Die Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens ist nicht allein deshalb beseitigt, weil die Steuerfahndungsstelle Zweifel daran hat, dass die in Rechnung gestellten Leistungen auch tatsächlich ausgeführt worden sind.
BFH 16.9.15, XI R 47/13
Sachverhalt
Die Klägerin (K) stellte im Rahmen von Umsatzsteuer-Betrugsgeschäften Rechnungen über Leistungen aus, die sie tatsächlich nicht erbracht hatte. Die Finanzverwaltung führte diesbezüglich eine Steuerfahndungsprüfung bei K durch und deckte die Betrugsgeschäfte auf. Davon unbeeindruckt setzte K die Geschäfte weiter fort. Insoweit wendet sich K gegen die Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG.
Nach Aufdeckung der Betrugsgeschäfte durch die Steuerfahndungsstelle hätte diese unverzüglich die Veranlagungsstelle informieren müssen. Eine Gefährdung des Steueraufkommens wäre damit jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen gewesen, da der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen vom Finanzamt theoretisch hätte versagt werden können.
Entscheidung
Der BFH teilte die Rechtsauffassung der K nicht. Die mit Ausgabe der Rechnungen eingetretene Gefährdung des Steueraufkommens ist nicht dadurch beseitigt worden, dass die Steuerfahndung das für die Besteuerung der Rechnungsempfänger zuständige Finanzamt hätte informieren müssen.
Für den Fall, dass eine mit Ausgabe der Rechnung eingetretene Gefährdung des Steueraufkommens nachträglich wieder entfällt, sieht das Gesetz vor, dass der zunächst geschuldete Umsatzsteuerbetrag berichtigt werden kann, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist nur dann beseitigt, wenn
ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder
die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist.
Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim FA gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die vorstehend angeführten Voraussetzungen eingetreten sind.
Die aufgrund des unrichtigen Steuerausweises entstandene Umsatzsteuer besteht bis zur ohne Rückwirkung eintretenden Berichtigung des Steuerbetrags. Eine rückwirkende Berichtigung eines unberechtigt ausgewiesenen Steuerbetrags widerspräche dem Regelungszweck der Vorschrift.
Eine darüber hinausgehende Möglichkeit, wie eine eingetretene Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt werden kann, sieht das deutsche Umsatzsteuerrecht nicht vor.
Soweit die K im Ergebnis meint, die Gefährdung des Steueraufkommens könne auch aufgrund anderer Umstände „entfallen“ bzw. i. S. des „§ 14c Abs. 2 Satz 3 UStG beseitigt werden, stellt sich diese Frage im Streitfall nicht; denn es ist weder vom FG festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen worden, dass die zuständige Veranlagungsstelle überhaupt Informationen über die Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndungsprüfung hatte.
Die von K vertretene Auffassung liefe im Übrigen darauf hinaus, dass die Steuerfahndung stets alle beteiligten Finanzämter über noch nicht abgeschlossene Ermittlungen unterrichten müsste. Dies ist abzulehnen.
Praxishinweise
(1) Bei unberechtigtem Steuerausweis schuldet der Rechnungsaussteller die ausgewiesene Steuer bis zum Abschluss des formell streng geregelten Korrekturverfahrens. Aufgrund der strengen Vorgaben sollte der Unternehmer sich spätestens dann von einem Berater unterstützen lassen.
(2) Nach der Korrektur wird das Finanzamt die gezahlte Umsatzsteuer erstatten – allerdings ohne nach § 233a AO Guthabenzinsen festzusetzen, da der Rückzahlungsanspruch ja erst mit Vornahme der Korrekturhandlungen entsteht.
(3) Aufseiten des Rechnungsempfängers ist der Vorsteuerabzug rückgängig zu machen – allerdings verzinst nach § 233a AO!