Gem. §§ 6b, „c EStG kann der Steuerpflichtige für stille Reserven, die bei der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen aufgedeckt wurden, eine Rücklage bilden und diese später auf die Anschaffung oder Herstellung eines Ersatzwirtschaftsguts – in demselben oder einem anderen Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen – übertragen, um so die sofortige Versteuerung zu vermeiden.
Dies gilt auch dann, wenn eine solche Rücklage bereits vor der Fertigstellung des Ersatzwirtschaftsguts auf einen anderen Betrieb übertragen wird.
FG Münster 13.5.16, 7 K 716/13 E, Rev. BFH, IV R 31/16
Sachverhalt
Im Streitfall ging es (vereinfacht dargestellt) um eine im landwirtschaftlichen Betrieb aus der Veräußerung von Grund und Boden gebildete Rücklage, die die an einer KG beteiligten Eltern zum 31.12.2006 in ihrer Sonderbilanz auswiesen.
Der landwirtschaftliche Betrieb wurde zum 31.12.2006 auf den Sohn übertragen. Zum 30.6.2007 wurde ein in der Sonderbilanz bilanziertes Mietwohngrundstück fertiggestellt, auf das die Rücklage übertragen wurde.
Im Rahmen einer Außenprüfung erkannte das FA die Rücklage nicht an, da die Übertragung einer Rücklage von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich gewesen sei.
Die Rücklage könne nur auf ein anderes Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen übertragen werden. Das Wirtschaftsgut sei jedoch am 31.12.2006 nicht fertiggestellt gewesen.
Im Zeitpunkt der Fertigstellung des Hauses im Jahr 2007 sei eine Übertragung der Rücklage nicht mehr möglich gewesen, da die Rücklage aus dem landwirtschaftlichen Betrieb stamme, der Betrieb jedoch am 30.12.2006 auf den Sohn übertragen worden sei. Die Rücklage sei deshalb spätestens im Wirtschaftsjahr 2009/2010 im landwirtschaftlichen Betrieb des Sohnes aufzulösen.
Entscheidung
Dies sah das FG jedoch anders und gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegten Klage statt. Soweit das FA sich darauf berief, dass der Übertragung der Rücklage aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Eltern in deren Sonderbetriebsvermögen bei der KG die Verwaltungsvorschrift des R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR entgegensteht, folgt das FG dieser Rechtsauffassung nicht.
Nach dieser Verwaltungsvorschrift kann eine nach § 6b Abs. 3 oder „Abs. 10 EStG gebildete Rücklage auf einen anderen Betrieb erst in dem Wirtschaftsjahr übertragen werden, in dem der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei den Wirtschaftsgütern des anderen Betriebs vorgenommen wird. Dies wäre im Streitfall das Jahr 2007 als das Jahr der Fertigstellung des Mehrfamilienhauses.
Die sich aus der Verwaltungsvorschrift in R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR ergebende zeitliche Einschränkung der Übertragung der Rücklage findet jedoch nach Auffassung des FG keine Grundlage im Gesetz. Eine Übertragung der Rücklage ist vielmehr auch bereits zeitlich vor einem Abzug und grundsätzlich sogar unabhängig von einem Abzug von den Anschaffungs- und Herstellungskosten im anderen Betrieb möglich.
Jedenfalls aber muss die Übertragung einer Rücklage in den Fällen möglich sein, wenn – wie im Streitfall – im Zeitpunkt der Übertragung bereits mit der Herstellung des Wirtschaftsguts begonnen worden ist.
Nach § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG ist der Abzug nach Abs. 3 bei Wirtschaftsgütern, die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören oder der selbstständigen Arbeit dienen, nicht zulässig, wenn der Gewinn bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs entstanden ist.
Im Umkehrschluss folgt aus § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG folgt, dass eine Übertragung stiller Reserven, die bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder eines Betriebs im Rahmen der Einkunftsart „selbstständige Arbeit“ aufgedeckt worden sind, auf Wirtschaftsgüter anderer Betriebe im Rahmen dieser Einkünfte oder auf Wirtschaftsgüter eines Gewerbebetriebs ebenso zulässig ist wie die Übertragung der bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs aufgedeckten stillen Reserven auf Wirtschaftsgüter eines anderen Gewerbebetriebs des Steuerpflichtigen.