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Die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hängt auch nach den neuen Vorschriften nicht davon ab, ob eine die Lieferung flankierende Zusammenfassende Meldung fristgerecht eingereicht oder berichtigt wurde (BMF 20.5.22). Unternehmer, die aus Deutschland heraus den europäischen Binnenmarkt bedienen, können aufatmen!

Bislang recht strenge Anforderungen an die Steuerbefreiung

Die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist seit der Neuregelung zum 1.1.2020 davon abhängig, dass der Unternehmer seiner gesetzlichen Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung (ZM) nachkommt und diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung richtig und vollständig ist (§ 4 Nr. 1 Buchst. b Halbs. 2 UStG).

Bislang zog die Finanzverwaltung daraus den Schluss, dass die ZM für die Steuerbefreiung fristgerecht eingereicht oder berichtigt werden muss (AStW 02/2019, Seite 144, ID 45664404).

Beachten Sie | Wurden die Fristen nicht eingehalten, sollte dies zur Versagung der Steuerbefreiung führen.

Nunmehr weniger strenge Anforderungen

Mit ihrer strengen Auslegung stand die Finanzverwaltung von Anfang an in der Kritik. Fehlkontierungen, Buchungsfehler und Fehler bei Erstellung der ZM (falsche USt-IdNr. oder Bemessungsgrundlage) hätten zum Verlust der in derartigen Fällen für das Funktionieren des Binnenmarkts europarechtlich zwingend vorgesehenen Umsatzsteuerbefreiung geführt.

Die Finanzverwaltung hat die Kritik nunmehr angenommen und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) entsprechend geändert:

Abschn. 4.1.2 UStAE – neu –

Unterstreichung = Neuerung, Kursiv = Aufhebung

Innergemeinschaftliche Lieferungen

Allgemeines

(1) Auf die Abschnitte 6a.1 bis 6a.8 wird hingewiesen.

Zusammenfassende Meldung – Allgemeines

(2) Gemäß § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG ist die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig, dass der Unternehmer seiner gesetzlichen Pflicht zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung (ZM) gemäß § 18a UStG nachkommt und diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung richtig und vollständig ist. 2Gibt der Unternehmer die ZM für den betreffenden Meldezeitraum nicht richtig, vollständig oder fristgerecht nicht, unrichtig oder unvollständig ab, erfüllt er die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht. 3Die Feststellung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann immer erst nachträglich getroffen werden, da die Abgabe einer ZM zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung immer erst später, nämlich bis zum 25. Tag nach Ablauf des jeweiligen Meldezeitraums erfolgt. 4§ 18a Abs. 8 UStG ist entsprechend zu berücksichtigen.

Zusammenfassende Meldung – Berichtigung und verspätete Abgabe

(3) 1Die Pflicht zur Berichtigung einer fehlerhaften ZM nach § 18a Abs. 10 UStG bleibt vom Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG unberührt. 2Eine fehlerhafte ZM ist gemäß § 18a Abs. 10 UStG innerhalb eines Monats zu berichtigen, wenn der Unternehmer nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist. 3Auf § 18a Abs. 7 Satz 2 UStG wird hingewiesen. 4Die in § 18a Abs. 10 UStG normierte Frist dient ausschließlich den Zwecken der Durchführung eines ordnungsgemäßen innergemeinschaftlichen Kontrollverfahrens sowie eines etwaigen Bußgeldverfahrens (§ 26a Abs. 2 Nr. 5 UStG). 5Die Verpflichtung zur Abgabe einer richtigen und vollständigen ZM für Zwecke der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG besteht auch über die in § 18a Abs. 10 UStG genannte Frist hinaus.
6Berichtigt der Unternehmer die fehlerhafte ursprüngliche ZM für den Meldezeitraum, in dem die betreffende Lieferung ausgeführt wurde, nicht, ist die Steuer­befreiung für die betreffende Lieferung nachträglich zu versagen. 7Eine Berichtigung von Fehlern in einer anderen ZM als der ursprünglichen führt zu keinem Aufleben der Steuerfreiheit für die betreffende Lieferung. 8Wird eine nicht fristgerecht abgegebene ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen in diesem Zeitpunkt erstmals die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor und diese ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zu gewähren. 9Die erstmalige Abgabe einer ZM und die Berichtigung einer fehlerhaften ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist entfalten für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung. 10Die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren schließt ein Bußgeldverfahren des BZSt nach § 26a Abs. 2 Nr. 5 UStG nicht aus.

Beispiel 1

1Der in Deutschland ansässige Unternehmer U liefert an einen französischen Kraftwerksbetreiber A am 10.2.202001 eine Maschine im Wert von 50 000 EUR. 2Die Rechnungsstellung erfolgt ebenfalls am 10.2.01. 3A hat gegenüber U seine französische USt-IdNr. bei Auftragserteilung verwendet. 4In der ZM für Februar 202001 gibt U versehentlich durch einen fehlerhaften Abgleich im Buchhaltungssystem an, Gegenstände im Wert von 5.000 EUR an A geliefert zu haben. 5U entdeckt den Fehler zufällig am 10.6.202001 und meldet in der ZM Juni 202001, die er am 5.7.202001 an das BZSt übermittelt, dass er an A Waren im Wert von 45.000 EUR geliefert hat. 6Zwa liegen die übrigen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor, allerdings hat U für Februar 202001 eine unrichtige ZM in Bezug auf die Lieferung an A abgegeben. 7Da er den Fehler nicht in der ursprünglichen ZM für Februar 202001 berichtigt hat, sondern in der ZM für Juni 202001, ist die Steuerfreiheit insgesamt zu versagen. 8Würde U sowohl die ZM für Februar 202001 als auch für Juni 202001 berichtigen, würde die Steuerfreiheit wiederaufleben, wäre die Steuerbefreiung für die Lieferung an A rückwirkend zu gewähren, sofern die entsprechenden Steuerfestsetzungen noch änderbar sind.

Beispiel 2

1Der in Deutschland ansässige Unternehmer U liefert an einen französischen Kraftwerksbetreiber A am 10.2.01 eine Maschine im Wert von 50.000 EUR. 2Die Rechnungsstellung erfolgt ebenfalls am 10.2.01. 3A hat gegenüber U seine französische USt-IdNr. bei Auftragserteilung verwendet.

4U gibt nach Ablauf des Meldezeitraums für Februar 01 keine ZM ab. 5Damit liegen nicht alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung vor. 6Die Steuerbefreiung ist für diese Lieferung zu versagen. 7Gibt U die ZM für Februar 01 nach Ablauf der Abgabefrist noch richtig und vollständig ab, liegen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Zeitpunkt der verspäteten Abgabe erstmals vor und die Steuerbefreiung für die Lieferung an A ist rückwirkend zu gewähren, sofern die entsprechende Steuerfestsetzung noch änderbar ist.

Verspätete Abgabe der ZM wirkt zurück

Wird eine nicht fristgerecht abgegebene ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen in diesem Zeitpunkt erstmals die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor. Diese ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zu gewähren. Die erstmalige Abgabe einer ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist entfaltet für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung.

Praxistipp

Die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren schließt ein Bußgeldverfahren des BZSt nach § 26a Abs. 2 Nr. 5 UStG nicht aus. Das beruhigende Gefühl, die Steuerbefreiung durch ein Fristversäumnis nicht zu verlieren, sollte also nicht zur Nachlässigkeit verleiten: alle Fristen müssen zur Vermeidung eines Bußgeldverfahrens auch weiterhin unbedingt eingehalten werden!

Mandantenfall: Erstmalige Abgabe der ZM nach Umsatzsteuer-Sonderprüfung

Die durchaus erfreulichen Auswirkungen der neuen Rechtsauffassung verdeutlicht der folgende Fall:

Beispiel 1 (= Mandantenfall)

Unternehmer D mit Sitz in Dortmund liefert im März 2021 Ware in die Niederlande. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung liegen vor (§ 6a UStG). D behandelt die Lieferung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG als umsatzsteuerfrei, unterlässt aber die Abgabe einer ZM. Letzteres fällt dem Finanzamt erst im Februar 2022 anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung auf. D übermittelt die ZM noch im Februar 2022 nach dem entsprechenden Hinweis des Prüfers.

Folge: Solange die ZM fehlt, liegen nicht alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung vor. Die Steuerbefreiung ist für diese Lieferung zunächst zu versagen. Mit Abgabe der vollständigen und richtigen ZM im Februar 2022 liegen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Zeitpunkt der verspäteten Abgabe erstmals vor. Die Steuerbefreiung für die Lieferung ist dem D rückwirkend ab März 2021 zu gewähren.

Dieselbe Rechtsfolge – nämlich die Möglichkeit zur Erstellung einer rückwirkenden ZM – ergibt sich, wenn das Fehlen der ZM anlässlich einer Betriebsprüfung auffällt.

Berichtigung einer fehlerhaften ZM

Eine fehlerhafte ZM ist innerhalb eines Monats zu berichtigen, wenn der Unternehmer nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist (§ 18a Abs. 10 UStG). Diese Frist dient ausschließlich den Zwecken der Durchführung eines ordnungsgemäßen innergemeinschaftlichen Kontrollverfahrens sowie eines etwaigen Bußgeldverfahrens.

Beachten Sie | Die Verpflichtung zur Abgabe einer richtigen und vollständigen ZM für Zwecke der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b UStG besteht auch über die in § 18a Abs. 10 UStG genannte Frist hinaus.

Berichtigt der Unternehmer die fehlerhafte ursprüngliche ZM für den Meldezeitraum, in dem die betreffende Lieferung ausgeführt wurde, nicht, ist die Steuerbefreiung für die betreffende Lieferung nachträglich zu versagen. Eine Berichtigung von Fehlern in einer anderen ZM als der ursprünglichen, führt zu keinem Aufleben der Steuerfreiheit für die betreffende Lieferung.

Die Berichtigung einer fehlerhaften ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist entfaltet für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung. Wieder schließt die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren ein Bußgeldverfahren des BZSt nicht aus (s. o.).

Beispiel 2

Wie Beispiel 1. Der Kaufpreis der Ware beträgt 55.000 EUR. D übermittelt an das BZSt fristgerecht eine ZM, beziffert die Bemessungsgrundlage aber versehentlich mit 5.500 EUR. Letzteres fällt dem Finanzamt im Februar 2022 anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung auf. D berichtigt die ZM noch im Februar 2022 nach einem entsprechenden Hinweis des Prüfers.

Folge: Solange die ZM fehlerhaft ist, liegen nicht alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung vor. Die Steuerbefreiung ist für diese Lieferung zunächst zu versagen. Mit Abgabe der berichtigten ZM im Februar 2022 liegen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Zeitpunkt der verspäteten Abgabe erstmals vor. Die Steuerbefreiung für die Lieferung ist dem D rückwirkend ab März 2021 zu gewähren.

Keine Vollverzinsung

Die erstmalige Abgabe einer ZM und die Berichtigung einer fehlerhaften ZM durch den Unternehmer innerhalb der Festsetzungsfrist entfalten für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung. Damit hat die Finanzverwaltung keine Möglichkeit zu einer Vollverzinsung (§ 233a AO).

Beachten Sie | Aufgrund der nunmehr aufgegebenen Rechtsauffassung wäre auch eine Vollverzinsung möglich gewesen. Das BMF-Schreiben vom 20.5.2022 positioniert sich dazu allerdings nicht.

Rückwirkende Anwendung

Das BMF-Schreiben ist erstmals auf innergemeinschaftliche Lieferungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 bewirkt wurden.

Praxistipp

Damit ist das BMF-Schreiben auf alle innergemeinschaftlichen Lieferungen anzuwenden, die der Neuregelung unterliegen, und entfaltet Rückwirkung. Letzteres erfolgt sehr zur Freude der Branche, die nach Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bereits erste Unstimmigkeiten mit der Finanzverwaltung vermeldet hat. Diese dürften nunmehr beigelegt sein.

Ausblick

Aus dem BMF ist zu hören, dass der Verweis auf § 18a Abs. 10 UStG in § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG ersatzlos gestrichen werden soll. Dies könnte bereits in einem Steueränderungsgesetz 2022 geschehen.

fundstellen
* BMF 20.5.22, III C 3 – S 7140/19/10002 :001,
* Quick Fix 02: Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer und Zusammenfassende Meldung, AStW 02/2019, Seite 144, ID 45664404