Der gemeine Wert von GmbH-Anteilen kann nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren gem. § 200 BewG ermittelt werden, wenn er sich nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten innerhalb des letzten Jahres ableiten lässt. Das vereinfachte Ertragswertverfahren darf allerdings nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen. Dies ist der Fall, wenn zum Bewertungsstichtag offensichtlich ist, dass in der Zukunft ein erheblich höherer oder niedrigerer Ertrag zu erwarten ist. In einem Fall vor dem FG Düsseldorf ging es darum, ob eine sich abzeichnende Beendigung einer Vertragsbeziehung mit einem Großkunden zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige ist die Ehefrau des Erblassers. Dieser war Gesellschafter der A-GmbH. Der Erblasser verstarb am 1.1.2011. Er wurde von der Steuerpflichtigen beerbt.
Die A-GmbH gab im Oktober 2013 eine Feststellungserklärung ab. Mit dieser ermittelte sie den Wert der Gesellschaft auf den 1.1.2011 nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren und damit den Wert des Anteils des Erblassers. Das beklagte FA folgte dem und stellte mit einem gegenüber der A-GmbH ergangenen Bescheid im Februar 2014 die Werte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung entsprechend fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung stellte das beklagte FA den Wert des Anteils des Erblassers erneut fest.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch trug die Steuerpflichtige vor: Die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens führe zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen. Der von ihr erworbene Geschäftsanteil sei nicht frei am Markt zu veräußern. Die Nachfolge nach dem Geschäftsführer B sei ungeklärt gewesen. Der unerwartete und plötzliche Tod des Geschäftsführers B habe die A-GmbH an den Rand des Abgrunds gebracht. Der Sohn des Geschäftsführers B habe vergeblich versucht, den von ihm geerbten Geschäftsanteil auf der Grundlage eines Unternehmenswerts zu veräußern. Die Steuerpflichtige übersandte die gutachterliche Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers.
Entscheidung
Die Klage war nur teilweise erfolgreich. In der Begründung heißt es: Eine sich bereits abzeichnende Beendigung einer Vertragsbeziehung mit einem Großkunden führe nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Denn es sei durchaus möglich gewesen, dass bis zur Beendigung dieser Vertragsbeziehung ein neuer Großkunde gefunden werde. Bis zum Auslaufen des Mandats standen der A-GmbH immerhin noch zwei Jahre zur Verfügung. Es sei weder ersichtlich noch von der Steuerpflichtigen dargelegt worden, dass innerhalb dieses Zeitraums offensichtlich nicht mehr mit einem vergleichbaren oder mehreren kleineren Folgemandaten zu rechnen gewesen sei.
Bei der Bewertung der GmbH-Anteile nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren seien aber Sondergewinnbezugsrechte anderer Gesellschafter mindernd bei der Bewertung der nicht mit einem solchen Sondergewinnbezugsrecht versehenen Anteile zu berücksichtigen. Dies ergebe eine entsprechende Anwendung des § 97 Abs. 1b S. 4 BewG und führe dazu, dass der Steuerpflichtigen im Ergebnis nur etwa 15 % des Gewinns der A-GmbH anstatt 17,17 % zustand.
Praxistipp | Die Bewertung mit dem gemeinen Wert ist zum einen bei Schenkungen und Erbfällen bedeutsam, kann aber auch relevant werden bei einer Betriebsaufgabe gem. § 16 Abs. 3 S. 7 EStG oder einer Einbringung der Anteile in eine Kapitalgesellschaft gem. § 20 Abs. 1 UmwStG. In der Praxis führt das vereinfachte Ertragswertverfahren meist zu einem hohen Wert. Zum Nachweis eines geringeren Wertes empfiehlt sich daher die Erstellung eines Gutachtens für die Unternehmensbewertung nach IDW S 1. Allerdings müssen hierfür – damit dies auch in einem FG-Verfahren „hält“ – auch die Vorgaben dieses Standards vollständig eingehalten werden. Alternativ besteht die Möglichkeit des Nachweises aufgrund von vergleichbaren Verkäufen innerhalb des letzten Jahres vor dem Stichtag (§ 11 Abs. 2 S. 2 BewG).
Beachten Sie | Das FG hat die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich beim BFH unter dem Az. II R 5/19 anhängig ist.
Fundstelle
FG Düsseldorf 12.12.18, 4 K 108/18 F, Rev. BFH II R 5/19