Schuldzinsen, die durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung veranlasst sind, können auch nach einer nicht steuerbaren Veräußerung der Immobilie grundsätzlich weiter als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden.
Voraussetzung ist, dass die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können. Auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können im Einzelfall durch die frühere Einkünfteerzielung veranlasst sein, so ein aktuelles Urteil des BFH.
BFH 16.9.15, IX R 40/14
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige erwarb im Jahr 1993 zusammen mit ihrem früheren Ehemann eine Eigentumswohnung, die in der Folgezeit der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung diente. Die vorgenommene Kaufpreisfinanzierung war u. a. durch einen von der Steuerpflichtigen im Jahr 1988 abgeschlossenen und 2027 ablaufenden Kapitallebensversicherungsvertrag abgesichert. Diese Lebensversicherung war an die finanzierende Bank abgetreten worden.
Im Jahr 2007 wurde die Eigentumswohnung zum Kaufpreis von 65.000 EUR veräußert. Die Darlehensverbindlichkeiten betrugen zu diesem Zeitpunkt noch rund 230.000 EUR. Es verblieb somit noch ein Darlehensrestbetrag von rund 165.000 EUR, der je hälftig auf die beiden Miteigentümer entfiel. Der Rückkaufswert der von der Steuerpflichtigen abgeschlossenen Lebensversicherung betrug zu diesem Zeitpunkt rund 35.000 EUR.
Zur Finanzierung des verbliebenen Darlehensrestbetrags schloss die Steuerpflichtige zusammen mit ihrem jetzigen Ehemann einen Darlehensvertrag mit ihrer Hausbank über ein Festdarlehen in Höhe von 83.000 EUR ab. Der Grund für den Wechsel der kreditgewährenden Institute lag darin, dass die Hausbank der Steuerpflichtigen die günstigsten Konditionen anbot.
Das Festdarlehen ist in voller Höhe am 1.12.2027 durch die von der Steuerpflichtigen im Jahr 1988 abgeschlossene Kapitallebensversicherung zu tilgen. Die laufenden Zinsen für das Festdarlehen wurden von einem Kontokorrentkonto entrichtet, das auf den Namen des Ehemanns lautet und das von seinen Einkünften gespeist wird.
In den Streitjahren ging es nun um den nachträglichen Werbungskostenabzug der weiterhin auch nach Veräußerung des Objekts anfallenden Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Während das FA dies ablehnte, bekam die Steuerpflichtige vor dem FG recht.
Im Revisionsverfahren machte das FA geltend, der Abzug von nachträglichen Schuldzinsen müsse anteilig gekürzt werden, wenn und soweit der Rückkaufswert einer Lebensversicherung nicht zur Schuldentilgung eingesetzt wird.
Entscheidung
Auch der BFH sah keinen Grund, den ungekürzten Schuldzinsenabzug zu versagen. Er wies daher die Revision des FA als unbegründet zurück.
Schuldzinsen, die auf Verbindlichkeiten entfallen, die der Finanzierung von Anschaffungskosten eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung genutzten Wohngrundstücks dienen und mithin durch diese Einkünfte veranlasst sind, können auch nach einer nicht nach § 23 EStG steuerbaren Veräußerung der Immobilie grundsätzlich weiter als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden.
Voraussetzung ist, dass die Verbindlichkeiten durch den Veräußerungserlös nicht getilgt werden können. Dabei können auch auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen im Einzelfall durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein.
Die Berücksichtigung nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorrangigen Schuldentilgung; denn ein Veranlassungszusammenhang von nachträglichen Schuldzinsen mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist immer dann zu verneinen, wenn die Schuldzinsen auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Erlös aus der Veräußerung des Immobilienobjektes hätten getilgt werden können.
Zu dem aus einer Veräußerung erzielten „Erlös“ zählt grundsätzlich auch eine vom Steuerpflichtigen vereinnahmte Versicherungssumme aus einer Kapitallebensversicherung, wenn diese in die Finanzierung der Anschaffungskosten einer fremd vermieteten Immobilie einbezogen und damit wesentlicher Bestandteil der Darlehensvereinbarung geworden ist.
Praxishinweis
Der BFH hat klargestellt, dass der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung den Steuerpflichtigen nicht verpflichtet, die Beendigung des Versicherungsvertrags von sich aus herbeizuführen, wenn die Versicherung weiterhin die Rückführung des verbliebenen Darlehensrestbetrags absichert.
Denn die vorzeitige Kündigung einer Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall kann im Einzelfall mit erheblichen Verlusten verbunden sein. Ein dahin gehendes, für ihn nachteiliges und dem Grunde nach wirtschaftlich unsinniges Verhalten kann vom Steuerpflichtigen nicht erwartet werden.