Wollte eine natürliche Person in der Vergangenheit eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Sinne von § 17 EStG möglichst steuergünstig verkaufen, bot sich ein Steuersparmodell an. Doch dieses Holding-Modell ist nun durch das Jahressteuergesetz 2024 rückwirkend abgeschafft worden. Hier die wichtigsten Infos zur Änderung in § 22 Abs. 2 Satz 5 UmwStG.
Typisches Beispiel aus der Praxis
Frau Müller war 2023 an der A-GmbH zu 100 % beteiligt. Die Beteiligung hielt sie im Privatvermögen. Die Anschaffungskosten für den GmbH-Anteil betrugen 50.000 EUR. Ein Käufer bot ihr für diesen Anteil 2 Mio. EUR. Ohne Gestaltungsüberlegung hätte Frau Müller einen Gewinn nach § 17 EStG in Höhe von 1.950.000 EUR versteuern müssen.
Steuerminimierung durch Holding-Modell
Ihr Steuerberater empfahl ihr hierzu ein interessantes Steuersparmodell, das in zwei Schritten versprach, dass der Veräußerungsgewinn nach § 8b KStG unter dem Strich nur mit 5 % besteuert wurde. Das Modell sollte folgendermaßen funktionieren:
-
Schritt 1: Frau Müller brachte ihren GmbH-Anteil zunächst steuerneutral mit den Anschaffungskosten von 50.000 Euro in die neu gegründete B-GmbH ein. Würde die B-GmbH den GmbH-Anteil nun innerhalb der nächsten sieben Jahre veräußern, würde das zu einer Sperrfristverletzung nach § 22 Abs. 2 UmwStG führen. Folge: Im Einbringungszeitraum müsste der Einbringungsgewinn II rückwirkend versteuert werden.
-
Schritt 2: Um eine Sperrfristverletzung zu verhindern, wurden die Anteile an der B-GmbH in einem zweiten Schritt in die C-GmbH eingebracht.
Folge: Insbesondere durch den zweiten Schritt, also durch die Einbringung der Anteile der B-GmbH in die C-GmbH nach § 21 UmwStG lag eine Veräußerung vor, die zur Beendigung der Sperrfristverhaftung führte (§ 22 Abs. 2 Satz 5 UmwStG a. F.). Verkauft die C-GmbH anschließend die Anteile an der A-GmbH, greift § 8b Abs. 2 i. V. m. § 8b Abs. 3 und § 8b Abs. 5 KStG, was unter dem Strich nur zu einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns von 5 % führte.
Jahressteuergesetz 2024 hebelt Steuersparmodell „rückwirkend“ aus
Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde dieses Steuersparmodell ausgehebelt. Denn nach Ansicht der Finanzverwaltung liegt eine für die Sperrfristverhaftung beendende Veräußerung nur dann vor, wenn es durch die Veräußerung oder die Einbringung zur vollständigen Auflösung der stillen Reserven kommt.
Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber § 22 Abs. 2 Satz 5 UmwStG folgendermaßen ergänzt:
Gesetzestext alt |
§ 22 Abs. 2 UmwStG alte Fassung Sätze 1 bis 4 sind nicht anzuwenden, soweit der Einbringende die erhaltenen Anteile veräußert hat; … |
Gesetzestext neu |
§ 22 Abs. 2 UmwStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2024 Sätze 1 bis 4 sind nicht anzuwenden, soweit der Einbringende die erhaltenen Anteile unter Aufdeckung der stillen Reserven veräußert hat; … |
Diese neue Formulierung im Jahressteuergesetz 2024 soll eine Klarstellung darstellen. Mit anderen Worten: Diese Neuregelung gilt für alle noch offenen Fälle. Insbesondere bei Betriebsprüfungen wird das dazu führen, dass das sicher geglaubte Steuersparmodell rückwirkend gekippt wird. Diese neue Rechtsauffassung ist auch im aktuellen BMF-Schreiben zur „Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes“ vom 2.1.2025 (IV C 2 – S 1978/00035/020/040) in Randziffer 22.17 zu finden.
Verhaltensknigge für Betroffene
Sollte das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung das Steuersparmodell zu Fall bringen wollen, empfehlen sich dagegen ein Einspruch und ein Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens. Denn zu dieser Thematik ist ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig (X R 26/24). In der Vorinstanz hat das FG Niedersachsen zwar entschieden, dass die Einbringung oder die Umwandlung zu Buchwerten vom Veräußerungsbegriff in § 22 Abs. 2 Satz 5 UmwStG ausgenommen werden müssen und die Sperrfristbeendigung nur durch eine Veräußerung mit Auflösung der stillen Reserven zu bejahen ist. Wie der BFH in dieser Streitfrage entscheiden wird, ist noch offen.
Praxistipp
Zudem müsste wohl gerichtlich geklärt werden, ob die Neuregelung im Jahressteuergesetz 2024 tatsächlich eine Klarstellung ist oder eine verfassungsrechtlich bedenkliche (unzulässige) echte Rückwirkung darstellt.
Uneinheitlicher Veräußerungsbegriff im Umwandlungssteuerrecht?
Diese Neuregelung im Jahressteuergesetz 2024 hatte natürlich das Ziel, das vorgestellte Steuersparmodell auszuhebeln. Doch hier ergeben sich neue Probleme. Denn auf einmal wird der Veräußerungsbegriff im Umwandlungssteuerrecht unterschiedlich ausgelegt. Bezüglich der Sperrfristverletzung nach § 22 UmwStG hat der BFH eine Verschmelzung oder einen Formwechsel mit Fortführung der Buchwerte als entgeltliche Veräußerung beurteilt (u. a. BFH 18.11.20, Az. I R 25/18).
Praxistipp
Sollte das Finanzamt die Veräußerungsbegriffe im Umwandlungssteuerrecht durch die Änderung im Jahressteuergesetz 2024 unterschiedlich auslegen und würde das zu einer steuerlichen Benachteiligung der Anteilseigner führen, sollten zum einen nachteilige Steuerbescheide angefochten werden. Zum anderen sollte die übergeordnete Behörde eingeschaltet werden, damit auf Bund-Länder-Ebene abgestimmt wird, ob es vielleicht doch Übergangsregelungen gibt oder ob Vereinfachungsregelungen eingeführt werden.