Weder ein zusätzlicher Freibetrag (neben dem Entlastungsbetrag) noch die Anwendung des Splittingtarifs sind für Alleinerziehende verfassungsrechtlich geboten.
Die Besteuerung Alleinerziehender nach dem Grundtarif ist nicht verfassungswidrig.
Dies gilt nach einer Entscheidung des 4. Senats des Finanzgerichts Niedersachsen (Revision anhängig) auch dann, wenn der andere Elternteil keinen Unterhalt leistet und dem Alleinerziehenden lediglich ein hinter dem Mindestunterhalt zurückbleibender Unterhaltsvorschuss zufließt.
Ähnlich geurteilt hatte in 2013 bereits der 7. Senat des Finanzgerichts Niedersachsen. Im vorangegangenen Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung hatte der Bundesfinanzhof diese Rechtsauffassung bestätigt. Der Bundesfinanzhof konnte weder einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen den Schutz von Ehe und Familie feststellen.
Hinweis
Da hier vermutlich erst das Bundesverfassungsgericht Klarheit schaffen wird, sollten betroffene Steuerbescheide offengehalten werden.
FG Niedersachsen, Urteil vom 14.10.2014, Az. 4 K 81/14, Rev. BFH Az. III R 36/14, FG Niedersachsen, Urteil vom 6.5.2013, Az. 7 K 114/10, Rev. BFH Az. III R 62/13; BFH-Beschluss vom 17.10.2012, Az. III B 68/12; anhängig: BVerfG Az. 2 BvR 1519/13
Sachverhalt
Im Streitfall ging es um zusammen veranlagte Ehegatten, die beide Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielten und in einer gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert waren. Die Ehefrau bezog im Streitjahr 2009 Krankengeld, das das FA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung dem Progressionsvorbehalt unterwarf.?
Nach erfolglosem Einspruchs- und Klageverfahren machten die Steuerpflichtigen im Revisionsverfahren geltend, aufgrund der Einführung des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung zum 1.1.2009 seien die vorherigen grundlegenden Unterschiede zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung zu einem großen Teil beseitigt, sodass die unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und Krankentagegeld aus einer privaten Krankenversicherung andererseits nicht mehr gerechtfertigt sei.
Der BFH entschied demgegenüber, dass es auch nach der Einführung des Basistarifs verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass zwar das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber das Krankentagegeld aus einer privaten Krankenversicherung in den Progressionsvorbehalt einbezogen wird.
Denn auch nach der Einführung der allgemeinen Krankenversicherungspflicht und des Basistarifs bestehen weiterhin grundsätzliche Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Es kam insofern lediglich zu punktuellen Annäherungen.
Die Einbeziehung des Krankengeldes der gesetzlichen Krankenversicherung verstößt auch nicht gegen das Sozialstaatsprinzip („Art. 20 Abs. 1 GG).
Dieses gebietet im Steuerrecht lediglich, das Existenzminimum vor einem steuerlichen Zugriff zu verschonen. Dem Sozialstaatsprinzip ist jedoch kein Gebot zu entnehmen, Sozialleistungen in einer bestimmten Weise oder einem bestimmten Umfang zu gewähren.
Der Gesetzgeber ist daher unter dem Gesichtspunkt des Sozialstaatsprinzips nicht gezwungen, Angehörige der gesetzlichen Sozialversicherung im Verhältnis zu Angehörigen anderer Sicherungssysteme in ansonsten vergleichbarer Lage steuerrechtlich gleichzustellen.