Die bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 3 EStG zu berücksichtigenden Unterhaltszahlungen müssen grundsätzlich für und in dem Zeitraum geleistet werden, für den das Kindergeld begehrt wird.
Dagegen kann eine Kindergeldberechtigung nicht aus Unterhalt, der um Jahre verspätet gezahlt wird, hergeleitet werden.
BFH 5.11.15, III R 57/13
Sachverhalt
Im Streitfall hatte sich im Verlauf eines von der Mutter des Kindes zum Erhalt von Kindergeld geführten Rechtsbehelfsverfahrens ergeben, dass der Vater seit August 2012 monatliche Zahlungen von 200 EUR leistete.
Damit sollten bislang nicht erfüllte, jedoch titulierte Unterhaltsansprüche der Tochter ratenweise abgegolten werden. Diese beliefen sich bis zum Erreichen der Volljährigkeit des Kindes im September 2009 auf insgesamt ca. 16.000 EUR.
Die Familienkasse war der Ansicht, die Zahlungen des Vaters an seine Tochter seien als Unterhaltsrente i. S. von § 64 Abs. 3 EStG anzusehen. Somit sei der Vater kindergeldberechtigt und nicht die Mutter, die keinen Unterhalt leiste.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren entschied das FG, dass die Zahlungen des Vaters keine Unterhaltsrente darstellten, da sie erst nachträglich für nicht erfüllte Unterhaltsansprüche geleistet worden seien. Da beide Elternteile keinen Unterhalt gezahlt hätten, greife die zwischen den Eltern getroffene Berechtigtenbestimmung zugunsten der Mutter ein.
Entscheidung
Diese Rechtsauffassung vertritt auch der BFH. Leben die Eltern in einem gemeinsamen Haushalt, so können sie nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG untereinander den Berechtigten bestimmen.
Lebt das Kind nicht im Haushalt beider Eltern oder eines Elternteils, sondern in einem eigenen Haushalt, so ist gemäß § 64 EStG kindergeldberechtigt, wer dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt.
Dabei orientiert sich der Begriff der Unterhaltsrente i. S. von § 64 EStG am Begriff der Geldrente i. S. von § 1612 BGB.
Hiernach ist Unterhalt durch Entrichtung einer monatlich im Voraus zu zahlenden Geldrente zu gewähren. Unterhaltsrente ist der laufende Barunterhalt. Nachträglich erbrachte Unterhaltsleistungen wirken sich dagegen auf die Berechtigtenbestimmung nicht aus.
Es ist grundsätzlich zu fordern, dass der Unterhalt sowohl für als auch in dem Zeitraum geleistet wird, für den das Kindergeld begehrt wird. Im Streitfall hatte der Vater seiner Tochter in der Zeit bis zu deren Volljährigkeit im September 2009 keinen laufenden Unterhalt gezahlt. Die von ihm nachträglich ab August 2012 geleisteten Zahlungen betrafen den seit langem rückständigen Unterhalt (§ 1613 BGB).
Praxishinweis
Der BFH konnte offenlassen, ob Unterhaltsleistungen auch dann bei der Berechtigtenbestimmung nach § 64 Abs. 3 EStG außer Betracht zu lassen sind, wenn die Zahlungen zwar kontinuierlich, jedoch jeweils um wenige Wochen oder Monate verspätet geleistet werden.
Jedenfalls kann bei Unterhaltszahlungen, die wie im Streitfall erst Jahre nach der Fälligkeit des Unterhaltsanspruchs aufgenommen werden, nicht mehr von laufendem Unterhalt gesprochen werden.