Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften führt das Thema Verlustverrechnung nach § 10a GewStG in der Praxis häufig zu Kontroversen zwischen Finanzamt und Mandanten.
Angesichts der Coronakrise und des Ukraine-Kriegs dürfte das Streitpotenzial noch steigen, weil es in vielen Unternehmen dadurch zu Verlustsituationen kommt. Deshalb hier ein steuerliches Update zum § 10a GewStG – unter anderem auch, weil es auf Bund-Länder-Ebene einen aktuellen Beschluss zu dieser Thematik gibt.
Grundsätze zum § 10a GewStG bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften
Voraussetzung für einen Verlustabzug nach § 10a GewStG ist bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften, dass sowohl Unternehmeridentität als auch Unternehmensidentität vorliegen müssen (siehe u. a. Rz. 32 des BFH 4.5.17, IV R 2/14; R 10a.1 Abs. 3 Satz 3 GewStR).
Unternehmeridentität: Die Voraussetzung der Unternehmeridentität im Rahmen eines Verlustabzugs bedeutet, dass die steuerpflichtige Person, die einen Verlustabzug in Anspruch nehmen möchte, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss. Die steuerpflichtige Person muss sowohl zur Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung eines positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber sein (siehe u. a. Rz. 45 des BFH 3.5.93, GrS 3/92; R 10a.3 Abs. 1 Satz 1 GewStR).
Unternehmensidentität: Unternehmensidentität bedeutet dagegen, dass der im Verlustverrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Verlustentstehungsjahr bestanden hat (siehe u. a. Rz. 22 des BFH 7.8.08, IV R 86/05; R 10a.3 Abs. 1 Satz 1 GewStR). Unter Gewerbebetrieb i. S. d. § 10a GewStG ist die tatsächlich ausgeübte gewerbliche Betätigung zu verstehen. Ob diese gleichgeblieben ist, wird das Finanzamt unter Berücksichtigung der wesentlichen Merkmale der gewerblichen Tätigkeit überprüfen.
Unterjähriger Gesellschafterwechsel und abweichendes Wirtschaftsjahr
Einer internen Verfügung der Finanzverwaltung kann ein aktueller Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder entnommen werden. Es geht dabei um die Verteilung von gewerbesteuerlichen Fehlbeträgen auf Mitunternehmer bei unterjährigem Gesellschafterwechsel und abweichendem Wirtschaftsjahr.
Dem Beschluss auf Bund-Länder-Ebene kann Folgendes entnommen werden: Gewerbesteuerliche Verluste eines Wirtschaftsjahrs bei Mitunternehmerschaften mit abweichendem Wirtschaftsjahr sind ausschließlich entsprechend dem gesellschaftsvertraglich maßgebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel auf die in diesem abweichenden Wirtschaftsjahr beteiligten Mitunternehmer zu verteilen.
Beispiel
A und B sind zu jeweils 50 % an der OHG Y beteiligt. Die Personengesellschaft Y hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1.7.2020 bis 30.6.2021. Im Wirtschaftsjahr 20/21 entsteht ein gewerbesteuerlicher Verlust in Höhe von 100.000 EUR. Zum 1.9.2021 tritt Gesellschafter C mit in die Personengesellschaft ein. Abweichend von § 121 HGB wurde gesellschaftsrechtlich vereinbart, dass ein positiver oder negativer Gewinn fortan zu 20 % auf A, zu 30 % auf B und zu 50 % auf C entfallen soll.
Folge: Es ist zulässig, dass die OHG ein abweichendes Wirtschaftsjahr als Gewinnermittlungszeitraum festlegt (§ 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt der Gewinn des Wirtschaftsjahrs als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Das wirkt sich über § 10 Abs. 2 GewStG auch auf den gewerbesteuerlichen Fehlbetrag i. S. d. § 10 Abs. 1 GewStG aus. Der gewerbesteuerliche Fehlbetrag von 100.000 EUR wird nach § 10a Satz 6 in Verbindung mit § 14 Satz 2 GewStG insgesamt für die Mitunternehmerschaft zum Ende des Kalenderjahrs festgestellt. Allerdings ist der sich für die OHG insgesamt ergebende Fehlbetrag den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen (§ 10a Satz 4 GewStG). Maßgebend für die Verteilung des gewerbesteuerlichen Verlusts in Höhe von 100.000 EUR im Erhebungszeitraum 2021 ist der vor Eintritt des Mitunternehmers C festgelegte Gewinnverteilungsschlüssel. Der Fehlbetrag des Erhebungszeitraums 2021 ist deshalb A mit 50.000 EUR und B mit 50.000 EUR zuzurechnen. Mitunternehmer C ist für den Erhebungszeitraum kein gewerbesteuerlicher Fehlbetrag zuzurechnen
Atypisch stille Beteiligung an einer Personengesellschaft
Zu einem Gesellschafterwechsel in doppel- und mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen und deren steuerlicher Auswirkung auf Verluste nach § 10a GewStG wurden gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 11.8.2021 veröffentlicht. Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung eines Gewerbeverlusts nach § 10a GewStG bei Begründung einer atypisch stillen Beteiligung an einer Personengesellschaft gilt danach Folgendes:
- Träger des Verlustabzugs i. S. d. § 10a GewStG sind die jeweiligen Mitunternehmer der Personengesellschaft (R 10a.3 Abs. 3 Satz 1 GewStR).
- Bei der Beteiligung einer Obergesellschaft (z. B. Handelsgewerbe in der Rechtsform einer KG) an einer Untergesellschaft (= atypisch stille Gesellschaft) sind nicht die Gesellschafter der Obergesellschaft, sondern ist die Obergesellschaft selbst Mitunternehmerin der Untergesellschaft und damit Trägerin des Verlustabzugs der Untergesellschaft.
- Gewerbesteuerliche Fehlbeträge auf der Ebene der Obergesellschaft, die bis zur Begründung der atypisch stillen Gesellschaft entstanden sind, stehen mangels Unternehmeridentität nicht zur Verrechnung auf Ebene der atypisch stillen Gesellschaft zur Verfügung.
Einbringung eines Betriebs einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft
Auf Bund-Länder-Ebene wurde zudem abgestimmt, dass ein für eine Kapitalgesellschaft festgestellter Fehlbetrag im Sinne von § 10a GewStG nach Einbringung ihres Betriebs in eine Personengesellschaft nicht auf die Personengesellschaft übergeht.
Begründung: Der Gewerbebetrieb der Kapitalgesellschaft besteht nach der Einbringung in die Personengesellschaft fort (Gewerbebetrieb kraft Rechtsform nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Ein für die Kapitalgesellschaft festgestellter Fehlbetrag ist in der Folge lediglich mit positiven Gewerbeerträgen der Kapitalgesellschaft zu verrechnen. Eine Verrechnung auf Ebene der Personengesellschaft scheidet dagegen aus.
Diese abgestimmte Verwaltungsauffassung wurde bereits vom Bundesfinanzhof so beurteilt (BFH 17.1.19, III R 35/17). In diesem Urteilsfall hatte eine Kapitalgesellschaft ihr operatives Geschäft im Wege einer Ausgliederung nach den Grundsätzen des Umwandlungsgesetzes auf eine Personengesellschaft übertragen. Die Münchener Richter urteilten hier, dass ein gewerbesteuerlicher Verlustvortrag der Kapitalgesellschaft nicht auf die Personengesellschaft übergeht, wenn sich die Kapitalgesellschaft fortan nicht nur auf die Verwaltung der Mitunternehmerbeteiligung bei der Personengesellschaft beschränkt.