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Verpachtet ein Freiberufler – im vorliegenden Fall ein Tierarzt – ausschließlich die Räumlichkeiten einer freiberuflichen Praxis an den Nachfolger, kann eine Betriebsverpachtung im Ganzen nur vorliegen, wenn diese Räumlichkeiten die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen.

Denn wesentliche Betriebsgrundlage einer Tierarztpraxis sind auch der Praxiswert und der Patientenstamm. Werden diese immateriellen Werte anlässlich der Praxisübergabe an den Nachfolger veräußert, liegt weder eine Betriebsverpachtung im Ganzen noch eine Betriebsunterbrechung, sondern eine Betriebsaufgabe vor.

Hintergrund

Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn die bisher im Betrieb entfaltete Tätigkeit aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d. h. innerhalb kurzer Zeit, entweder insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar in das Privatvermögen überführt werden.

Darüber hinaus liegt eine Betriebsaufgabe im Ganzen vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden. In diesem Fall muss der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens aufhören zu bestehen.

Dieser Grundsatz gilt auch für die der Betriebsaufgabe gleichgestellten Aufgabe einer freiberuflichen Praxis (§ 18 Abs. 3 S. 2 EStG i. V. m. § 16 Abs. 3 EStG). Bei der Veräußerung oder Aufgabe einer Praxis ist zusätzlich erforderlich, dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt wird.

Von einer Betriebsaufgabe zu unterscheiden ist eine Betriebsunterbrechung. Eine Betriebsunterbrechung lässt den Fortbestand des Betriebs unberührt. Sie kann darin bestehen, dass der Betriebsinhaber die wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet oder darin, dass er die Tätigkeit ruhen lässt (Betriebsunterbrechung im engeren Sinne).

Für die Anerkennung einer Betriebsverpachtung ist es erforderlich, dass alle wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden.

Welche Betriebsgegenstände in diesem Sinne als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebs.

Maßgebend ist dabei auf die sachlichen Erfordernisse des Betriebs abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise), und zwar bezogen auf die Verhältnisse des verpachtenden Unternehmens. Funktional wesentlich sind „die wesentlichen dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgrundlagen“.

Sachverhalt

Da im entschiedenen Fall ausschließlich die Räumlichkeiten einer freiberuflichen Praxis an die Nachfolgerin verpachtet wurden, hätte eine Betriebsverpachtung im Ganzen nur dann vorgelegen, wenn diese Räumlichkeiten die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellten. Das war jedoch nicht der Fall. Wesentliche Betriebsgrundlage der Tierarztpraxis des Steuerpflichtigen war der Praxiswert und der Patientenstamm. Diese gehören regelmäßig zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen.

Begründung

Für das Geschäftsmodell eines Tierarztes sind typischerweise seine persönliche Leistung und das damit aufgebaute Vertrauensverhältnis zu seinen Kunden bzw. Patienten wesentlich. Die bestehenden Beziehungen und Kontakte sind jeweils die maßgebende Grundlage für neue Behandlungsverträge. Für die Praxis des Steuerpflichtigen kam hinzu, dass gerade die Spezialisierung auf Großtiere für ihn Einsätze außerhalb der Praxisräume mit sich brachte.

Denn zu seinem Geschäftsfeld gehörte, dass er den Masttierbestand von Landwirten betreute. Auch vor diesem Hintergrund konnten die Räumlichkeiten – anders als dies möglicherweise bei vielen Gewerbebetrieben der Fall sein mag – nicht die einzigen wesentlichen Betriebsgrundlagen für die Praxis des Steuerpflichtigen sein, hinter denen sämtliche andere Betriebsgrundlagen funktional als unwesentlich zurücktreten könnten. Das FA hatte daher zu Recht die Aufgabe der Freiberuflerpraxis angenommen und einen entsprechenden Aufgabegewinn versteuert.

Fundstelle
* FG Münster 20.11.18, 2 K 398/18 E, NZB beim BFH unter VIII B 16/19