Beschäftigt ein Meinungsforschungsinstitut Telefoninterviewer gegen Honorar, haftet es für die nicht abgeführte Lohnsteuer. Nach einem aktuellen Urteil vom FG Köln sind die Interviewer steuerrechtlich als Arbeitnehmer und nicht als Selbstständige anzusehen.
In der Vergangenheit hatten Arbeits- und Sozialgerichte solche Tätigkeiten oftmals als selbstständig angesehen.
Das FG beurteilt die Interviewtätigkeit aber jedenfalls dann anders, wenn den Interviewern ein Telefonarbeitsplatz im Institut zur Verfügung steht und sich ihr Honorar nach der Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen Interviews berechnet.
FG Köln 14.3.12, 2 K 476/06,
BFH 29.5.08, VI R 11/07; 14.6.07, VI R 5/06; 2.12.98, X R 83/96; 14.6.85, VI R 152/82; 9.11.04, VI B 150/03
Die Einordnung als Arbeitnehmer erfolgt über § 1 Abs. 2 LStDV, indem eine Person dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet und er in seiner Betätigung entweder direkt unter dem Willen und der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Dabei spricht nach der umfangreichen BFH-Rechtsprechung eine Vielzahl von Merkmalen für eine Arbeitnehmereigenschaft, zum Beispiel insbesondere:
persönliche Abhängigkeit,
Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit,
feste Arbeitszeiten und der zeitliche Umfang der Dienstleistungen,
Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort,
feste Bezüge, Anspruch auf Urlaub, sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Überstundenvergütung,
Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit,
kein Unternehmerrisiko, keine Unternehmerinitiative, kein Kapitalein-satz, keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln,
Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern und damit Eingliederung in den Betrieb,
Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs sowie
Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit den Regelfall darstellt.
Diese und noch weitere Merkmale sind jeweils im konkreten Einzelfall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Kommt es nach Anwendung dieser Gesamtbetrachtung zur Einstufung als Arbeitneh-mer, haftet der Arbeitgeber – hier also das Meinungsforschungsinstitut – gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer hinsichtlich der Tätigkeit der Telefoninterviewer.
Die Berechnung erfolgt nach den jeweiligen Steuerklassen der vermeintlich lediglich frei angestellten Honorarkräfte. Da in der Praxis oftmals die für die Höhe der Lohnsteuer-Haftungsschuld maßgebenden Besteuerungsgrundlagen nicht mehr im Nachhinein konkret ermittelt und berechnet werden können, hat sie das FA nach § 162 AO zu schätzen.