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Für den Begriff der „Behinderung“ i.S. des „§ 64 EStDV ist auf § 2 SGB IX abzustellen.
Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Ob im Einzelfall eine Behinderung i.S. des § 64 EStDV vorliegt, hat das Finanzgericht aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.
BFH 18.6.15, VI R 31/14

Sachverhalt

Im Streitfall ging es um die Frage, ob Aufwendungen für die vollstationäre Unterbringung einer Jugendlichen in einer Einrichtung der Jugendhilfe als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abziehbar sind.
Die im Jahr 1994 geborene Tochter der zusammen veranlagten Steuerpflichtigen litt seit längerem an einer einfachen Störung der Konzentration und Aufmerksamkeit sowie an einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen.
Sie befand sich Ende 2006 in jugendpsychiatrischer Behandlung. Nachdem es im häuslichen Bereich aufgrund aggressiven Verhaltens zu massiven Schwierigkeiten gekommen war, erfolgte 2007 eine stationäre kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung. Eine weitere stationäre Behandlung fand von 2008 bis 2009 statt. Seit Januar 2009 war die Tochter in einer betreuten Mädchenwohngruppe untergebracht.
Der Landkreis gewährte vollstationäre Jugendhilfe nach SGB VIII durch Übernahme der Jugendhilfekosten. Nach Überprüfung der Einkommensverhältnisse der Steuerpflichtigen setzte der Landkreis jeweils einen Kostenbeitrag fest.
Diese Kostenbeiträge machten die Steuerpflichtigen in ihren Einkommensteuererklärungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend.
Das FA lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, dass ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten nicht vorgelegt worden sei.

Entscheidung

Einspruchs- und auch das Klageverfahren blieben ohne Erfolg.
Der BFH sah dies differenzierter und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurück. Denn nach den Feststellungen des FG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Tochter der Steuerpflichtigen vor Beginn der fraglichen Heilmaßnahme an einer „anderen Behinderung“ i.S. des „§ 64 EStDV litt.
Nach dieser Vorschrift ist ein vorab erstellter qualifizierter Nachweis durch ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich.
Im Streitfall konnte der BFH aufgrund der insoweit unzureichenden Feststellungen des FG jedoch nicht entscheiden, ob bei der Tochter eine „andere Behinderung“ vorlag und daher die Nachweiserfordernisse des „§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStDV zu erfüllen waren.