Nach § 9 Abs. 6 EStG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.
Diese rückwirkend seit Veranlagungszeitraum 2004 geltende eindeutige gesetzliche Regelung hält der 6. Senat des BFH für verfassungswidrig und hat daher das BVerfG angerufen.
BFH 17.7.14, VI R 2/12, BFH 17.7.14, VI R 8/12
Sachverhalte
In den Streitfällen geht es um Ausbildungskosten zum Flugzeugführer sowie um Berufsausbildungskosten aufgrund eines Universitätsstudiums. In beiden Fällen führte der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung nachfolgend zu einem Beschäftigungsverhältnis.
Die Steuerpflichtigen hatten ihre Aufwendungen für die Berufsausbildung jeweils als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemacht und die Feststellung entsprechend vortragsfähiger Verluste begehrt, um diese dann in den folgenden Jahren mit ihren aus der Berufstätigkeit erzielten Einkünften verrechnen zu können. Dem stand in allen Streitfällen allerdings § 9 Abs. 6 EStG entgegen.
Auffassung des BFH
Nach Auffassung des BFH sind Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit beruflich veranlasst und demgemäß auch als Werbungskosten einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Denn sie dienen der Erzielung einkommensteuerpflichtiger Einkünfte.
Der Ausschluss des Werbungskostenabzugs verstößt nach Auffassung des BFH gegen das aus „Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und ist auch nicht mit Vereinfachung und Typisierung zu rechtfertigen.
Berufsausbildungskosten stellen keine beliebige Einkommensverwendung dar, sondern gehören zum zwangsläufigen und pflichtbestimmten Aufwand, der nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers steht. Diese Aufwendungen sind – so der BFH – deshalb unter dem Aspekt der Existenzsicherung einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen.
Dem werde jedoch nicht entsprochen, wenn für solche Aufwendungen lediglich ein Sonderausgabenabzug in Höhe von 4.000 EUR/6.000 EUR in Betracht komme. Denn der Sonderausgabenabzug bleibe bei Auszubildenden und Studenten nach seiner Grundkonzeption wirkungslos, weil gerade sie typischerweise in den Zeiträumen, in denen ihnen Berufsausbildungskosten entstünden, noch keine eigenen Einkünfte erzielten.
Der Sonderausgabenabzug gehe daher ins Leere, da er im Gegensatz zum Werbungskostenabzug auch nicht zu Verlustfeststellungen berechtige, die mit späteren Einkünften verrechnet werden könnten.
Hinweis
Der BFH sieht angesichts des Wortlauts des § 9 Abs. 6 EStG keinen Raum für eine verfassungskonforme Auslegung. Denn der Wortlaut der Vorschrift ist nunmehr derart eindeutig, dass insoweit keine diesem Wortlaut noch entsprechende Auslegung erkennbar wäre, die Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, als Werbungskosten abziehbar machte.
PRAXISHINWEIS
Betroffene Steuerpflichtige sollten in jedem Fall im Rahmen eines Studiums oder einer selbst finanzierten Ausbildung (z.B. zum Flugzeugführer) angefallene Aufwendungen im Rahmen einer Steuererklärung als vorweggenommene Werbungskosten geltend machen und den Vortrag des so entstehenden Verlustes nach § 10d EStG unter Hinweis auf die Vorlagebeschlüsse des BFH beantragen.