Für die Insolvenzverwaltervergütung kann vor Abschluss des Insolvenzverfahrens keine Rückstellung gebildet werden, so ein aktuelles Urteil des FG Rheinland-Pfalz.
Hintergrund
Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag hat. Bei der „ungewissen Verbindlichkeit“ muss es sich um eine betrieblich veranlasste Verbindlichkeit handeln, die – wäre sie bereits entstanden – als Betriebsausgabe abzugsfähig wäre.
Entscheidung
Im Streitfall vertrat das FG die Auffassung, dass ein Abzug der Insolvenzverwaltervergütung als Betriebsausgabe bereits daran scheitert, dass die Aufwendungen zwar mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen (können), ihr aber nicht „subjektiv zu dienen bestimmt“ sind. Denn der „auslösende Moment“ für das Entstehen der Insolvenzverwaltervergütung ist der Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Gläubigers auf Durchführung eines Insolvenzverfahrens, also letztlich die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen, deren Ursache multikausal und keiner einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist.
Unabhängig davon könne man bei der Insolvenzverwaltervergütung im Streitfall allenfalls von sog. gemischt veranlassten – also betrieblich und privat veranlassten – Aufwendungen ausgehen. Denn die Durchführung des Insolvenzverfahrens diente nicht nur der Befriedigung betrieblicher, sondern auch privater Verbindlichkeiten. Außerdem setze sich die Insolvenzmasse aus (verwertetem) Betriebs- und Privatvermögen zusammen.
Eine Aufteilung derartiger Aufwendungen kommt nur in Betracht, wenn es einen an objektiven Kriterien orientierten Maßstab der Veranlassungsbeiträge gibt. Wirken private und berufliche Gründe so zusammen, dass eine Trennung nicht möglich ist, weil sie willkürlich ist, besteht ein Abzugsverbot.
Für den Bereich der Ertragsteuern gibt es – soweit ersichtlich – noch keine gerichtliche Entscheidung darüber, ob und ggf. nach welchem Aufteilungsmaßstab eine sowohl betrieblich als auch privat veranlasste Insolvenzverwaltervergütung aufzuteilen ist. Nach Auffassung des FG kämen folgende Möglichkeiten in Betracht:
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Aufteilung – wie beim Vorsteuerabzug – nach Maßgabe der angemeldeten privaten und unternehmerischen Verbindlichkeiten
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Aufteilung nach dem Verhältnis der aus der Masse befriedigten privaten und betrieblichen Insolvenzforderungen
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Aufteilung nach dem Verhältnis der zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger eingesetzten privaten und betrieblichen Vermögensmassen
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Aufteilung nach Zeitaufwand, d. h., wie viel Zeit der Insolvenzverwalter für die privaten Insolvenzforderungen und/oder das private Vermögen und/oder die privaten Insolvenzgläubiger einerseits und die betrieblichen Insolvenzforderungen und/oder das betriebliche Vermögen und/oder die betrieblichen Insolvenzgläubiger andererseits aufgewendet hat
Unabhängig davon war im Streitfall die Bildung der streitigen Rückstellung zumindest in Bezug auf die Vergütung des (endgültigen) Insolvenzverwalters nicht möglich, da der Insolvenzverwalter im Regelfall eine Festsetzung seiner Vergütung erst verlangen kann, wenn nur noch der Schlusstermin und die (abschließende) Schlussverteilung ausstehen. Dementsprechend bestimmt § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO ausdrücklich, dass der Regelsatz nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens berechnet wird.
Auch die übrigen Bestimmungen zur Vergütung des Insolvenzverwalters zeigen, dass die Fälligkeit erst mit Erledigung der zu vergütenden Tätigkeit eintritt. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 InsO wird dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen. Eine Entscheidung über zu gewährende Zu- oder Abschläge kann erst erfolgen, wenn das Insolvenzverfahren beendet ist. Die Festsetzung der Vergütung erfordert die genaue Überprüfung und Beurteilung aller für einen Zu- oder Abschlag infrage kommenden Umstände, insbesondere der vom (vorläufigen) Insolvenzverwalter beantragten Zuschläge.
Damit lag der rechtliche Bezugspunkt der Verpflichtung, die Insolvenzverwaltervergütung aus der Masse zu begleichen, zu den streitigen Bilanzstichtagen nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft.
Wirtschaftlich hängt die Verbindlichkeit, den Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse zu vergüten, davon ab, dass am Ende des Insolvenzverfahrens auch eine entsprechende Masse vorhanden ist (vgl. § 63 Abs. 2 InsO). Das Ende des Insolvenzverfahrens ist damit nicht nur in rechtlich-formaler, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für die Entstehung des Vergütungsanspruchs des Insolvenz-verwalters.
fundstelle
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FG Rheinland-Pfalz 19.9.23, 5 K 1800/19, Rev. BFH III R 35/23