Der BFH hat sich in mehreren Urteilen mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit Schuldzinsen nach dem Verkauf einer wesentlichen Beteiligung nachträgliche Werbungskosten darstellen und wie die stillen Reserven zu behandeln sind, wenn die Anteile zuvor im Betriebsvermögen gehalten worden waren.
_Schuldzinsen:_ BFH 16.3.10, VIII R 20/08 VIII R 36/07, 28.3.07, X R 15/04, BStBl II 07, 642
_Stille Reserven:_ BFH 13.4.10, IX R 22/09, 19.8.08, IX R 71/07, BStBl II 09, 13; 24.6.08, IX R 58/05, BStBl II 08, 872
Zinsen können nach Verkauf weiterhin Werbungskosten sein
Entfallen Schuldzinsen für die Anschaffung einer privat gehaltenen, wesentlichen Beteiligung auf Zeiträume nach Veräußerung der Anteile oder Auflösung der Gesellschaft, können sie ab 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften abgezogen werden.
Dies hat der BFH in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, sofern der Erlös nicht zur Tilgung des Anschaffungsdarlehens ausreicht. Dieser Sinneswandel des BFH beruht im Wesentlichen darauf, dass
die Steuerbarkeit privater Vermögenszuwächse bei wesentlichen Beteiligungen nach § 17 EStG seit 1999 schrittweise erheblich ausgedehnt wurde und
Unternehmer nachträgliche Schuldzinsen unter denselben Voraussetzungen abziehen können.
Aufwendungen sind durch eine Einkunftsart veranlasst, wenn sie hierzu in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Was im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 EStG bei Kreditzinsen auf Betriebsschulden nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs ohnehin schon galt, wird nun auf den Abzug nachträglicher Schuldzinsen für die Kapitaleinkünfte ausgeweitet. Sie müssen lediglich auf Verbindlichkeiten entfallen, die nicht durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten getilgt werden können. Die nunmehr aufgehobene Differenzierung beruht auf dem Grundsatz, dass sich Wert-änderungen der Kapitalanlage in der Regel nicht auf die Besteuerung im Rahmen des § 20 EStG auswirken. Das galt selbst dann, wenn es sich um eine wesentliche Beteiligung nach § 17 EStG handelte, obwohl insofern auch Wertsteigerungen auf der privaten Vermögensebene der Besteuerung unterlagen.
Hieran kann jedoch nicht mehr festgehalten werden, seit die Beteiligungsgrenze 1999 zunächst von 25 auf 10 % und ab 2001 auf 1 % abgesenkt worden ist und es hierdurch zu einer konzeptionellen Gleichbehandlung von Gewinnausschüttung und Veräußerung gekommen ist. Insoweit besteht bei einer wesentlichen Beteiligung keine sachliche Rechtfertigung mehr für die Zuweisung der nachträglichen Finanzierungskosten zur grundsätzlich nicht steuerbaren Vermögensebene.
Die nachträglichen Schuldzinsen lassen sich bis 2008 gem. § 3c Abs. 2 EStG zur Hälfte als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften absetzen. Ab 2009 ist der Werbungskostenabzug mit Einführung der Abgeltungsteuer grundsätzlich entfallen. Zwar kann der GmbH-Gesellschafter auf Antrag das Teileinkünfteverfahren mit einem Abzug von 60 % der Werbungskosten wählen. Die hierfür erforderlichen verschiedenen Voraussetzungen lassen sich aber mit nachträglichen Werbungskosten kaum erreichen.
Steuer-Tipp
Durch die Verlängerung der Spekulationsfrist bei Grundstücken in 1999 von zwei auf zehn Jahre könnte sich im Bereich des § 21 EStG ebenfalls eine andere Beurteilung des Abzugs nachträglicher Schuldzinsen ergeben. Hierüber musste der BFH aber nicht entscheiden. Bei einem Verkauf einer Immobilie außerhalb der 10-Jahresfrist bleibt ein Abzug nachträglicher Schuldzinsen vermutlich weiterhin ausgeschlossen. Denkbar ist hingegen eine Berücksichtigung von nachträglichen Finanzierungskosten bei einer Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist.
Besteuerung von bereits vor Entnahme entstandenen stillen Reserven
Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft zunächst aus dem Betriebs- ins Privatvermögen überführt und erst dann veräußert, tritt der Teilwert dieser Anteile nur dann an die Stelle der historischen Anschaffungskosten für die Berechnung des Gewinns nach § 17 EStG, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt wurden. Entgegen der Vorinstanz geht der BFH davon aus, dass die Entnahme nur dann als anschaffungsähnlicher Vorgang angesehen werden kann, wenn die stillen Reserven bis zur Höhe des Teilwerts steuerlich erfasst worden sind. Nur dann tritt an die Stelle der historischen Anschaffungskosten der Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG.
Ist der Entnahmegewinn bereits im Betriebsvermögen steuerlich erfasst worden, käme es zu einer Doppelberücksichtigung der Wertsteigerungen, wenn die Anteile später privat veräußert werden und der Gewinn, als die Differenz von Veräußerungspreis und historischen Anschaffungskosten, im Rahmen des § 17 EStG ermittelt würde. Um dies zu vermeiden, tritt der Teilwert an die Stelle der historischen Anschaffungskosten. Sind aber die stillen Reserven tatsächlich nicht erfasst worden und können sie – aus welchen Gründen auch immer – vom Finanzamt nicht mehr erfasst werden, so kann es zu keiner Doppelberücksichtigung kommen. Die kompletten Wertsteigerungen werden daher allein durch § 17 EStG der Besteuerung unterworfen, zumal die Vorschrift nicht nur auf Wertsteigerungen im Privatvermögen abstellt. Woher die veräußerten Anteile stammen, ist unerheblich. Das gilt bei der vorherigen Entnahme aus dem Betriebsvermögen, ursprünglich einbringungsgeborene Anteile und auch für Anteile, die durch einen Verkauf nachträglich zu einer unwesentlichen Beteiligung werden.