Eine Person ist als einem zu mindestens 10 % an der Kapitalgesellschaft beteiligten Gesellschafter nahestehende Person i. S. v. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG anzusehen, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis des Gesellschafters oder ein wirtschaftliches Eigeninteresse der entsprechenden Person besteht.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von der Steuerpflichtigen mit einer Limited zum 31.12.2018 vereinbarter Verzicht auf ein Darlehen in Höhe des Verzichts zu negativen Einkünften aus Kapitalvermögen führt, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen.
Entscheidung
Das FG Berlin-Brandenburg hat dies bejaht und die Anwendung des besonderen Steuersatzes nach § 32d EStG verneint.
Nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG kommt der besondere Steuersatz nicht bei Kapitalerträgen zur Anwendung, wenn sie von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. Voraussetzung ist, dass die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften darstellen, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 Satz 1 2. HS EStG keine Anwendung findet. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist.
Im Streitfall war § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG nach Satz 2 der Vorschrift anwendbar. Denn die Steuerpflichtige war selbst nicht an der Limited beteiligt, sodass die Anwendung von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG mit Satz 1 ausschied.
Sie war als Darlehensgeberin die Gläubigerin der Kapitalerträge und als Angehörige i. S. v. § 15 AO auch eine dem Anteilseigner nahestehende Person.
Auch das zusätzliche Erfordernis, dass die infrage kommende Person den Anteilseigner zu einer bestimmten Handlungsweise bringen kann, war im Streitfall erfüllt. Denn im Streitfall bestanden zwischen dem Ehemann als Alleingesellschafter der Limited einerseits und der Ehefrau und Darlehensgeberin andererseits neben ihrer Ehe noch weitere Verbindungen. Diese Verbindungen führten zu einem Abhängigkeitsverhältnis des Ehemanns als Gesellschafter der Limited zu seiner Ehefrau. Denn die Ehefrau war die Eigentümerin des Grundstücks und des Hotels, welches die Limited von der Ehefrau gepachtet hatte. Darüber hinaus hatte sie von der Ehefrau einen Pkw, und damit ein wichtiges und wertvolles Wirtschaftsgut für die Betriebsführung gemietet.
Damit war die Steuerpflichtige nicht nur Ehefrau, sondern auch die Eigentümerin der Betriebsgrundlagen des von der Limited betriebenen Hotels. Damit hing die Tätigkeit des Ehemanns als alleinigem Gesellschafter und Director der Limited davon ab, dass der Pachtvertrag der Limited mit der Ehefrau bestehen blieb.
Darüber hinaus erwirtschaftete die Ehefrau im Streitjahr 2018 den wesentlichen Teil der Lebensgrundlage der Eheleute. Sie war am Erhalt der Limited schon deshalb interessiert, weil ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom Bestand der Limited und dem Hotelbetrieb abhingen. All dies machte die Ehefrau zu einer nahestehenden Person, sodass der Abgeltungstarif des § 32d EStG nicht zur Anwendung kam und der Darlehensverlust steuerlich zu berücksichtigen war.
Das FG hat die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das beklagte Finanzamt hat diese auch eingelegt.
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FG Berlin-Brandenburg 12.6.23, 7 K 7115/21, Rev. BFH VIII R 25/23