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Das FA ist zum Erlass einer verbösernden Einspruchsentscheidung berechtigt, wenn ein Teilerlass mit dem Einspruch angefochten wird.
Nach Meinung des BFH ist das FA bei der verbösernden Einspruchsentscheidung nicht an die Voraussetzungen der Korrekturvorschriften §§ 130 f., „172 ff. AO gebunden.
BFH 10.3.16, III R 2/15

Sachverhalt
Im Urteilsfall hatte der Steuerpflichtige den in 2008 eingelegten Einspruch zunächst nicht begründet. Der Einspruch richtete sich gegen die ESt-Bescheide 2002 bis 2005, in denen bisher ungeklärte Vermögenszuwächse als Betriebseinnahmen erfasst wurden.
Ein AdV-Antrag wurde zunächst abgelehnt. Erst wesentlich später konnte der Steuerpflichtige die Herkunft der Vermögenszuwächse plausibel erklären, sodass dem Einspruch im Januar 2011 teilweise stattgegeben wurde.
Im Klageverfahren wurden die Vermögenszuwächse dann jedoch zur Hälfte dem Bruder des Steuerpflichtigen zugerechnet. In diesem Zusammenhang gewährte das FA die AdV rückwirkend ab Antragstellung im Februar 2011. Dem Antrag auf Erlass der bis zur Gewährung der AdV entstandenen Säumniszuschläge lehnte das FA zunächst ab, erließ dann aber im Einspruchsverfahren gegen die Ablehnung einen Teilabhilfebescheid, indem es die Hälfte der Säumniszuschläge erließ.
Gegen die Ablehnung des Erlasses hinsichtlich der gesamten Säumniszuschläge (SZ) wehrte sich der Steuerpflichtige mit Einspruch. Das FA wies ihn auf die Verböserungsmöglichkeit nach § 367 Abs. 2 S. 2 AO hin und hob in der Einspruchsentscheidung den Teilerlass der Säumniszuschläge auf.
Die Klage hiergegen war hinsichtlich der Aufhebung des Teilerlasses erfolgreich, wurde jedoch abgewiesen, soweit der Steuerpflichtige den Erlass der gesamten Säumniszuschläge begehrte.

Entscheidung

Der BFH entschied, dass das FA entgegen der Ansicht des FG den Bescheid über den Teilerlass der Säumniszuschläge aufheben durfte, da § 367 Abs. 2 AO auch für die nach § 227 AO zu treffenden Ermessensentscheidungen gilt. Hiernach ist der angefochtene Verwaltungsakt, hier also der Teilerlass, in vollem Umfang zu prüfen.
Die Einspruchsentscheidung kann dann auch zuungunsten des Einspruchsführers erfolgen, wenn er vorher auf die Verböserungsmöglichkeit ordnungsgemäß hingewiesen worden ist.
Dem steht § 130 AO nicht entgegen, da der zulässig eingelegte Einspruch gegen einen Verwaltungsakt den Eintritt der formellen bzw. materiellen Bestandskraft hindert, sodass die Voraussetzungen des § 130 AO nicht erfüllt sein müssen.
Im Übrigen besteht ein Anspruch auf Erlass von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen nur, wenn der Steuerpflichtige alles getan hat, um eine AdV zu erreichen, die das Entstehen von Säumniszuschlägen verhindert.
Im Urteilsfall hatte der Kläger seinen Einspruch aber gegen den steuererhöhenden ESt-Bescheid nicht begründet, sodass auch die zu diesem Zeitpunkt gestellten AdV-Anträge zu Recht vom FA abgelehnt wurden.
Erst im Zeitpunkt der ausreichenden Einspruchsbegründung kann auch einem AdV-Antrag stattgegeben werden. Hierzu muss dann aber auch erneut ein AdV-Antrag gestellt werden. Da dies im Urteilsfall erst wesentlich später geschehen ist, konnten die bis dahin entstandenen Säumniszuschläge nicht aus Billigkeitsgründen erlassen werden.

Praxishinweis

Die entscheidende Aussage dieser BFH-Entscheidung ist, dass ein Teilerlass von Steuerforderungen und steuerlichen Nebenleistungen im Rahmen der verbösernden Einspruchsentscheidung aufgehoben werden kann, wenn der Bescheid über den Teilerlass wegen der Ablehnung des anderen Teils des beantragten Erlasses angefochten worden ist und das FA ordnungsgemäß auf die beabsichtigte Verböserung hingewiesen hat.
Im Übrigen ist für die Praxis darauf zu achten, dass Einsprüche rechtzeitig auch ausreichend begründet werden, damit dann ein AdV-Antrag mit entsprechenden Erfolgsaussichten gestellt werden kann. Nur so kann erreicht werden, dass SZ gar nicht erst entstehen bzw. erlassen werden, wenn ein AdV-Antrag rechtswidrig abgelehnt worden ist.