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Über das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde bekanntlich unter großem Aufsehen vor knapp zwei Jahren entgegen der geänderten BFH-Rechtsprechung rückwirkend ab 2004 gesetzlich klargestellt, dass Aufwand für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolviertes Erststudium keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellt.
Es handelt sich lediglich um begrenzt absetzbare Sonderausgaben, zu dem ab dem VZ 2012 von 4.000 auf 6.000 EUR angehobenen Höchstbetrag pro Kalenderjahr und Person.
Mehrere Gerichte sehen in der Rückwirkung keinen Verfassungsverstoß. Auch in der Neuregelung für die Zukunft wird kein Verfassungsverstoß gesehen.
BFH 5.11.13, VIII R 22/12,
BFH 28.7.11; VI R 59/09; VI R 38/10; VI R 7/10; VI R 5/10
FG Schleswig-Holstein 4.9.13, 2 K 159/11, Revision unter VI R 72/13
Weitere Revisionen unter VI R 48/13, VI R 2/13, VI R 52/13, VI R 53/13, VI R 8/12,
VI R 61/11, VI R 64/12, VI R 2/12

Steuerberater Leipzig, Steuerkanzlei Leipzig, Jens Preßler

Argumente des BFH

Der BFH hat klargestellt, dass Aufwendungen für ein Studium, welches eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, nicht als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar sind.
Zwar entspricht das nicht der neueren Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2011, wonach die Erstausbildung als vorweggenommener Aufwand abzuziehen ist.
Dem steht aber jetzt entgegen, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf die geänderte BFH-Rechtsprechung die §§ 12 Nr. 5 und 4 Abs. 9 EStG rückwirkend ab dem VZ 2004 über das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz neu gefasst hatte. Nunmehr wird ausdrücklich angeordnet, dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten darstellen.
Die aus Sicht von Azubis und Studenten ungünstige Änderung trat am Tag nach der Verkündung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes für alle am 14.12.2011 noch offenen Sachverhalte in Kraft.
Der BFH hält diese Neuregelung für verfassungsgemäß. Sie verstößt weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den Gleichheitsgrundsatz des „Art. 3 GG durch das Prinzip der Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit. Der Gesetzgeber habe nur das langjährige und auch bis 2011 vom BFH anerkannte grundsätzliche Abzugsverbot für Kosten der beruflichen Erstausbildung nochmals bestätigt.
Der BFH folgt damit der Gesetzesbegründung und mehreren FG, wonach die Kosten für die eigene Berufsausbildung nur bis zu 6.000 EUR im Jahr als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Zwar ist der Abzug von Werbungskosten und Betriebsausgaben gegenüber dem Abzug als Sonderausgaben vorrangig. Dass es indes keine Ausgaben bei den Einkünften sind, ordnen § 12 Nr. 5 und 4 Abs. 9 EStG ausdrücklich an.

FG-Begründungen

Die §§ 9 Abs. 6 und 12 Abs. 5 EStG sind in der Fassung des EU-Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes verfassungsgemäß, wonach Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolviertes Erststudium rückwirkend ab 2004 keine Werbungskosten sind und Sonderausgaben darstellen.
So hat das FG Schleswig-Holstein entschieden, obwohl die Neuregelung in Reaktion auf die BFH-Rechtsprechung teilweise bezweifelt wird und hierzu bereits mehrere Revisionen anhängig sind.
In dem vom FG entschiedenen Fall wollte ein Pilot die hohen Kosten für seine Ausbildung als Werbungskosten absetzen. Das Finanzgericht hat diese Klage abgewiesen, weil dem Verbot keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegenstünden und insbesondere kein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vorliege.
Zwar kommt es ab 2004 zu einer echten Rückwirkung. Diese ist aber ausnahmsweise zulässig, weil Azubis kein schützenswertes Vertrauen bilden konnten, dass ihre Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sein würden. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Normen, die letztlich eine Reaktion des Gesetzgebers auf den BFH darstellt, wonach Kosten einer erstmaligen Berufsausbildung als Werbungskosten berücksichtigt werden können.
Damit war der BFH jedoch von der Intention des Gesetzgebers und der einhelligen Sichtweise der Finanzgerichte abgewichen. Angesichts des bis dahin geltenden Rechtszustandes war kein Raum für die Bildung eines Vertrauenstatbestandes.
Nach Ansicht des FG verstößt die Regelung weder gegen den Gleichheitssatz in „Art. 3 GG noch gegen das objektive Nettoprinzip. Mögliche Ungleichbehandlungen im konkreten Einzelfall sind angesichts des weiten Gestaltungs- und Ermessensspielraums des Gesetzgebers bei typisierenden Tatbeständen hinzunehmen.
Eine erstmalige Berufsausbildung, die nicht im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses stattfindet, steht regelmäßig noch nicht im Zusammenhang mit einer konkreten Berufsausübung zur Einnahmeerzielung. Sie dient eher unabhängig davon der allgemeinen Lebensführung, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, später aufgrund der Ausbildung auch einen Arbeitsplatz zu erhalten und wie hoch die Kosten der Ausbildung im Einzelfall ausfallen.

Praxishinweise

Ab 2012 sind 6.000 EUR pro Person begrenzt als Sonderausgabe absetzbar. Damit können sie nicht wie Werbungskosten oder Betriebsausgaben als Verlustvortrag für spätere Jahre konserviert werden.
Mehrere FG sehen in der Rückwirkung über das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz keinen Verfassungsverstoß – auch nicht für Bachelor- und Masterstudiengänge, weil der Gesetzgeber nur die alte Rechtslage klarstellend wieder festgeschrieben habe.
Gegen die Vielzahl an FG-Urteilen sind Revisionen anhängig, sodass Einsprüche weiterhin ruhen können. Dabei hat der BFH auch zu klären, welche erstmalige Berufsausbildung oder welches Erststudium einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang mit der späteren Berufstätigkeit aufweist und damit zum Werbungskostenabzug berechtigt.
Mit seinem aktuellen Urteil aus dem November 2013 dürfte der BFH allerdings die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der rückwirkenden Schaffung des Abzugsverbots für Erstausbildungskosten geklärt haben, sodass eine Vorlage an das BVerfG in ferner Zukunft ausgeschlossen sein sollte.
Zu beachten ist jedoch, dass der VI. Senat als Lohnsteuersenat durch seine Rechtsprechung Mitte 2011 die strittige Änderung durch das Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz ausgelöst hat und aktuell der VIII. Senat entschieden hat. Die Lohnsteuerexperten haben jedoch noch die Gelegenheit, die aktuelle Ansicht – auch zur Rückwirkung – in noch anhängigen Revisionen zu bestätigen. Dabei geht es um die Frage, ob Aufwendungen für eine erstmalige, nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolvierte Ausbildung als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar und die §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG und insbesondere der Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip und das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig sind.
Der beschränkte Sonderausgabenabzug gilt nur für die Erstausbildung oder das Erststudium nach der allgemeinbildenden Schule. Das Erstreben des Masters ist als Zweitstudium voll abzugsfähig. Nicht von der Einschränkung betroffen sind Ausbildungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses, also bei der dualen Ausbildung oder einem dualen Studiengang.