Das FG Schleswig hatte im vergangenen Jahr darüber zu entscheiden, ob für das sogenannte Bleaching die Umsatzsteuerbefreiung greift. Das FG hatte die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der BFH hat nunmehr entschieden und sich in seinem Urteil der Auffassung des FG Schleswig angeschlossen, dass Zahnaufhellungen (Bleaching), die von einem Zahnarzt durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer befreit sind, soweit sie dazu dienen, einen aufgrund einer Vorerkrankung und -behandlung nachgedunkelten Zahn aufzuhellen.
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Umsatzsteuerbefreiung bei Bleaching (Zahnaufhellung) Stand 2015
Sachverhalt
Eine Zahnärzte-GbR führte im Anschluss an bestimmte medizinisch indizierte Behandlungen (z.B. Wurzelkanalbehandlungen) bei einigen Patienten eine Zahnaufhellung (Bleaching) an den zuvor behandelten Zähnen durch.
Dafür stellte die GbR jeweils ein Entgelt von 226 EUR bis 286 EUR ohne USt in Rechnung. Das FA ging davon aus, es handele sich um umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Das FG vertrat demgegenüber eine großzügigere Auffassung und gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH folgte der Einschätzung des FG und wies die Revision des FA zurück.
Umsätze aus der Tätigkeit als Zahnarzt sind nach § 4 Nr. 14 UStG a.F. (jetzt: § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) steuerfrei. Die Steuerfreiheit setzt eine Heilbehandlung voraus. Heilbehandlungen müssen einen therapeutischen Zweck haben.
Hierzu gehören auch Leistungen zum Zweck der Vorbeugung und zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit. Auch ästhetische Behandlungen sind Heilbehandlungen, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
Die Steuerfreiheit ist aber nicht auf Leistungen beschränkt, die unmittelbar der Diagnose, Behandlung oder Heilung einer Krankheit oder Verletzung dienen. Sie erfasst auch Leistungen, die erst als Folge solcher Behandlungen erforderlich werden, und zwar auch dann, wenn sie ästhetischer Natur sind (Folgebehandlung).
Das ist der Fall, wenn die medizinische Maßnahme dazu dient, die negativen Folgen der Vorbehandlung zu beseitigen.
Hiervon ausgehend waren die von der GbR durchgeführten Zahnaufhellungen umsatzsteuerfreie Leistungen. Denn die zuvor durchgeführten Zahnbehandlungen waren medizinisch indiziert. Diese Zahnbehandlungen (Wurzelfüllungen) hatten jeweils eine Verdunkelung des behandelten Zahns zur Folge. Die als Folge dieser Behandlungen notwendig gewordenen Zahnaufhellungsbehandlungen – als ästhetischer Eingriff – sind daher ebenfalls steuerfrei.
Denn die Aufhellungen dienten dazu, die infolge der Vorschädigung eingetretene Verdunkelung der Zähne zu behandeln. Damit standen sie in einem sachlichen Zusammenhang mit den vorherigen Behandlungen, weil sie dem Zweck dienten, deren negative Auswirkungen (Verdunkelung) zu beseitigen.
Praxishinweis
1. Die Entscheidung ist zu § 4 Nr. 14 UStG in der Fassung bis 2008 ergangen. Anders als der im Streitfall gültige § 4 Nummer 14 UStG a.F., der die Steuerfreiheit von „Umsätzen aus der Tätigkeit als Zahnarzt“ anordnete, betrifft „§ 4 Nummer 14 Buchst. a UStG nun explizit „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als … Zahnarzt … durchgeführt werden“. Das ändert aber nichts daran, dass die Maßstäbe dieses Urteils natürlich und erst recht auch auf die neue Rechtslage anzuwenden sind.
2. Im Streitfall stellte sich das Problem, ob nicht in den Zahnaufhellungen rein ästhetische Maßnahmen zu sehen sind. Das mag sicherlich bei isolierter Betrachtung so sein. Aus dem FG-Urteil ergibt sich indes, dass es um die Aufhellung sog. nervtoter Zähne ging. Diese werden offenbar nach einer Wurzelfüllung häufig dunkler. Deshalb werden sie von innen heraus durch ein Bleichmittel aufgehellt.
Es handelt sich somit nicht um eine rein ästhetische Maßnahme, sondern um die Beseitigung einer durch die vorher notwendige Behandlung eingetretenen negativen Auswirkung. „Heilbehandlung“ ist damit stets auch die Folgebehandlung zur Behebung von Schäden aus Vorbehandlungen. Ist die Vorbehandlung medizinisch indiziert, gilt dies auch für die Folgebehandlung.
Ebenso ist es, wenn nach einer medizinisch indizierten Operation (z.B. Gesichtschirurgie nach einem Autounfall) später aus ästhetischen Gründen die Narben nachbehandelt werden.
3. Das FinMin Schleswig-Holstein (Kurzinfo USt 3/2015 vom 5.5.15) hat zur Anwendung der Steuerbefreiung für Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auf Leistungen der professionellen Zahnreinigung Stellung bezogen und ausgeführt.
Nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sind die Umsätze aus der professionellen Zahnreinigung umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen, weil sie zur zahnmedizinischen Prophylaxe gehören.
Hiervon abzugrenzen sind nur Maßnahmen aus ästhetischen Gründen wie Bleaching oder Dentalkosmetik. Wird die professionelle Zahnreinigung nicht von Ärzten, sondern von einem Angehörigen eines ähnlichen Heilberufs erbracht, ist für die Steuerbefreiung eine ärztliche Verordnung/Indikation erforderlich.
Hinweis
Die Auffassung des FinMin Schleswig-Holstein ist in Bezug auf das Bleaching und die Dentalkosmetik unzutreffend, sofern diese Behandlungen nicht zu rein kosmetischen Zwecken erfolgen, sondern in sachlichem Zusammenhang mit einer vorherigen Behandlung des Zahnarztes stehen.
BFH 19.3.15, V R 60/14, DStR 15, 1001