In zwei aktuellen Urteilen des Bundesfinanzhofs sowie des Sächsischen Finanzgerichts und in einer internen Verfügung der Finanzverwaltung wurde die Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers definiert. Hier ein Update, wann eine Lohnsteuerhaftung droht, wie sich Arbeitgeber bei Erhalt eines Haftungsbescheids verhalten sollten und wie man die Lohnsteuerhaftung vermeiden kann.
Lohnsteuerhaftung bei nicht erfolgtem ELStAM-Abruf
Der Arbeitgeber hat zu Beginn des Dienstverhältnisses die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) für die neuen Arbeitnehmer beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) abzurufen und in das jeweilige Lohnkonto zu übernehmen (§ 39e Abs. 4 Satz 2 EStG).
Ist die erste ELStAM-Abfrage erfüllt, muss der Arbeitgeber zudem eine monatliche Abfrage und einen monatlichen Abruf der ELStAM durchführen (§ 39e Abs. 5 Satz 3 EStG).
Doch was passiert lohnsteuerlich, wenn ein Arbeitgeber seiner Verpflichtung, monatliche Abfragen und Abrufe vorzunehmen, nicht nachgekommen ist? Nach einer Abstimmung zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gilt Folgendes:
* Bei Anmeldung des Arbeitnehmers beim BZSt ohne (regelmäßigen) ELStAM-Abruf darf im Rahmen einer Lohnsteuerhaftung nicht automatisch die Lohnsteuerklasse VI zugrunde gelegt werden. Es hat vielmehr eine Nachversteuerung des Arbeitslohns mit den aktuellen ELStAM (z. B. Lohnsteuerklasse IV statt III) zu erfolgen. § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG findet insoweit keine Anwendung.
* Ist pflichtwidrig keine elektronische Abgabe des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung erfolgt und ist keine Steuernummer erteilt worden, ist der Lohnsteuerabzug mit Lohnsteuerklasse VI vorzunehmen.
* Der Umfang der Lohnsteuerhaftung bestimmt sich nach Ablauf des Kalenderjahres grundsätzlich nach der Jahreslohnsteuerschuld (§ 38a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Höhe der Einkommensteuerfestsetzung der Arbeitnehmer ist im Rahmen des Auswahlermessens im Einzelfall zu berücksichtigen.
Ermessensausübung bei Lohnsteuer-Haftung ist ein Muss
Typischer Fall aus der Praxis
Bei einem Unternehmen findet eine Lohnsteueraußenprüfung statt. Der Prüfer stellt fest, dass vermeintliche Subunternehmer steuerlich als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind. Er nimmt den Arbeitgeber für die nicht einbehaltene Lohnsteuer in Haftung. Im Haftungsbescheid finden sich keine Hinweise darauf, warum die Lohnsteuer nicht vorrangig von den wenigen, namentlich bekannten (vermeintlichen) Subunternehmern gefordert wurde.
Frage: Ist die Lohnsteuerhaftung in diesem Fall zulässig?
Die Antwort gleich vorab: In dem geschilderten Fall hat das FG Sachsen die Lohnsteuerhaftung als rechtswidrig eingestuft (FG Sachsen 16.12.2021, 8 K 623/21).
Begründung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind hinsichtlich der Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers Gesamtschuldner. Deshalb hat das Finanzamt ein Auswahl- und Entschließungsermessen (§ 42d Abs. 3 Satz 2 EStG). Beim Entschließungsermessen, stellt sich die Frage, ob nicht eine einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuer überhaupt geltend gemacht werden soll. Das Auswahlermessen betrifft die Frage, ob Lohnsteuer im Wege der Nachforderung beim Arbeitnehmer oder im Wege der Haftung beim Arbeitgeber beigetrieben wird.
Stehen die Arbeitnehmer namentlich fest und handelt es sich um eine überschaubare Anzahl von Arbeitnehmern, die vom Arbeitgeber fälschlicherweise als Subunternehmer eingestuft wurden, soll nach Ansicht der Richter des FG Sachsen die Beitreibung der Steuern bei diesen Arbeitnehmern im Rahmen der Einkommensteuererklärung erfolgen. Eine Haftung ist in diesem Fall rechtswidrig.
Praxistipp
Das FA muss im Haftungsbescheid Angaben zu seinen Ermessensausübungen machen. Fehlen Ausführungen zur Ermessensausübung und die Arbeitnehmer sind vergleichbar wie im Urteilsfall namentlich bekannt und in der Anzahl überschaubar, sollte der Arbeitgeber mit Hinweis auf dieses aktuelle Urteil Einspruch gegen einen Haftungsbescheid einlegen.
Haftung für pauschalierte Lohnsteuer durch GmbH-Geschäftsführer
Nach § 69 Satz 1 AO in Verbindung mit § 34 Abs. 1 AO kann das Finanzamt gesetzliche Vertreter einer GmbH in Haftung nehmen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht fristgemäß erfüllt worden sind. Lohnsteuerlich besteht für den GmbH-Geschäftsführer die Verpflichtung, die Lohnsteuer für die Arbeitnehmer der GmbH fristgemäß anzumelden und abzuführen (§ 41a Abs. 1 EStG).
In einem Urteilsfall wurde die Lohnsteuer für den geldwerten Vorteil aus der Nutzung eines Firmenwagens zwar angemeldet, aber nicht vollständig ans Finanzamt abgeführt. Irgendwann wurde wegen Insolvenz der GmbH überhaupt keine Lohnsteuer mehr abgeführt. Im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung kam es zu einer pauschalen Nachversteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG.
Die Richter des BFH bestätigten dem Finanzamt, dass eine Lohnsteuerhaftung gegenüber dem Geschäftsführer zulässig ist, weil die Nichtanmeldung bzw. die Nichtabführung der Lohnsteuer auf einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten des GmbH-Geschäftsführers beruht (BFH 14.12.21, VII R 32/20).
fazit
Es handelt sich bei der pauschalierten Lohnsteuer nicht um eine Unternehmensteuer eigener Art, sondern um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer (= Aufgabe der BFH-Rechtsprechung im Urteil vom 3.5.90, VI R 108/88).
fundstellen
* FG Sachsen 16.12.21, 8 K 623/21, BFH 14.12.21, VII R 32/20