Es ist nicht möglich, bei demselben Arbeitgeber neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung auch eine versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung zu verrichten. Vielmehr muss eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.
Sachverhalt
Streitig war die Frage, ob ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis bei Beschäftigung des Arbeitnehmers in zwei Betrieben derselben unternehmerisch tätigen natürlichen Person vorliegt.
Entscheidung
Das FG hat dies bejaht und die begehrte Anwendung von § 40a Abs. 2 EStG verneint. Gemäß § 40a Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz i. H. v. insgesamt 2 % des Arbeitsentgelts erheben.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung beurteilen sich dabei wegen des in § 40a Abs. 2 EStG genannten Verweises ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben, vorliegend nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich auf eine eigenständige steuerliche Arbeitslohngrenze für Pauschalierungen verzichtet hat. Die steuerliche Pauschalierungsvorschrift knüpft damit an die sozialversicherungsrechtliche Vorschrift an, wodurch nach der Vorstellung des Gesetzgebers Abweichungen zwischen der beitragsrechtlichen und steuerrechtlichen Behandlung des Arbeitslohns aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis vermieden werden sollten.
Unter den in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV geregelten Voraussetzungen kann zwar eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV neben einer Hauptbeschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern ausgeübt werden (begrenzte Ausnahme von der gebotenen Zusammenrechnung). Übt ein Arbeitnehmer allerdings wie im Streitfall bei demselben Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Beschäftigungen aus, so ist ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung oder objektive Kriterien der Unterscheidbarkeit in Art, Ort und Zeit der Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, d. h., sie werden sozialversicherungsrechtlich einheitlich beurteilt. Es ist deswegen nicht möglich, bei demselben Arbeitgeber neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung eine (mangels Zusammenrechnung) versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung zu verrichten.
Hieraus ergibt sich im Ergebnis auch für die an die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anknüpfende Regelung des § 40a Abs. 2 EStG, dass eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden muss, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.
Der insofern maßgebliche sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff knüpft (allein) an zivilrechtlichen Grundsätzen bei der Arbeitgeberbestimmung an. Arbeitgeber ist danach der, zu dem eine bestimmte Person, um deren einzubehaltende Lohnsteuer es geht, in einem Arbeitsverhältnis steht. Arbeitgeber können deswegen nur natürliche oder juristische Personen des privaten sowie des öffentlichen Rechts sowie nichtrechtsfähige Personenzusammenschlüsse sein. Es handelt sich dabei regelmäßig um die Vertragspartner im Arbeitsvertrag.
Sofern auch im lohnsteuerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass eine geringfügige Beschäftigung i. S. d. § 40a Abs. 2 EStG auch beim Arbeitgeber der sozialversicherungspflichtigen und nach individuellen Merkmalen lohnsteuerpflichtigen Haupttätigkeit ausgeübt werden könne, wenn eine nach objektiven Kriterien vorzunehmende Abgrenzbarkeit der Tätigkeiten in verschiedenen Betrieben gewährleistet sei, folgt das FG dieser Rechtsauffassung nicht.
Beachten Sie | Das FG hat die Revision zugelassen, da die Klärung der im Streitfall entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob und ggf. unter Heranziehung welcher Abgrenzungskriterien ein Arbeitnehmer in einem zweiten Betrieb seines Arbeitgebers gleichzeitig und mit der Folge der Pauschalierungsmöglichkeit nach § 40a Abs. 2 EStG geringfügig beschäftigt sein kann, grundsätzliche Bedeutung hat.
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FG Berlin-Brandenburg 28.12.22, 6 K 6129/20, Rev. zugelassen