Eine Folge der Corona-Pandemie ist es, dass die Deutschen derzeit vermehrt im Homeoffice arbeiten – entweder komplett oder auch nur tageweise. Ersten vorsichtigen Schätzungen zufolge ist die Zahl der Arbeitnehmer im Homeoffice durch die Pandemie von bislang 12 auf nunmehr 25 % aller Arbeitnehmer gestiegen – so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am 27.4.2020. Dies führt plötzlich und unerwartet zu vielen neue Fragen. Die eine oder andere betrifft auch die Bekanntgabe von Steuerbescheiden und anderen Steuerverwaltungsakten.
Bekanntgabe von Steuerbescheiden
Die Pandemie hat vieles verändert und neue Sonderregelungen provoziert. Dabei wird häufig übersehen, dass – soweit keine Neuregelung greift – das Bisherige auch weiterhin Bestand hat. So richtet sich die Bekanntgabe von Steuerbescheiden und anderen Steuerverwaltungsakten unverändert nach § 122 AO. Gleiches gilt für die flankierenden Bestimmungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung.
Bekanntgabe von Steuerbescheiden bei Homeoffice von Steuerberatern
Werden Bescheide an Steuerberater mit Empfangsvollmacht bekanntgegeben, entfalten diese auch dann ihre Wirkung, wenn die Kanzlei wegen Homeoffice faktisch unbesetzt ist.
Beachten Sie | Allein entscheidend ist, ob der Bescheid in den Machtbereich des Steuerberaters – also den Briefkasten oder in das Postfach der Kanzlei – gelangt ist. Grundsätzlich unerheblich ist, warum der Steuerberater den Briefkasten oder das Postfach nicht leeren kann.
Praxistipp | Allerdings kann sich aus Corona-bedingter Umorganisation ein Wiedereinsetzungsgrund gegebenenfalls ergeben (s. u.).
Bekanntgabe von Steuerbescheiden an den Mandanten
Wurde dem Steuerberater eine Empfangsvollmacht auch für Steuerbescheide erteilt (vgl. § 122 Abs. 1 Satz 4 AO), ist das Finanzamt daran gebunden (vgl. AEAO zu § 122, Ziffer 1.7.2).
Praxistipp | Auch amtsbekanntes Wissen um ein Homeoffice des Steuerberaters rechtfertigt keine direkte Bekanntgabe an den Mandanten!
Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
Sollten trotz aller organisatorischer Vorsichtsmaßnahmen des Steuerberaters oder des Mandanten Fristen versäumt worden sein, wird die Finanzverwaltung – wenn das Versäumnis mit den Schwierigkeiten aufgrund der Corona-Pandemie begründet wird – diesem Antrag mit großer Wahrscheinlichkeit entsprechen.
Öffentliche Bekanntmachung
§ 122 Abs. 4 AO lautet wie folgt: „Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.“
Der verfügende Teil ist ortsüblich bekannt zu machen – also an dem Ort, der hierfür von der Behörde allgemein vorgesehen ist. In der Regel ist dies der sog. „Aushang“ des Finanzamts (vgl. AEAO zu § 122, Ziffer 3.1.5).
Praxistipp | Lassen die Finanzämter aufgrund der Pandemie keinen Publikumsverkehr zu, sind öffentliche Zustellungen in dieser Zeit nicht möglich.
Weniger als zwei Wochen vor der Schließung der Finanzämter oder während der Schließung ausgehängte Bekanntgaben sind daher für eine wirksame Bekanntgabe so lange auszuhängen, bis die Finanzämter zwei Wochen wieder geöffnet haben werden.