In der Praxis nutzen immer mehr Steuerberater und deren Mandanten das ELSTER-Portal, um gegen fehlerhafte Steuerbescheide Einspruch einzulegen. Das führt zu neuen Fragen hinsichtlich der Fristwahrung. Auf Bund-Länder-Ebene wurde die Frage erörtert, ob es zur Wahrung der Einspruchsfrist ausreicht, eine Mitteilung über das ELSTER-Portal ohne Nennung des zuständigen Finanzamts abzusenden und ob für die Fristwahrung allein der Zeitpunkt des Eingangs der Nachricht bei ELSTER maßgeblich ist? Die Antwort: Es kommt darauf an.
Grundsätzliches
Das ELSTER-Portal ist keine eigenständige Behörde, sondern erbringt lediglich technische Hilfeleistungen, die der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 3 FVG). Für die Prüfung der fristwahrenden Einlegung ist daher grundsätzlich auf den Eingang des elektronischen Einspruchsschreibens im ELSTER-Portal abzustellen. Zur Frage der Fristwahrung sind jedoch die beiden folgenden Szenarien zu unterscheiden.
1. Szenario: Aus dem Einspruchsschreiben ist der angefochtene Verwaltungsakt erkennbar
Enthält der elektronisch übermittelte Einspruch keine Angaben zum zuständigen Finanzamt, genügt es, wenn aus der Mitteilung ans ELSTER-Portal anhand der angegebenen Identifikationsnummer unmittelbar erkenntlich ist, gegen welchen Verwaltungsakt sich der Einspruchsführer richtet.
Das bedeutet für die Praxis Folgendes: Kommt der Einspruch bei einem nicht zuständigen Finanzamt an und ist aufgrund der Identifikationsnummer leicht und einwandfrei erkennbar, welches Finanzamt zuständig ist, hat die nicht zuständige Behörde den Einspruch unverzüglich an die zuständige Finanzbehörde weiterzuleiten. Passiert das nachweislich nicht und wird dadurch die Einspruchsfrist versäumt, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO in Betracht (BVerfG 2.9.02, 1 BvR 476/01).
2. Szenario: Zuständiges Finanzamt ist wegen unklarer oder fehlender Angaben nicht erkennbar
Etwas anders gilt, wenn die elektronische Mitteilung des Steuerberaters oder des Mandanten über den Einspruch ans ELSTER-Portal wegen unklarer oder fehlender Angaben nicht erkennen lässt, welcher Finanzbehörde der Einspruch zuzuordnen ist. Das wäre also der Fall, wenn in dem Einspruch weder das zuständige Finanzamt noch die Identifikationsnummer angegeben wird. In diesem Fall gehen diese Mängel zulasten des Einspruchsführers, der selbst das Risiko für die rechtzeitige Übermittlung seines Einspruchs trägt. Kommt der Einspruch bei einem nicht zuständigen Finanzamt an und ist für das Finanzamt nicht klar erkennbar, welches Finanzamt zuständig ist, greift § 110 AO bei Fristversäumnis nicht.
Praxistipp
Um erst gar keine Probleme hinsichtlich der Einspruchsfrist aufkommen zu lassen, sollten Sie in jedem elektronischen Einspruch über das ELSTER-Formular unmissverständlich angeben, gegen welchen Steuerbescheid welcher Behörde sich der Einspruch richtet.
Selbst wenn der elektronische Einspruch alle Angaben enthält, damit das Finanzamt die zuständige Behörde und den angefochtenen Bescheid erkennen kann, kann es passieren, dass Ihr Einspruch wegen Fristversäumnis nicht zulässig ist. Und zwar, wenn Sie den Einspruch im ELSTER-Portal verfassen, nur speichern und sich anschließend abmelden. Denn das Speichern alleine bewirkt nicht, dass ein Einspruch eingelegt wird. Dazu müssen Sie den Einspruch auch absenden (FG Köln 25.7.18, 3 K 2250/17).
Ist Ihnen der Fehler unterlaufen, dass Sie innerhalb der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist einen Einspruch im ELSTER-Portal gespeichert, aber nicht abgesandt haben und deshalb die Frist versäumt haben, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
Legen Sie Einspruch gegen die Feststellung des Finanzamts ein, dass der Einspruch durch das bloße Speichern im ELSTER-Portal wegen Fristversäumnis unzulässig ist.
Beantragen Sie ein Ruhen des Einspruchsverfahrens. Denn nun hat der Bundesfinanzhof in einem Revisionsverfahren das letzte Wort (BFH, VIII B 124/18).