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Der Handelsbilanzwert für Nachsorgerückstellungen bildet auch nach Inkrafttreten des BilMoG gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze. Dabei bestimmt sich der maßgebliche Handelsbilanzwert unter Berücksichtigung der als GoB zu beurteilenden Bewertungsgrundsätze des Handelsrechts (§§ 252 ff. HGB) und damit auch unter Berücksichtigung des Beibehaltungswahlrechts des Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB.

Sachverhalt

Streitig war, welche Rechtsfolgen sich aus der Ausübung des Beibehaltungswahlrechts nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch (EGHGB) in der Handelsbilanz der Steuerpflichtigen für die Bewertung einer Nachsorgerückstellung in deren Steuerbilanz zum 31.12.2010 ergeben.

Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Das handelsrechtliche Passivierungsgebot für Verbindlichkeitsrückstellungen gehört zu den GoB und gilt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz.

Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist das Bestehen einer nur ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann – sowie ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Als weitere Voraussetzung muss der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen.

Diese Voraussetzungen gelten auch für Verpflichtungen aus öffentlichem Recht, die auf ein bestimmtes Handeln in Form einer Geldzahlung oder eines anderen Leistungsinhalts gerichtet sind, sofern die öffentlich-rechtliche Verpflichtung bereits konkretisiert, d. h. inhaltlich hinreichend bestimmt, in zeitlicher Nähe zum Bilanzstichtag zu erfüllen sowie sanktionsbewehrt ist.

Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige zum Bilanzstichtag eine Nachsorgerückstellung für ihre in der Nachsorgephase befindlichen Deponien zu bilden, denn sie war nach öffentlichem Recht sanktionsbewehrt zur Nachsorge verpflichtet.

Das FG hatte seiner Berechnung jedoch rechtsfehlerhaft den abgezinsten Erfüllungsbetrag gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 HGB zugrunde gelegt, anstatt den handelsbilanziellen Rückstellungswert, der sich nach Ausübung des Wahlrechts gemäß Art. 67 EGHGB ergeben hat, als Ausgangspunkt zu wählen. Das angefochtene Urteil wurde daher aufgehoben und der Streitfall an die Vorinstanz zurückverwiesen. Dabei hat das FG Folgendes zu beachten:

* Die Bewertung von Wirtschaftsgütern in der Steuerbilanz folgt den handelsrechtlichen Vorschriften, soweit dem steuerrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (§ 5 Abs. 6 EStG). Für die Bewertung der im Streitfall vorliegenden Sachleistungsrückstellung sieht § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG vor, dass Rückstellungen „höchstens insbesondere“ unter Berücksichtigung der in den Buchst. a bis f der Vorschrift genannten Grundsätze anzusetzen sind. Danach dürfen die sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG ergebenden Rückstellungsbeträge den zulässigen Ansatz nach der Handelsbilanz nicht überschreiten.

* Auch wenn sich die handelsrechtliche Maßgeblichkeit i. S. von § 5 Abs. 1 EStG seit der Einführung des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG verändert hat, besteht sie zunächst für die Steuerbilanz. Sie wird nur dann und nur insoweit durchbrochen, als der Gesetzgeber steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte festgeschrieben hat (§ 5 Abs. 6 EStG). Da durch den „höchstens insbesondere“-Verweis der Bezug zur handelsrechtlichen Bewertung weiterhin bestehen bleiben sollte, hat dies keine Loslösung der Steuerbilanzwerte von den Handelsbilanzwerten zur Folge gehabt, selbst wenn die Steuerbilanz durch das BilMoG gegenüber der Handelsbilanz deutlich verselbstständigt wurde.

* § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG stellt demnach keine abschließende steuerrechtliche Normierung dar, die die Anwendung der handelsrechtlichen GoB nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ausschließt. Die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG haben folglich keinen absoluten Vorrang vor den handelsrechtlichen Bewertungsregeln, sondern wirken – wie die Formulierung „höchstens insbesondere“ zeigt – begrenzend: Überschreitet der steuerrechtliche Wertansatz den handelsrechtlichen Wertansatz, gilt der niedrigere handelsrechtliche Wert. Liegt der handelsrechtliche Wertansatz hingegen über dem steuerlichen Wert, durchbricht § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG die nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz zu beachtende handelsrechtliche Bewertung. Die steuerrechtlichen Sonderbestimmungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG führen dann dazu, dass der handelsrechtliche Wertansatz (Obergrenze) unterschritten wird. Hieraus folgt, dass stets der niedrigere Wert anzusetzen ist.

Im zweiten Rechtsgang muss das FG daher zunächst den handelsrechtlichen Wertansatz (Obergrenze) ermitteln. Liegt dieser unter dem steuerrechtlichen Wert, bildet er die Obergrenze für den Ansatz der Rück­stellung.

Der Steuerpflichtigen stand das handelsrechtliche Wahlrecht gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB unstreitig zu. Von diesem Wahlrecht hatte sie in der nach dem Gesetz vorgesehenen Weise Gebrauch gemacht, sodass sie die (fortentwickelten) höheren Rückstellungsbeträge für die Nachsorgerückstellung in ihrer Handelsbilanz zum 31.12.2010 beibehalten konnte.

Die handelsrechtliche Bewertung der Rückstellung ist nur dann maßgeblich, wenn die steuerrechtlichen Regelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG nicht dazu führen, dass der handelsrechtliche Wertansatz (Obergrenze) unterschritten wird. Ist dies allerdings der Fall, gilt der niedrigere, nach Maßgabe des Steuerrechts ermittelte Wert.

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BFH 9.3.23, IV R 24/19