeichnis erfolgen. In der Praxis hat es sich dabei bewährt, sie in ein sogenanntes Masterfile und einen Anhang aufzuteilen. Das Masterfile enthält die Beschreibungen der wesentlichen Prozesse orientiert an den Hauptpunkten (Punkte 2.2.1 bis 2.2.4), die Sekundärinformationen – Arbeitsanweisungen, Protokolle, das IKS – werden strukturiert in einem Anhang zusammengefasst.

Hinweis

Als Vorüberlegung zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation sollte auch berücksichtigt werden, dass bestimmte Informationen (z.B. Hard- und Softwareversionen, Ver-antwortlichkeiten der Mitarbeiter) relativ häufig aktualisiert werden müssen.

3      Drohende Sanktionen

Fehlt die Verfahrensdokumentation oder ist sie unverwertbar, so soll das allein laut Finanzverwaltung keinen formalen Mangel darstellen, der zu einer Verwerfung der Buchführung führen kann – jedenfalls dann nicht, wenn die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit da­durch nicht beeinträchtigt ist.

Diese Regelung ist derart unbestimmt, dass man sich keinesfalls darauf verlassen sollte, auch ohne Verfahrensdokumentation „irgendwie durchzukommen“. Gerade bei komplexeren Strukturen in der betrieblichen IT werden Ad-hoc-Erläuterungen bei einer Betriebsprüfung nicht mehr helfen, den Mangel einer strukturierten Verfahrensdokumentation zu kompensieren.

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