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Verzichtet ein gesetzlicher Erbe gegen eine von seinen Geschwistern zu zahlende Abfindung auf seinen Pflichtteilsanspruch, ist künftig danach zu unterscheiden, ob der Verzicht bereits zu Lebzeiten oder erst nach dem Tod des Erblassers vereinbart wird. Der Verzicht zwischen Geschwistern zu Lebzeiten des Erblassers unterliegt der Steuerklasse II, sodass die für den Steuerpflichtigen günstigere Steuerklasse I dann nur noch bei einem Verzicht nach dem Tod des Erblassers anzuwenden ist.

BFH 10.5.17, II R 25/15

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Sachverhalt

Im Streitfall verzichtete der Steuerpflichtige im Jahr 2006 für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge nach seiner Mutter ausgeschlossen sein sollte, gegenüber seinen drei Brüdern auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs gegen eine von diesen jeweils zu zahlende Abfindung i. H. v. 150.000 EUR. Im Jahr 2002 hatte er von der Mutter bereits Schenkungen im Wert von rund 1 Mio. EUR erhalten.

Zu diesem Streitfall hatte der BFH bereits in einem ersten Verfahren entschieden, dass die Zahlung der Abfindungen an den Steuerpflichtigen nicht als Schenkung der Mutter an diesen, sondern als drei freigebige Zuwendungen der Brüder an ihn getrennt zu besteuern ist.

Das FA erließ daraufhin für die Zuwendungen der Brüder getrennte Schenkungsteuerbescheide gegen den Steuerpflichtigen. Die Besteuerung erfolgte ähnlich wie bei einer Zuwendung durch die Mutter. Das FA rechnete dabei der Abfindung von 150.000 EUR je Bruder jeweils den vollen Wert der im Jahr 2002 erfolgten Schenkungen der Mutter an den Steuerpflichtigen hinzu. Davon zog es den seinerzeit für Erwerbe von Kindern von ihren Eltern zustehenden Freibetrag von 205.000 EUR (heute: 400.000 EUR) ab. Es wandte zudem den Steuersatz der Steuerklasse I für Kinder an (19 %) und zog von der so ermittelten Steuer den gesetzlichen Anrechnungsbetrag für die Steuer für die Vorschenkungen ab. Hieraus ergab sich eine Steuer von rund 28.000 EUR.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung des FA ging der BFH unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung davon aus, dass die aufgrund eines Erbschaftsvertrags zu leistenden Abfindungszahlungen der Brüder keine Schenkungen der Mutter an den Steuerpflichtigen, sondern eine freigebige Zuwendung der zahlenden Brüder i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen.

Entgegen der Auffassung des FG war aber die im Verhältnis des K zu seinen Brüdern geltende Steuerklasse II zwischen Geschwistern anzuwenden, und zwar sowohl hinsichtlich des anwendbaren Freibetrags (10.300 EUR, heute 20.000 EUR) als auch des Steuersatzes (17 %). Unter Berücksichtigung von Schenkungskosten war daher die Schenkungsteuer im Streitfall auf rund 23.000 EUR festzusetzen.

Mit dieser Entscheidung hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben. Bisher war der BFH davon ausgegangen, dass in derartigen Fällen für die Besteuerung der Abfindungen nicht das Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum Zahlenden, sondern dasjenige zum künftigen Erblasser maßgebend sei. Dem lag die Überlegung zugrunde, den gegen Abfindung vereinbarten Pflichtteilsverzicht sowohl vor als auch nach dem Eintritt des Erbfalls im Ergebnis gleich zu behandeln. Das kann aber insbesondere dann nicht erreicht werden, wenn der Pflichtteilsverzicht gegenüber mehreren Personen erklärt wird oder Vorschenkungen des (künftigen) Erblassers an den Verzichtenden vorliegen.

Praxishinweis

Die geänderte Rechtsprechung führt bei Pflichtteilsverzichten zwischen Geschwistern gegen Abfindung, die noch zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart werden, im Regelfall zu einer höheren Steuerbelastung als bei einer Vereinbarung nach dem Erbfall. Die Vereinbarung zu Lebzeiten begründet die Anwendung der Steuerklasse II, die Vereinbarung nach dem Erbfall die der Steuerklasse I. Bei einem nach Abzug des Freibetrags von heute 20.000 EUR je Zahlenden bei Steuerklasse II und von 400.000 EUR bei Steuerklasse I und einem verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von z. B. über 75.000 EUR bis zu 300.000 EUR beläuft sich dann der Steuersatz heute auf 20 % anstelle von 11 %.