Der BFH hat entschieden, dass Kosten für einen für Notfälle eingerichteten Behandlungsraum im privaten Wohnhaus einer Ärztin nicht dem Abzugsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer unterliegen. Der BFH entschied zugunsten der Steuerpflichtigen. Die Aufwendungen sind als Betriebsausgaben abzugsfähig. |
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige ist Augenärztin. Sie betrieb in den Streitjahren 2010 bis 2012 zusammen mit zwei weiteren Ärztinnen und einem Arzt eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer GbR. In den dortigen Praxisräumen übte sie ihre Tätigkeit als Ärztin aus.
Daneben unterhielt die Steuerpflichtige im Keller ihres privaten Wohnhauses einen für die Behandlung von Patienten in Notfällen eingerichteten Raum, der mit einer Klappliege, einer Spaltlampe, einer Sehtafel, einem Medizinschrank, Instrumenten und Hilfsmitteln (z. B. zum Entfernen von Fremdkörpern), einem kleinen Tisch zum Ausstellen von Rezepten und mehreren Stühlen eingerichtet war. Diesen Notbehandlungsraum nutzte sie ausschließlich für ärztliche Behandlungen.
Das Haus der Steuerpflichtigen verfügte über einen Hauseingang im Erdgeschoss, durch den man in einen Flur gelangte. Von dem Flur führte eine Treppe in den Keller, wo sich neben dem Notbehandlungsraum ein Heizungsraum, ein Hauswirtschaftsraum, ein Waschraum und ein weiterer Raum befanden. Von dem Flur im Erdgeschoss gelangte man zudem in das Schlafzimmer, die Küche, das Wohn- und Esszimmer und zum Gäste-WC. Die Räume im Keller waren nicht über einen gesonderten Kellereingang erreichbar.
Das FA vertrat die Auffassung, der Notbehandlungsraum der Steuerpflichtigen unterliege unabhängig von seiner Einrichtung dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Danach seien die Aufwendungen nicht abziehbar, da der Steuerpflichtigen ärztliche Behandlungsräume in der Praxis der GbR zur Verfügung stünden. Ein Betriebsausgabenabzug der auf die Notfallpraxis entfallenden Aufwendungen komme daher nicht in Betracht.
Entscheidung
Der BFH entschied jedoch zugunsten der Steuerpflichtigen und gab dem Klagebegehren auf Anerkennung der den Raum betreffenden Aufwendungen als Betriebsausgaben statt.
Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können unbeschränkt als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar sein, wenn sie betrieblich bzw. beruflich genutzt werden und sich der betriebliche bzw. berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen.
Ob ein mit Wohnräumen des Arztes in räumlichem Zusammenhang stehender, zur Notfallbehandlung von Patienten genutzter Raum als betriebsstättenähnlicher Raum anzusehen ist, muss im Einzelfall festgestellt werden. Dabei kommt sowohl der Ausstattung des Raums als auch dessen leichter Zugänglichkeit für Dritte Bedeutung zu.
Im Streitfall war der Notbehandlungsraum aufgrund seiner Ausstattung und Nutzung in den Streitjahren als betriebsstättenähnlicher Raum zu qualifizieren. In diesem Raum behandelte die Steuerpflichtige in den Streitjahren eine erhebliche Zahl von Patienten. Der Raum war danach als Behandlungsraum eingerichtet und wurde als solcher von ihr genutzt.
Aufgrund dieser tatsächlichen Gegebenheiten konnte eine private (Mit-)Nutzung des Raums durch die Steuerpflichtige praktisch ausgeschlossen werden. Die Patienten der Steuerpflichtigen mussten zwar zwei dem privaten Bereich zuzuordnende Flure durchqueren, um in den Behandlungsraum zu gelangen. Allerdings ist die dadurch gegebene räumliche Verbindung zu den privat genutzten Räumen gering ausgeprägt. Sie fällt angesichts der Ausstattung des Raums und der tatsächlichen beruflichen Nutzung nicht entscheidend ins Gewicht.
Fundstelle
BFH 29.1.20, VIII R 11/17