Der Begriff des „Termingeschäfts“ i. S. v. § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG ist im Grundsatz nach wertpapier- und bankenrechtlichen Maßgaben zu bestimmen und vom Kassageschäft abzugrenzen. Das Ausmaß der spezifischen Gefährlichkeit eines konkreten Geschäfts spielt weder für die Qualifizierung als Termingeschäft noch als Kassageschäft eine Rolle. Knock-out-Produkte in Form von Zertifikaten (im Streitfall: Unlimited TurboBull Zertifikate) unterfallen als Kassageschäfte nicht dem Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG.
Sachverhalt
Im Streitfall hatte die Steuerpflichtige, eine GmbH, von einer Bank ausgegebene Unlimited Turbo Bull-Zertifikate erworben. Als sog. Knock-out-Zertifikate zeichneten sie sich durch die Möglichkeit aus, mit relativ geringem Kapitaleinsatz überproportional an der Wertentwicklung des zugrunde liegenden Basiswerts zu partizipieren. Erreichte oder durchbrach der Basiswert jedoch eine bestimmte Kursschwelle, dann verfielen die Zertifikate nahezu wertlos. Bedingt durch ein Absinken des jeweiligen Indexstandes fiel der Wert der von der Steuerpflichtigen erworbenen Zertifikate, wodurch diese einen erheblichen Verlust realisierte. Das FA vertrat die Auffassung, dass die Zertifikatsverluste dem Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 EStG unterliegen.
Hintergrund
Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG unterliegen Verluste aus Termingeschäften grundsätzlich einem Ausgleichs- und Abzugsverbot, d. h., sie können nur sehr eingeschränkt mit Gewinnen aus eben solchen Geschäften verrechnet werden. Sie mindern aber im Übrigen nicht die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer oder der Einkommensteuer. Aus Sicht des Gesetzgebers ist es gerechtfertigt, für besonders riskante Geschäfte derartige Beschränkungen vorzusehen.
Entscheidung
Im Streitfall entschied der BFH, dass die Anwendung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG entscheidend davon abhängt, ob ein Termingeschäft vorliegt. Dieses ist vom sog. Kassageschäft abzugrenzen, bei dem der Leistungsaustausch sofort oder innerhalb einer kurzen Frist zu vollziehen ist. Bei Knock-out-Produkten in Form von Zertifikaten handelt es sich aber um gewöhnliche Schuldverschreibungen, die im Streitfall Zug um Zug gegen Bezahlung übertragen worden sind. Daher mangelte es insoweit an dem für ein Termingeschäft typischen Hinausschieben des Erfüllungszeitpunkts.
fundstelle
BFH 8.12.21, I R 24/19