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In einem Musterverfahren hat das FG Münster (17.4.24, 14 K 1425/23 E, FG Münster, 14 K 1425/23 E [nrw.de]) aktuell die Verfassungsmäßigkeit der Steuerbarkeit der Energiepreispauschale (EPP) nach § 119 EStG bejaht, allerdings die Revision zum BFH ausdrücklich zugelassen. Was bedeutet das für EPP-Empfänger?

Nach der vom Gesetzgeber mit dem Steuerentlastungsgesetz vom 23.5.2022 beschlossenen einmaligen steuerpflichtigen Energiekostenpauschale (EPP I) von 300 EUR und der Ausweitung der EPP II auf Rentner, Versorgungsempfänger und Versorgungsbezieher hat der Bund mit dem EPPSG (StudierendenEnergiepreispauschalengesetz) vom 16.12.2022 mit Wirkung vom 21.12.2022 auch eine einmalige EPP III für Studierende und Fachschüler i. H. v. 200 EUR beschlossen.

Praxistipp

Weitere Details zum Antrags- und Bewilligungsverfahren bei Studierenden wurden auf der Website www.Einmalzahlung200.de beantwortet.

Ab dem 1.9.2022 erhielten alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen in den Lohnsteuerklassen I – V einmalig eine Energiepreispauschale von 300 EUR als Zuschuss zum Gehalt, der über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers ausgezahlt wurde. Erfolgte keine Auszahlung, war die EPP im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2022 geltend zu machen. Rentner und Versorgungsbezieher erhielten die EPP ohne Antrag automatisch im Rahmen ihrer Bezügeabrechnung. Studierende und Fachschüler erhielten die EPP nur auf Antrag (§ 2 Abs. 1 S. 1 EPPSG).

Unterschiedliche Handhabung der EPP-Steuerpflicht für Studierende und Fachschüler

Nur die EPP für Studierende und Fachschüler wurde steuerfrei ausgezahlt. Die EPP für diesen Personenkreis i. H. v. 200 EUR unterliegt nicht der Besteuerung. Sie ist weder bei einkommensabhängigen Leistungen und Sozialleistungen noch bei Sozialversicherungsbeiträgen zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 EPPSG).

Merke | Eine Steuerpflicht dem Grunde nach konnte aber auch bei Studierenden bzw. Fachschülern dadurch entstehen, dass diese nebenbei noch Einkünfte aus § 19 EStG erzielt und in diesem Rahmen zusätzlich eine (steuerpflichtige) EPP i. H. v. 300 EUR bezogen haben. Zu einer effektiven Steuerbelastung kam es in diesem Fall jedoch nur, wenn der steuerliche Grundfreibetrag überschritten ist. Keine Steuerlast entstand beispielsweise bei einem pauschal versteuerten Minijob, bei dem gleichwohl ein Anspruch auf 300 EUR entstand.

Steuerpflicht der EPP für Rentner und Versorgungsbezieher

Die EPP II für Rentner bzw. Versorgungsbezieher wurde durch die mit dem Jahressteuergesetz 2022 v. 16.12.2022 (BGBl 2022 I S. 2294) eingeführten Regelungen in § 19 Abs. 3 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c EStG als Einnahme qualifiziert und der Steuerpflicht unterworfen.

Steuerpflicht der EPP für Arbeitnehmer im Rahmen von § 19 EStG

Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die EPP I i. S. d. § 112 EStG bei Anspruchsberechtigten, die im Veranlagungszeitraum 2022 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt haben, stets als Einnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für den Veranlagungszeitraum 2022 zu berücksichtigen.

Der Arbeitgeber unterwarf deshalb die EPP i. H. v. 300 EUR der Lohnsteuer und wies in der an das Finanzamt übersandten Lohnsteuerbescheinigung für 2022 die EPP gesondert aus. Wurde die EPP nicht über den Arbeitgeber ausgezahlt, erhöht das Finanzamt im Veranlagungsverfahren den vom Arbeitgeber mit der Lohnsteuerbescheinigung übermittelten Bruttoarbeitslohn um 300 EUR.

Bei Arbeitnehmern, die ausschließlich pauschal besteuerten Arbeitslohn aus einer kurzfristigen oder geringfügigen Beschäftigung (§ 40a EStG) oder einer Aushilfstätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft erzielten und im gesamten Jahr 2022 keine weiteren anspruchsberechtigenden Einkünfte hatten, gehörte die EPP nicht zu den steuerpflichtigen Einnahmen. Wenn neben dem pauschal besteuerten Arbeitslohn weitere anspruchsberechtigende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit erzielt wurden, gehört die EPP zu den sonstigen Einkünften.

Merke | Bei Anspruchsberechtigten, die in 2022 keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen haben, ist die EPP stets als „sonstige Einkünfte“ zu behandeln (§ 22 Nr. 3 EStG). Die Freigrenze des § 22 Nr. 3 Satz 2 EStG i. H. v. 256 EUR findet auf die EPP keine Anwendung (vgl. BMF FAQ zur EEP, Ziff. VIII.1)

FG Münster:
Steuerbarkeit der EPP nicht zu beanstanden

Über die Steuerfreiheit der EPP wird nach wie vor gestritten. Das FG Münster hatte einen Fall zu beurteilen, in dem ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitsverhältnisses i. S. d. § 19 EStG die EPP bezogen hatte.

Sachverhalt im Streitfall

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2022 ganzjährig Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit und erhielt von seinem Arbeitgeber die EPP i. H. v. 300 EUR ausgezahlt. Das FA veranlagte den Kläger mit Einkommensteuerbescheid und berücksichtigte dabei auch die EPP von 300 EUR als steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Seinen gegen die Besteuerung der EPP gerichteten Einspruch begründete der Kläger damit, dass die EPP keine steuerbare Einnahme i. S. d. § 19 EStG darstelle. Es handele sich dabei um eine Subvention des Staates, die in keinem Veranlassungszusammenhang zu seinem Arbeitsverhältnis stehe. Der Arbeitgeber sei lediglich als Erfüllungsgehilfe für die Auszahlung dieser Subvention tätig geworden. Auch eine Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG sei unzulässig, weil die Auszahlung nicht auf einer Leistung des Steuerpflichtigen beruhe und der Tatbestand daher nicht erfüllt sei. Die Fiktion des § 119 Abs. 2 S. 1 EStG erweitere in unzulässiger Weise den fest umrissenen Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Fiktion gebe es nicht und die bundesstaatlichen Kompetenzschranken seien damit überschritten worden.

Im Ergebnis sei die EPP nicht steuerbar, da keine der sieben Einkunftsarten greife. Das FA wies den Einspruch zurück: Der Gesetzgeber habe die Steuerpflicht der EPP in § 119 EStG geregelt. Im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit stelle sie eine Einnahme dar, die als „sonstiger Bezug“ des Arbeitnehmers zu erfassen sei. Unter diesen Begriff fielen einmalige Zahlungen, die der Arbeitgeber neben dem laufenden Arbeitslohn an den Arbeitnehmer auszahlt. Auch auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums werde unter der Rubrik „FAQ“ darauf hingewiesen, dass die EPP bei Arbeitnehmern, die im Veranlagungszeitraum 2022 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt haben, wie Arbeitslohn zu berücksichtigen sei. Hiergegen wandte sich der Kläger.

Die wesentlichen Entscheidungsgründe des FG Münster

Das FG Münster hat die Klage abgewiesen und dem FA recht gegeben: Die Steuerbarkeit der EPP sei rechtmäßig und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Weil die EPP an sich nicht ohne Weiteres die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 EStG erfülle, habe der Gesetzgeber gerade aus diesem Grund die Steuerbarkeit der EPP unmittelbar in § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG geregelt. Er hat die EPP – im Wege eines Rechtsfolgenverweises – den Einnahmen aus § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG konstitutiv zugeordnet, sodass es auf einen Veranlassungszusammenhang der Einnahme mit der von dem Arbeitnehmer erbrachten Leistung nicht ankomme.

Bei der Prüfung der Gesetzgebungskompetenz ist zwischen der Gewährung und Auszahlung der EPP als Subvention (§§ 112 bis 118 EStG) einerseits und der Besteuerung der erhaltenen EPP (§ 119 EStG) andererseits zu differenzieren. Da die EPP tatsächlich ausgezahlt wurde, komme es allein darauf an, ob die Vorschrift des § 119 Abs. 1 Satz 1 EStG der Verfassung entspreche.

Darüber, ob die – von der Belastungsentscheidung in § 119 EStG trennbaren – Vorschriften über die Gewährung der EPP in den § 112 bis 118 EStG verfassungsgemäß sind, brauchte das FG Münster deshalb nicht zu entscheiden. Die Entscheidung des Bundesgesetzgebers, diese Subvention der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen, sei von der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 Satz 2 GG umfasst.

Weil der Gesetzgeber im Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum besitze und im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden müsse, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern, liege kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor.

Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erstrecke sich auch darauf, den Tatbestand der der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte frei zu gestalten und den Umfang der Einkunftsarten selbst festzulegen. Eine Systemwidrigkeit liege daher nicht vor.

Das FG hat ausdrücklich die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Ob diese eingelegt wird, muss nun abgewartet werden.

Merke | Eine Rechtssache hat „grundsätzliche Bedeutung“ i. S. d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH 15.12.16, V B 102/16, BFH/NV 2017, 631). Einer Rechtsfrage kommt dann keine grundsätzliche Bedeutung mehr zu, wenn sie ausgelaufenes oder auslaufendes Recht betrifft und weder weitere gleichartige Fälle anhängig sind noch die umstrittene Rechtsfrage für eine Nachfolgeregelung von Bedeutung ist (BFH 28.4.16, IX B 18/16, BFH/NV 2016, 1173). Ein Allgemeininteresse an der Klärung der Rechtsfrage wird allerdings dann anerkannt, wenn weitere Entscheidungen in unbekannter, unüberschaubarer Größenordnung über dieselbe Rechtsfrage anstehen, was im Fall der EPP der Fall ist.

Achtung: Weiteres finanzgerichtliches Verfahren gegen Steuerpflicht der EPP anhängig

Inzwischen ist ein weiteres Klageverfahren zur EPP vor dem FG Mecklenburg-Vorpommern (3 K 231/23) anhängig. Die Klägerin, eine Rentnerin, bezog im Streitjahr 2022 sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 1 EStG. Neben der gesetzlichen Rente wurde der Klägerin durch die Deutsche Rentenversicherung Bund die EPP II i. H. v. 300 EUR ausbezahlt. Das Finanzamt behandelt den Zufluss des Betrags nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c EStG als steuerpflichtig. Sollte das FG Mecklenburg-Vorpommern anderer Ansicht als das FG Münster sein und die Steuerpflicht der EPP II für verfassungswidrig halten, müsste das Gericht das Verfahren aussetzen und dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG zur Entscheidung vorlegen.

Praxistipp

Ist ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit eines formellen Parlamentsgesetzes (hier: Vorschriften des vom Bundestag beschlossenen EStG) überzeugt, muss das Gericht das Verfahren aussetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des BVerfG einhole. Bloße Zweifel des Instanzgerichts an der Verfassungsmäßigkeit reichen nicht.

Auch in der Literatur werden immer mehr kritische Stimmen laut, die die Verfassungsmäßigkeit der Steuerbarkeit der EPP bezweifeln. Vorgetragen wird, der Zufluss der EPP stelle keine (Gegen-)Leistung für ein Tun, Dulden oder Unterlassen dar und es fehle an jeglichem wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer der in § 2 Abs. 1 EStG abschließend aufgezählten sieben Einkunftsarten. Der Gesetzgeber schaffe mit der Fiktion in § 19 Abs. 3 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c EStG eine ausweitende Steuerbarkeit von Einnahmen, eine zusätzliche – bislang systemfremde – steuerliche Einnahmeart.

Wie sich Betroffene jetzt verhalten sollten

Das Urteil des FG Münster bietet zwar eine erste Orientierung, jedoch ist in der Frage der Steuerpflicht der EPP „das letzte Wort“ noch nicht gesprochen. Einerseits muss abgewartet werden, ob die ausdrücklich zugelassene Revision tatsächlich eingelegt wird und der BFH eine Grundsatzentscheidung trifft, die Klarheit schafft. Andererseits ist vor dem FG Mecklenburg-Vorpommern ein weiteres Verfahren gegen die Steuerpflicht der EPP anhängig. Und schließlich verstummen nach wie vor die Stimmen aus der Steuerfachliteratur nicht, die erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der EPP äußern.

Vor diesem Hintergrund sollten EPP-Empfänger, deren EPP vom Finanzamt der Einkommensbesteuerung unterworfen wurde, ihren Einkommensteuerbescheid für 2022 durch Einspruch (§ 350 AO) offenhalten und sich auf die anhängigen finanzgerichtlichen Verfahren berufen.

Anträgen beim Finanzamt auf Ruhen des Verfahrens (§ 363 Abs. 2 S. 1 AO) kann stattgegeben werden, wenn dies aus wichtigem Grund zweckmäßig erscheint. Dies ist meines Erachtens der Fall, nachdem die Rechtslage in dieser Frage bislang nicht abschließend geklärt ist. Die Ansicht der Finanzverwaltung, dass mangels eines anhängigen Verfahrens vor dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht die Voraussetzungen für ein Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 1 AO nicht gegeben seien, lässt sich jedenfalls dann nicht mehr aufrechterhalten, wenn die Revision zum BFH eingelegt ist oder aber ein anderes FG zur Überzeugung der Verfassungswidrigkeit gelangt und deshalb das Verfahren dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG vorlegt.