Die Überführung von Wirtschaftsgütern einer inländischen KG in eine niederländische Betriebsstätte des inländischen Stammhauses führt zu einer Entnahme der aufgedeckten stillen Reserven i. S. der sogenannten Entstrickungsklausel.
Diese Entnahme ist im Billigkeitswege durch die gewinnerhöhende Auflösung eines korrespondierenden bilanziellen Ausgleichspostens über 10 Jahre der Besteuerung zu unterwerfen.
FG Düsseldorf 19.11.15, 8 K 3664/11 F, Rev. unter I R 95/15
Sachverhalt
Im Jahr 2005 entnahmen die Kommanditisten einer im Inland ansässigen GmbH & Co. KG Wirtschaftsgüter (Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte) des Unternehmens und legten diese in die niederländische Betriebsstätte des Unternehmens ein.
Gegenüber dem FA vertraten sie die Ansicht, dass im Hinblick auf die Überführung von Wirtschaftsgütern des inländischen Stammhauses in dessen ausländische Betriebsstätte eine Besteuerung dieses Sachverhalts nicht in Betracht komme.
Das FA vertrat hingegen die Auffassung, die Überführung der Rechte müsse zur Aufdeckung der stillen Reserven mit dem Fremdvergleichswert im Zeitpunkt der Überführung führen.
Entsprechend ermittelte es einen der Höhe nach unstreitigen Wert der stillen Reserven, der allerdings nicht sofort in voller Höhe der Besteuerung zu unterwerfen, sondern aus Billigkeitsgründen durch einen Merkposten in gleicher Höhe zu neutralisieren sei. Dieser Merkposten müsse sodann linear über einen Zeitraum von zehn Jahren gewinnerhöhend aufgelöst werden (BMF 24.12.99, BStBl I 99, 1076).
Entscheidung
Das FG Düsseldorf hatte die Frage der Europarechtskonformität der Entstrickungsklausel dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat die Regelung mit Urteil vom 21.5.2015 (Rs. C-257/13) im Ergebnis gebilligt.
Das FG Düsseldorf hat die Klage nunmehr unter Zugrundelegung dieser Vorabentscheidung abgewiesen. Die Überführung der Rechte in die niederländische Betriebsstätte der Steuerpflichtigen stelle eine (der Höhe nach unstreitige) Entnahme im Sinne der auch im Streitjahr 2005 geltenden Entstrickungsklausel dar.
Dem Entnahmegewinn stehe ein diesen neutralisierender Merkposten gegenüber, der linear über zehn Jahre gewinnerhöhend aufzulösen sei.
Die Anwendung der Entstrickungsklausel im Streitjahr 2005 verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Zwar handele es sich um eine konstitutive Änderung des Gesetzes, deren Anwendungsregelung – grundsätzlich unzulässige – echte Rückwirkung entfalte.
Diese sei indes – ausnahmsweise – zulässig, da mit dem Entstrickungstatbestand nur eine frühere höchstrichterliche Rechtsprechung nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis festgeschrieben worden sei.
Schließlich liege – wie der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt habe – kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vor.
Praxishinweis
Das FG hat die Revision zugelassen, da die Frage, ob die Regelungen des § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG (2010) den Besteuerungszugriff ermöglichen, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist, bislang ebenso wenig höchstrichterlich geklärt ist wie die Frage, ob die rückwirkende Anwendung der Vorschrift auf Vorgänge vor dem 1.1.2006 verfassungsgemäß ist.