Erhält ein Mitglied des Aufsichtsrats eines Sportvereins für seine Tätigkeit eine Vergütung, so unterliegt diese nicht der Umsatzsteuer. Das Aufsichtsratsmitglied ist hinsichtlich der Ausübung seiner Tätigkeit weder dem Vorstand noch dem Aufsichtsrat hierarchisch untergeordnet. Das Mitglied handelt jedoch nicht in eigenem Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung und trägt auch nicht das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit. Die Tätigkeit wird daher nicht selbstständig ausgeübt. |
Sachverhalt
Der Kläger ist Mitglied des Aufsichtsrats eines Sportvereins. Er erhielt ein jährliches Budget, das er für den Bezug von Dauer- und Tageskarten, die Erstattung von Reisekosten und den Erwerb von Fanartikeln einsetzen konnte. Das vom Aufsichtsratsmitglied in Anspruch genommene Budget beurteilte das Finanzamt als Entgelt für seine Aufsichtsratstätigkeit und unterwarf dieses der Umsatzsteuer.
Entscheidung
Die Klage war erfolgreich und führte zur Aufhebung der Umsatzsteuerfestsetzung.
Mit seiner Entscheidung wendet das Finanzgericht die neue Rechtsprechung von EuGH und BFH zu den Aufsichtsratsvergütungen einer niederländischen Stiftung und einer deutschen Aktiengesellschaft entsprechend auf die Aufsichtsratsvergütung eines deutschen eingetragenen Vereins an.
Auch Vereine können einen Aufsichtsrat haben!
Klassische Organe eines eingetragenen Vereins sind die Mitgliederversammlung und der Vorstand. Wenn es die Satzung des Vereins vorsieht, kann der Verein aber auch – wie im Urteilsfall – einen Aufsichtsrat erhalten. In der Satzung erfolgt dann eine Aufgabenverteilung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand.
Entgeltliche und nachhaltige Tätigkeit im Rahmen eines Leistungsaustauschs
Die dem Kläger zugewandten Eintrittsberechtigungen, die erstatteten Auslagen für Reisen und die Steuererstattungen in Höhe der Mehrsteuern aufgrund der ihm zugewandten Eintrittsberechtigungen über mehrere Jahre führen dazu, dass der Kläger seine Aufsichtsratstätigkeit im Rahmen eines Leistungsaustausches nachhaltig und entgeltlich ausübt.
Keine hierarchische Einbindung
Das Aufsichtsratsmitglied ist entsprechend der Vereinssatzung und den glaubhaft geschilderten vereinsinternen Abläufen nicht weisungsgebunden und steht in keinem Unterordnungsverhältnis zum Vorstand oder zum Aufsichtsrat des Vereins.
Es fehlt aber an der Selbstständigkeit!
Das fehlende Unterordnungsverhältnis bzw. die fehlende Weisungsgebundenheit des Aufsichtsratsmitglieds reichen jedoch für die bei einem Unternehmer vorausgesetzte „selbstständige Ausübung” der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nach neuer Rechtsprechung nicht aus.
Das Gericht verweist insoweit insbesondere auf die EuGH-Rechtsprechung. Danach liegt eine selbstständige Tätigkeit bei einem Aufsichtsratsmitglied, das wie der Kläger nicht weisungsabhängig bzw. untergeordnet als Aufsichtsratsmitglied tätig ist, vor, wenn er
* seine Tätigkeit im eigenen Namen,
* auf eigene Rechnung ausübt und
* das mit der Ausübung der Tätigkeit verbundene wirtschaftliche Risiko trägt.
Im Urteilsfall folgt aus der Vereinssatzung, dass der Kläger nicht in eigenem Namen, sondern stets für den Aufsichtsrat in Umsetzung der dort unter seiner Mitwirkung getroffenen Beschlüsse tätig wurde. Seine Tätigkeit im Eilausschuss übte er ebenfalls für den Aufsichtsrat und nicht im eigenen Namen aus.
Der Kläger hat weder auf eigene Rechnung noch erfolgsabhängig und damit ohne Verlustrisiko gearbeitet. Eine ein wirtschaftliches Risiko möglicherweise begründende persönliche Haftung für Pflichtverletzungen gegenüber Dritten ist in der Vereinssatzung nicht vorgesehen. Eine durch ein Aufsichtsratsmitglied begangene Fahrlässigkeit hat keine Auswirkungen auf die seine Vergütung.
Praxistipps |
1. Das Urteil ist rechtskräftig.
2. Das FG hat Revision zur Rechtsfortbildung zugelassen. Die Finanzverwaltung hat darauf verzichtet. In diesem Verzicht steckt eine große Aussagekraft! Rechnet die Finanzverwaltung nämlich mit einer für sie negativen Entscheidung des BFH, vermeidet sie es gerne, dass ein Streitfall „hochgekocht“ wird, verzichtet auf Rechtsmittel und wendet die – nach Auffassung des Finanzgerichts fehlerhafte, dafür aber profiskalische – Rechtsauffassung weiter an. Im Hinblick auf die neue Rechtsprechung von EuGH und BFH lässt sich die Vorsicht der Finanzverwaltung bestens nachvollziehen!
3. Für Aufsichtsratsmitglied und Sportverein ist das Besprechungsurteil sicher höchst positiv. Der Verein dürfte – wenn überhaupt – nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt sein. Durch die Umsatzbesteuerung entstünden damit „echte“ Kosten – wer auch immer diese intern tragen müsste. Hinzu kämen für das Mitglied die Steuererklärungspflichten etc.
Fundstellen
* FG Köln 26.11.20, 8 K 2333/18, EuGH 13.6.19, C-420/18, IO, BFH 27.11.19, V R 23/19