In Steuer-Tipps für ALLE

Mehrere Finanzgerichte haben sich aktuell mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit Sprösslinge über 18 noch berücksichtigt werden können.
Dabei ging es um verschiedene Sachverhalte, die zum Teil gegen die Verwaltungsauffassung entschieden wurden.
Verheiratete Kinder: FG Münster 20.9.13, 4 K 4146/12 Kg, FG Münster 24.4.13, 5 K 3297/12 Kg, EFG 13, 1242, Revision unter III R 22/13; 20.9.13, 4 K 4146/12 Kg
FG München 20.2.13, 9 K 3405/12, Revision unter III R 33/13
FG Sachsen 13.6.13, 2 K 458/13 (Kg), 26.6.13, 2 K 470/ 13 (Kg), Revision unter III R 37/13, BZSt 3.9.13, St II 2 – S 2280-PB/13/00011, BStBl I 13, 1143

Einkünfte: BFH 11.4.13, III R 35/11,
Grundwehr- oder Zivildienst: BFH 5.9.13, XI R 12/12,
Monatsrechnung: BFH 5.9.13, XI R 7/12; 27.8.08, III R 88/07,
Mutterschutz: BFH 13.7.13, III R 58/12; 24.9.09, III R 79/06,
Wanderarbeitnehmer: BFH 11.7.13, VI R 68/11,
Saisonarbeiter: BFH 18.7.13, III R 59/11; 24.10.12, V R 43/11, BStBl II 13, 491
NATO: BFH 8.8.13, III R 22/12; 28.4.10, III R 1/08; 25.7.07, III R 55/02

Duales Studium: FG Münster 15.5.13, 2 K 2949/12 Kg, NZB unter III B 63/13
Auslandsaufenthalt: BFH 19.9.13, III B 53/13,
Türkei: BFH 4.7.13, III B 24/13
Steuerberater Leipzig, Steuerkanzlei Leipzig, Jens Preßler

Ansatz verheirateter Kinder ab 2012

Nach der Verwaltungsauffassung setzt die Berücksichtigung volljähriger Kinder eine typische Unterhaltssituation voraus. Die liegt grundsätzlich nicht mehr vor, wenn der Sprössling entweder verheiratet ist oder selbst ein Kind hat. In diesen Fällen geht die vorrangige Unterhaltspflicht auf den Ehegatten oder den anderen Elternteil des Kindeskinds über. Ein Kindergeldanspruch besteht dann nur noch, wenn der Unterhaltsverpflichtete nicht leistungsfähig ist und damit die Unterhaltspflicht der Eltern als sogenannter Mangelfall wieder auflebt.
Einige FG weichen von dieser Rechtsansicht ab. Mehrere Revisionen sind beim BFH bereits anhängig.
Laut BZSt wird an der Verwaltungsauffassung in der Dienstanweisung festgehalten und entsprechende Kindergeldanträge daher wie bisher abgewiesen. Eine Verfahrensruhe von Einsprüchen kommt jedoch nur in zwei Fällen in Betracht, wenn es sich um vergleichbare Sachverhalte handelt, die derzeit als Streitthema beim BFH anhängig sind:
1. Verheiratetes Kind, bei dem das Einkommen des Ehegatten den Mangelfall und somit eine Berücksichtigung ausschließt.
2. Lediges Kind mit eigenem Nachwuchs, bei dem das Einkommen des anderen Elternteils die Unterhaltspflicht der Eltern ausschließt.

Hinweis?

Nicht vergleichbare Sachverhalte, insbesondere wenn bereits das Einkommen des Kindes den Mangelfall ausschließt, erfüllen die Voraussetzungen einer Verfahrensruhe nicht.
Das FG Münster hat erneut bekräftigt, dass die Gewährung von Kindergeld ab dem Jahr 2012 auch für verheiratete Kinder in einer Erstausbildung nicht mehr von deren Einkünften abhängig ist.
Daher kann auch ein denkbarer Unterhaltsanspruch gegenüber dem Ehepartner des Kindes einem Kindergeldanspruch grundsätzlich nicht entgegenstehen.
Das EStG sieht ab 2012 für Kinder in einer Erstausbildung weder eine Einkunftsgrenze vor, noch macht es den Kindergeldanspruch vom Vorliegen einer typischen Unterhaltssituation für die Eltern abhängig. Daher ist das Einkommen des Ehepartners des volljährigen Kindes nicht erheblich.

Auch Kinder haben regelmäßig wiederkehrende Einkünfte und Bezüge

Für den Nachwuchs über 18 besteht Anspruch auf Kindergeld, wenn er wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung dafür ist, dass die Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist und das behinderte Kind seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Ist es dem Kind hingegen trotz seiner Behinderung – etwa aufgrund hoher Einkünfte oder Bezüge – möglich, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, hat die Behinderung keine Bedeutung.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt der BFH klar, wann ein Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das ist anhand eines Vergleichs der beiden Bezugsgrößen, dem gesamten Lebensbedarf und der finanziellen Mittel zu prüfen.
Bei der Berechnung der finanziellen Mittel des behinderten volljährigen Kindes ist keine jahresbezogene Betrachtung der Einkünfte und Bezüge vorzunehmen, sondern auf den Kalendermonat abzustellen. Diese sind, soweit für Gewinneinkünfte nicht eine Ausnahme gilt, nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG zu erfassen.
Dabei berücksichtigt der BFH bei Anwendung des Zuflussprinzips auch den in der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, wonach regelmäßig wiederkehrende Einnahmen, die der Steuerpflichtige kurze Zeit vor Beginn oder nach Beendigung des Kalenderjahres erhält, als in dem Jahr der wirtschaftlichen Zugehö-rigkeit bezogen gelten.
Als Folge daraus sind monatlich wiederkehrende Einkünfte und Bezüge, die im Rahmen der monatsbezogenen Vergleichsrechnung nach dem Zuflussprinzip zu erfassen sind und das behinderte Kind innerhalb einer kurzen Zeit vor oder nach dem Jahreswechsel erhält, in dem bestim-mungsgemäßen Monat zu erfassen. Als kurze Zeit gelten bis zu zehn Tage.
Verlängerung um Grundwehr- oder Zivildienst
Die für den Bezug von Kindergeld maßgebliche Altersgrenze von 25 Jahren verlängert sich entgegen der Verwaltungsauffassung auch dann um die Dauer des vom Sprössling geleisteten Grundwehr- oder Zivildienstes, wenn während der Dauer des Dienstes Kindergeld gezahlt worden ist.
Das gilt nach Ansicht des BFH, wenn das Kind zeitgleich für einen Beruf ausgebildet wurde oder ein Hochschulstudium absolvierte. Denn eine Beschränkung dieser Verlängerung auf Dienstmonate, in denen kein Kindergeld gewährt wurde, ist dem Gesetzeswortlaut genauso wenig zu entnehmen wie eine der Doppelberücksichtigung von Dienstmonaten entge-genstehende maximale Bezugsdauer.
Hätte der Gesetzgeber den Verlängerungszeitraum auf die Fälle der tatsächlich dienstbedingt eingetretenen Ausbildungsverzögerung beschränken wollen, hätte er eine ausdrückliche Regelung treffen müssen.
Das ist nicht geschehen. Er hat in § 32 Abs. 5 Nr. 1 EStG eine typisierende Regelung zu dem Zweck getroffen, eine durch die Ableistung des Dienstes im Regelfall eingetretene Ausbildungsverzögerung zu kompensieren. Entgegen der Auffassung der Verwaltung ist laut BFH insoweit nicht darauf abzustellen, ob und in welchem Umfang sich durch die Dienstzeit die Ausbildung für einen Beruf im konkreten Fall tatsächlich verzögert habe.

Einberufung zum Wehrdienst im Laufe eines Monats

Wird ein Kind vor seinem 25. Lebensjahr innerhalb des viermonatigen Übergangszeitraums des § 32 Abs. 4 Nr. 2b EStG zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung seines Wehrdienstes erst an einem Tag nach dem 1. des Monats zum Wehrdienst einberufen, besteht für diesen Monat grundsätzlich ein Anspruch auf Kindergeld. Auch damit wendet sich der BFH gegen die Verwaltungsauffassung in der Dienstanweisung des BZSt.
Nach der BFH-Rechtsprechung befindet sich ein Kind, das den Wehrdienst beispielsweise wegen eines davorliegenden Wochenendes nicht bereits am ersten Tag eines Monats antreten kann, in den verbleibenden Tagen des Monats noch in der Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Leistung des Wehrdienstes.
Hierdurch wird dann in diesem Monat noch ein Anspruch auf Kindergeld begründet. Nach dem Monatsprinzip des § 66 Abs. 2 EStG soll das Kindergeld vom Beginn des Monats an gezahlt werden, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind und dann bis zum Ende des Monats, in dem die Voraussetzungen entfallen. Es reicht deshalb für einen Kindergeldanspruch aus, dass an einem Tag des Monats die Voraussetzungen erfüllt sind.
In diesem Zusammenhang ist das Vorliegen einer typischen Unterhaltssituation nach der BFH-Rechtsprechung kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für das Kindergeld. Ob Sohn oder Tochter wegen eigener Einkünfte nicht auf den Unterhalt ihrer Eltern angewiesen und deshalb nicht als Kind zu berücksichtigen sind, war bis 2011 erst auf der zweiten Stufe im Rahmen der damals geltenden Grenzbetrags-Regelung zu prüfen.

Kindergeld bei Mutterschutz und Elternzeit

Laut BFH ist die Unterbrechung der Suche nach einem Ausbildungsplatz während des Mutterschutzes ebenso unschädlich wie die Unterbrechung einer Ausbildung während der Schutzfrist. Die Mutterschutzfrist macht die Ausbildungsplatzsuche in vielen Fällen praktisch unmöglich und ist auch nicht zumutbar.
Bewerbungen, Vorstellungsgespräche oder Auswahltests können ebenso anstrengend sein wie eine gesetzlich untersagte normale Arbeit. Nach dem typisierenden Kindergeldrecht kommt es nicht darauf an, ob die Ausbildungssuche im Einzelfall trotz der besonderen Schutzbedürftigkeit werdender Mütter möglich und zumutbar wäre.
Nach Ablauf des Mutterschutzes und bei Unterbrechung der Suche nach einer Ausbildung während der Elternzeit ist das Kind – anders als bei einer Erkrankung oder während des Beschäftigungsverbots – aus objektiven Gründen weder an der Ausbildung noch an der Suche nach einem Platz gehindert. Es setzt dies aufgrund seines eigenen Entschlusses zugunsten der Förderung des Eltern-Kind-Verhältnisses während dieser Zeit nicht fort.

Anspruch auf Kindergeld in Sonderfällen

Neben dem volljährigen Nachwuchs hat sich der BFH auch generell zum Förderanspruch geäußert. Hinzu kommt ein Urteil des FG Münster.
Ein nach §§ 62 ff. EStG#BJNR010050934BJNE024013140 bestehender Kindergeldanspruch ist nicht ausgeschlossen, wenn ein Wanderarbeitnehmer in einem nach den gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für die Gewährung von Familienleistungen zuständigen Beschäftigungsmitgliedstaat dem Kindergeld vergleichbare Familienleistungen erhält.
Solche Leistungen sind auf den Kindergeldanspruch anzurechnen und die Differenz ist zu zahlen. Der Kindergeldanspruch ist zwar nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen, wenn für ein Kind Leistungen im Ausland zu zahlen sind oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären. Der Ausschluss gilt indes nicht für einen Wanderarbeitnehmer aus einem EU-Land mit koordinierten Sozialsystemen für Familienleistungen.
Einen in zwei Jahren jeweils rund drei Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigtem polnischen Saisonarbeiter, der auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG zur Einkommensteuer veranlagt wurde, steht für seine in Polen lebenden Kinder nicht für das ganze Jahr Kindergeld zu, sondern nur für die Zeiträume der inländischen Beschäftigung.
Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2b EStG besteht nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige bei Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt hat. Eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG liegt nur dann vor, wenn das FA im Einkommensteuerbescheid dem entsprechenden Antrag entsprochen hat.
Verliert ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer einen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitel, weil sich sein Aufenthaltsstatus aufgrund seiner Heirat nach dem NATO-Truppenstatut richtet, hat er dennoch Anspruch auf Kindergeld. Das ergibt sich aus der analogen Anwendung des § 62 Abs. 2 EStG. Eine Ausnahme gilt, wenn der Ausländer nur deshalb einen zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitel verloren hat, weil er nach seiner Hochzeit nicht mehr dem Ausländerrecht, sondern dem NATO-Truppenstatut unterliegt.
Ein ausbildungs- und praxisintegrierender Studiengang ist als duales Studium und damit als Erstausbildung oder Erststudium anzusehen. Dies ist erst abgeschlossen, wenn der angestrebte akademische Grad erreicht ist oder das Studium aus anderen Gründen endet. Die seit 2012 geltende Neuregelung des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG steht dem nicht entgegen. Die Neuregelung schränkt den Anspruch auf Kindergeld ein, wenn das Kind seine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen hat. Da das duale Studium eine Erstausbildung oder ein Erststudium darstellt, ist somit die Erwerbstätigkeit des Kindes unschädlich.
Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegte Auslandsaufenthalte kommen kurzzeitige Besuche und Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleich und bedeuten daher kein zwischenzeitliches Wohnen im bisherigen Zuhause. Damit wird der Inlandswohnsitz eines Kindes nicht aufrechterhalten. Nicht nur die objektiven Wohnverhältnisse müssen die Möglichkeit eines längeren Wohnens bieten, sondern die Anwesenheit im Inland darf nicht nur Besuchs-charakter haben.
Es verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des „Art. 3 Abs. 1 GG, dass Kinder nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG nicht berücksichtigt werden, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im EU- oder EWR-Raum haben. Die Anknüpfung an den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ist als Ausprägung des Territorialitätsprinzips nicht sachwidrig. Befindet sich das Kind in der Türkei in Berufsausbildung, kann den Eltern allerdings der Kinderfreibetrag zustehen.