Steuerpflichtige, die im EU-/EWR-Ausland wohnen und im Inland nur beschränkt einkommensteuerpflichtig sind, können auf Antrag im Inland als fiktiv unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden.
Für Eheleute findet dann der Splittingtarif Anwendung.
BFH 6.5.15, I R 16/14
Die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht setzt allerdings voraus, dass die Einkünfte der Eheleute die sog. Wesentlichkeitsgrenze nicht überschreiten. Bei der Ermittlung der Wesentlichkeitsgrenze ist im Rahmen einer einstufigen Prüfung auf die Einkünfte beider Ehepartner abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln, so der BFH.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige lebte im Streitjahr 2009 mit seiner Ehefrau zusammen in Österreich. Beide sind österreichische Staatsbürger. Die Ehefrau hatte keine Einkünfte erzielt. Für den Steuerpflichtigen ergaben sich hingegen nach den Vorschriften des deutschen Einkommensteuergesetzes Welteinkünfte in Höhe von rund 19.000 EUR.
Hierzu gehörte eine von der Deutschen Rentenversicherung Bund bezogene Leibrente, deren Ertragsanteil sich nach Abzug des anteiligen Werbungskostenpauschbetrags auf rund 9.000 EUR belief. Die Eheleute beantragten bezüglich der im Inland steuerpflichtigen Renteneinkünfte für das Streitjahr die Zusammenveranlagung.
Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und veranlagte den Ehemann mit seinen Einkünften aus der gesetzlichen Rentenversicherung als beschränkt einkommensteuerpflichtig.
Entscheidung
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren bekamen die Steuerpflichtigen jedoch sowohl vor dem FG als auch im vom FA angestrebten Revisionsverfahren vor dem BFH recht. Die Eheleute sind danach im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Begründung
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte erzielen.
Voraussetzung hierfür ist, dass entweder die Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 Prozent der deutschen Einkommensteuer unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a EStG nicht übersteigen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze).
Bei Überprüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG für die Eheleute sind die Einkünfte der Ehegatten jedoch zusammen zu rechnen.
Dies ergibt sich aus § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG, wonach bei Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 zu verdoppeln ist.