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Die Frage, ob eine Tätigkeit selbstständig oder nichtselbstständig ausgeübt wird, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.
In diese Gesamtwürdigung ist auch einzubeziehen, wie das der Beschäftigung zugrunde liegende Vertragsverhältnis ausgestaltet worden ist, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind, so die Auffassung des BFH.
BFH 18.6.15, VI R 77/12

Sachverhalt

Streitig war im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheids, ob Telefoninterviewer als Arbeitnehmer nichtselbstständig tätig sind. Die Steuerpflichtige betreibt ein Unternehmen im Bereich der Markt- und Meinungsforschung. Für sie waren im streitigen Zeitraum zwischen 450 und 620 Interviewer tätig, die Befragungen per Telefon durchführten.
Die Steuerpflichtige stellte dazu den Telefoninterviewern Computerarbeitsplätze in Büroräumen zur Verfügung. Auf der Grundlage vorgegebener, an den Bildschirmen angezeigter Fragebögen, wurden die Antworten im Computersystem erfasst. Die Interviews dauerten, teilweise von einem ­Supervisor überwacht, zwischen fünf und 25 Minuten.
Die Interviewer ­waren zumeist in Zeitblöcken von je vier Stunden tätig. Vertragliche Grundlage der Tätigkeit war eine mit den Interviewern abgeschlossene sog. Rahmenvereinbarung. Diese legte fest, dass der Interviewer als freier Mitarbeiter tätig sei, sich die Tätigkeit nach dem Einzelauftrag richte und Honorarhöhe, Arbeitsumfang und Ablieferungstermin umfasse.
Außerdem wurde geregelt, dass die Tätigkeit eine freiberufliche Nebentätigkeit für das Markt- und Meinungsforschungsinstitut sei. Der freie Mitarbeiter könne die vorgeschlagenen Interviewzeiten ablehnen und unterliege auch keinen zeitlichen Bindungen.
In späteren Fassungen der Vereinbarung war zusätzlich geregelt, dass der Interviewer sich für die Annahme von Aufträgen nicht bereithalten müsse, es keine Einsatzpläne gebe und er zu den Öffnungszeiten beliebig kommen und gehen könne. Arbeitszeiten gebe es nicht, die vom Institut angegebenen Termine seien nur für übernommene Aufträge einzuhalten.
Weiter regelte die Rahmenvereinbarung, dass die im Einzelfall durchzuführenden Interviews ein einheitliches Werk i.S. des § 631 BGB seien. Die Honorare waren danach für jeden Einzelauftrag gesondert vereinbart und vom freien Mitarbeiter monatlich in Rechnung zu stellen. Der Ablauf des Interviews richtete sich nach festen durch ein Computerprogramm vorgegebenen ­Regeln.
Die Steuerpflichtige qualifizierte die Telefoninterviewer als selbstständig Tätige und behielt deshalb für die ausgezahlten Honorare weder Lohnsteuer noch Sozialversicherungsbeiträge ein. Dagegen sahen das FA und auch das FG im sich anschließenden Gerichtsverfahren die Telefoninterviewer als Arbeitnehmer an.

Entscheidung

Im Revisionsverfahren hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies den Streitfall zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Entscheidung zurück.
Hintergrund: Gemäß § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine ­Arbeitskraft schuldet.
Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Dabei beurteilt sich die Frage, wer Arbeitnehmer ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. In die vorzunehmende Würdigung ist insbesondere auch einzubeziehen, wie das der Beschäftigung zugrunde liegende Vertragsverhältnis ausgestaltet worden ist, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt worden sind.
Vor diesem Hintergrund hielt die Entscheidung des FG der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, weil das FG die maßgeblichen Umstände nicht vollständig oder ihrer Bedeutung entsprechend in seine Überzeugungsbildung einbezogen hatte. Dies betraf insbesondere folgende Aspekte:
Vereinbaren die Vertragsparteien eine Vergütung auf der Basis von Erfolgshonoraren, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass kein lohnsteuerrechtlich erhebliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt, sofern diese Vereinbarung den tatsächlichen Verhältnissen nicht widerspricht. Denn Stundenhonorare sind auch im Rahmen von selbstständigen und gewerblichen Tätigkeiten durchaus üblich.
Die Erwägung des FG, ein maßgebliches Unternehmerrisiko sei nicht darin zu sehen, dass es die jeweiligen Interviewer nach Maßgabe des Rahmenhonorars in der Hand gehabt hätten, durch mehr Befragungen pro Zeiteinheit ihr Honorar zu steigern, berücksichtigt nicht hinreichend, dass auch andere zweifelsohne selbstständig Tätige ihre ­Einkünfte ebenfalls nur durch entsprechend zügigere oder zusätzliche Arbeit steigern können, etwa wenn es branchen- oder ortsübliche Stundenhonorarsätze gibt.
Wenn Auftragnehmer im Falle einer Erkrankung oder Urlaubsabwesenheit keine Aufträge ausführen und keine Einnahmen erzielen können, liegt typischerweise keine Arbeitnehmertätigkeit vor. Entsprechendes gilt, wenn die Mitarbeiter – wie im Streitfall – darüber hinaus sogar die Möglichkeit hatten, Aufträge abzulehnen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die betreffenden Mitarbeiter von dieser Möglichkeit in großem Umfang Gebrauch gemacht haben. Entscheidend ist vielmehr, ob sich dies aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt und diese so tatsächlich auch vollzogen werden.
Ein fehlendes Unternehmerrisiko lässt sich nicht daraus ableiten, dass die Interviewer nach der Rahmenvereinbarung ausschließlich im Rahmen einer Nebentätigkeit, also in nur geringem zeitlichem Umfang arbeiten sollten. Denn der Umfang des wirtschaftlichen Risikos richtet sich nicht nach dem Verhältnis der tatsächlichen zu der maximal möglichen gesamten Wochen- oder Monatsarbeitszeit.
Auch die Nichtgewährung von Sozialleistungen, insbesondere die Nichtgewährung von Lohnfortzahlungen im Urlaubs- und im Krankheitsfall sprechen für die Selbstständigkeit der Interviewer.