Das FG Baden-Württemberg hat aktuell das FA verpflichtet, zugunsten eines Bauträgers Erstattungszinsen in Höhe von insgesamt 204.630 EUR festzusetzen, weil in den Streitjahren 2009 bis 2011 auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung zu Unrecht Umsatzsteuer für die Eingangsleistungen des Bauträgers erhoben worden war.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige ist als Bauträger tätig. Sie erwirbt Grundstücke, lässt diese von Bauunternehmern bebauen, teilt die Gebäude in Wohnungen auf und verkauft diese wiederum.
In ihrer ursprünglichen Umsatzsteuererklärung setzte die Bauträgerin in 2009 bis 2011 die Umsatzsteuer für Bauleistungen von Bauunternehmern in der in den Streitjahren geltenden Fassung an (sog. Reverse Charge). Die Bauleistungen verwendete die Steuerpflichtige für ihre steuerfreien Grundstückslieferungen. Die Steuerpflichtige folgte dabei der damaligen Verwaltungsauffassung.
Im Anschluss an das Grundsatzurteil des BFH vom 22.8.2013 berichtigte die Bauträgerin ihre Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 und forderte die zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer zurück.
Das FA erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide und verrechnete die Umsatzsteuererstattung mit den an sie abgetretenen zivilrechtlichen Ansprüchen der Bauunternehmer gegen die Bauträgerin auf Nachzahlung der Umsatzsteuer.
Das FA setzte in den Änderungsbescheiden keine Erstattungszinsen fest. Einen Antrag auf Festsetzung von Erstattungszinsen lehnte es ab.
Entscheidung
Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FA sei verpflichtet, den Erstattungsanspruch der Bauträgerin (nach § 233a Abs. 1 u. 3 der AO) zu verzinsen.
Die Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 führte zu einem Unterschiedsbetrag zugunsten der Bauträgerin. Der Zinslauf beginne jeweils 15 Monate nach Ablauf eines jeden Streitjahrs (§ 233a Abs. 2 AO) und zwar nicht aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses.
Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Anspruchs des leistenden Bauunternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an die Finanzbehörde sei kein rückwirkendes Ereignis im Hinblick auf den Umsatzsteuererstattungsanspruch. Die Steuerfestsetzung sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil zu keiner Zeit die Voraussetzungen für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vorlagen.
Die Abtretung des Umsatzsteueranspruchs des leistenden Bauunternehmers an die Finanzbehörde stelle auch keine aufschiebende Bedingung für die Entstehung des zu verzinsenden Umsatzsteuererstattungsanspruchs der Steuerpflichtigen dar. Das FA habe keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem es eine solche aufschiebende Bedingung ausgesprochen habe (§ 120 Abs. 2 Nr. 2 AO).
Der zu verzinsende Anspruch der Bauträgerin auf Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer entstehe vielmehr – unbedingt – kraft Gesetzes ohne weitere Voraussetzungen bzw. Handlungen der Beteiligten.
Praxistipp | Gegen das Urteil ist Revision beim BFH anhängig (XI R 4/18).
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Fundstelle
FG Baden-Württemberg 7.12.17, 1 K 1293/17