Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, sind tatsächliche Feststellungen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer dabei unter tatsächlichem Druck stand, regelmäßig entbehrlich.
Sachverhalt
Im Streitfall war Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Steuerpflichtigen ein am 19.12.2012 zwischen ihm und seinem Arbeitgeber, der Stadt A, geschlossener Auflösungsvertrag. Nach den getroffenen Vereinbarungen wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.3.2013 im gegenseitigen Einvernehmen und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet.
Der Steuerpflichtige erhielt zum Zeitpunkt des Ausscheidens eine Abfindung in Höhe von 36.250 EUR. Damit erloschen mit Ablauf des 31.3.2013 alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Gleichzeitig verpflichtete sich der Steuerpflichtige, keine weiteren rechtlichen Schritte etwaiger Höhergruppierungs- und Gleichbehandlungsbegehren zu unternehmen. Die vereinbarte Abfindung wurde mit der Gehaltsabrechnung für März 2013 ausgezahlt.
Entscheidung
Das FA lehnte die vom Steuerpflichtigen beantragte ermäßigte Besteuerung der Abfindung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ab. FG und auch nachfolgend der BFH gaben dem Steuerpflichtigen jedoch recht.
Der BFH entschied, dass der Auflösungsvertrag vom 19.12.2012 dahin auszulegen war, dass die Abfindungszahlung unmittelbar zum Ausgleich des dem Steuerpflichtigen infolge des Wegfalls seiner Bezüge erlittenen Schadens bestimmt war und auf dem Auflösungsvertrag als neuer Rechtsgrundlage beruhte. Dabei hatte der Steuerpflichtige bei Abschluss des Auflösungsvertrags auch unter tatsächlichem Druck gestanden.
Der BFH hob hervor, dass immer dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zuge einer (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung zahlt, in der Regel davon auszugehen ist, dass der Arbeitnehmer die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht allein aus eigenem Antrieb herbeigeführt hat.
Denn wäre das der Fall, hätte der Arbeitgeber keine Veranlassung, eine Abfindung zu leisten. Stimmt der Arbeitgeber dem gegenüber einer Abfindungszahlung an den Arbeitnehmer zu, kann im Regelfall angenommen werden, dass dazu auch eine rechtliche Veranlassung bestand. Insofern kann auch ohne Weiteres angenommen werden, dass der Arbeitgeber zumindest auch ein erhebliches eigenes Interesse an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses hatte.
Der Arbeitnehmer steht unter solchen Umständen bei Abschluss des Vertrags über die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses unter einem nicht unerheblichen tatsächlichen Druck.
Im Streitfall hatte die Stadt A durch den angekündigten Personalabbau alle in Betracht kommenden Beschäftigten unter tatsächlichen Druck gesetzt, da diese sich in der Folge mit einer möglichen vorzeitigen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und den damit verbundenen Konsequenzen auseinandersetzen mussten. Dabei war unerheblich, ob der Steuerpflichtige bereits von Beginn an unmittelbar von den geplanten Personalmaßnahmen der Stadt A betroffen war.
Denn im Streitfall war die Frühverrentung rentennaher Mitarbeiter gegen Abfindung Bestandteil der Einsparungsmaßnahmen, sodass der Steuerpflichtige zumindest zu der Zielgruppe und damit zu den von den Einsparungsmaßnahmen potenziell Betroffenen gehörte. Er musste sich daher mit einer möglichen Beendigung seines Dienstverhältnisses auseinandersetzen.
Der Umstand, dass der Steuerpflichtige auf die Stadt A zugegangen war, um ein Angebot auf Abschluss eines Auflösungsvertrags gegen Abfindung zu erhalten, führte zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, da der Steuerpflichtige insoweit zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten über seine tarifliche Eingruppierung und der weiteren Fortsetzung seines Dienstverhältnisses gehandelt hatte. Er hatte somit unter dem Eindruck der gesamten Verhältnisse dem Druck der Stadt A nachgegeben und seinen Arbeitsplatz gegen eine Abfindungszahlung aufgegeben.
Fundstelle
BFH 13.3.18, IX R 16/17