Aufgrund der Coronapandemie mussten Millionen Arbeitnehmer in Deutschland seit dem 1.3.2020 in Kurzarbeit. Mit der Kurzarbeit tauchen viele steuerliche Fragen auf. Hier ein Steuer-1 × rund um das Thema Kurzarbeit für die Beratungspraxis mit steuerlichen Gestaltungsüberlegungen vor Bezug des Kurzarbeitergeldes, während der Kurzarbeit und in den Steuererklärungen 2020 und 2021.
Unlogische Steuerklasse verhilft zu höherem Kurzarbeitergeld
Droht einem verheirateten Mandanten in naher Zukunft Kurzarbeit, empfiehlt sich die Überprüfung der Steuerklassenwahl. Denn die Höhe des Kurzarbeitergeldes hängt vom Nettogehalt des Kurzarbeiters ab. Je höher das Nettogehalt ausfällt, desto höher ist das Kurzarbeitergeld.
Das bedeutet im Klartext: Der Ehegatte, dem Kurzarbeit droht, sollte die Lohnsteuerklasse III wählen und der andere Ehegatte die Lohnsteuerklasse V. Das kann in der Praxis dazu führen, dass die Lohnsteuerklasse „unlogisch“ gewählt wird, also der Ehegatte mit dem geringeren Arbeitslohn bei drohender Kurzarbeit die Lohnsteuerklasse III für sich beantragt.
Praxistipp
Es wird nicht beanstandet, wenn der unlogische Steuerklassenwechsel während des Jahres kurz vor Festsetzung des Kurzarbeitergeldes erfolgt. Wichtig: Weisen Sie Ihre Mandanten darauf hin, dass sich durch die Steuerklasse V das Nettogehalt für den Besserverdiener deutlich verringert und dass die zu viel gezahlte Steuer erst mit der Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr wieder erstattet wird.
Steuerfreier Arbeitgeberzuschuss zum Kurzarbeitergeld
Leistet ein Arbeitgeber Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld, sind diese eigentlich in voller Höhe steuerpflichtig. Wegen der anhaltenden Coronapandemie gelten jedoch steuerlich für Zeiträume nach dem 29.2.2020 Ausnahme-Steuerspielregeln. Die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch den Arbeitgeber ist vorübergehend steuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 28a EStG).
Die Steuerfreiheit für das Kurzarbeitergeld greift entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung, wenn die Zuschüsse des Arbeitgebers bis 80 % des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III betragen.
Praxistipp
Bislang war die Steuerfreiheit für Aufstockungsbeträge des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld im Zeitraum vom 1.3.2020 bis zum 31.12.2021 steuerfrei gestellt. Im „Vierten Corona-Steuerhilfegesetz“ ist jedoch die Verlängerung der Steuerfreiheit bis Ende Juni 2022 beschlossen worden.
Eintrag des Kurzarbeitergeldes in der Lohnsteuerbescheinigung
Der Arbeitgeber muss das Kurzarbeitergeld und die Aufstockungsbeträge in der ans Finanzamt elektronisch zu übermittelnden Lohnsteuerbescheinigung unter Nr. 15 eintragen.
* Auszug aus Lohnsteuerbescheinigung 2022
- 15. (Saison-)Kurzarbeitergeld, Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, Verdienstausfallentschädigung (Infektionsschutzgesetz), Aufstockungsbetrag und Altersteilzeitzuschlag
Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung
Hat ein Mandant Kurzarbeitergeld von mehr als 410 EUR im Kalenderjahr bezogen, besteht die Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung (§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Dieser Grenzbetrag gilt auch für zusammenveranlagte Ehegatten.
Steuerliche Behandlung des Kurzarbeitergeldes und der steuerfreien Aufstockungsbeträge
Das Kurzarbeitergeld ist wie alle anderen Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld oder Mutterschaftsgeld einkommensteuerfrei. Das gilt auch für die Aufstockungsbeträge zum Kurzarbeitergeld des Arbeitgebers unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 28a EStG.
Das Kurzarbeitergeld sowie die steuerfreien Zuschüsse des Arbeitgebers werden bei Ermittlung des Einkommensteuersatzes allerdings im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 1a EStG berücksichtigt. Das bedeutet: Der Einkommensteuersatz auf das übrige zu versteuernde Einkommen erhöht sich durch das bezogene Kurzarbeitergeld.
Praxistipp
Bei Überprüfung des Steuerbescheids ist auf eine Besonderheit hinzuweisen: Liegt das zu versteuernde Einkommen unterhalb des Grundfreibetrags, kann es durch den Progressionsvorbehalt bezogen auf das steuerfreie Kurzarbeitergeld zu einer Einkommensteuerfestsetzung kommen. Diese Besonderheit hat der BFH als verfassungskonform bestätigt (BFH 9.8.01, III R 50/00).
Auswirkung der Kurzarbeit auf Werbungskosten für häusliches Arbeitszimmer
Arbeitet ein Mandant in seinem häuslichen Arbeitszimmer und dieses Arbeitszimmer stellt den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung dar, dürfen grundsätzlich sämtliche auf dieses Arbeitszimmer entfallende Aufwendungen als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Ausnahme: Muss der Mandant in Kurzarbeit, dürfen die in dieser Zeit anfallenden Aufwendungen nicht mehr als Werbungskosten abgezogen werden.
Praxistipp
Reparaturen im häuslichen Arbeitszimmer sollten deshalb am besten vor Beginn der Kurzarbeit oder danach durchgeführt werden. Denn nur so lassen sich für die Reparaturkosten problemlos Werbungskosten durchsetzen. Denkbar sind bei Reparaturen während der Kurzarbeit natürlich auch „vorweggenommene Werbungskosten“. Dazu bedarf es aber bei Rückfragen des Finanzamts aufwendiger Erläuterungen.
Auswirkung der Kurzarbeit auf Werbungskosten für Fahrtkosten mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Hat ein Mandant zu Beginn des Jahres ein Jahresticket für öffentliche Verkehrsmittel gekauft, um damit zur Arbeit zu pendeln und muss er während des Jahres überraschend in Kurzarbeit, stellt sich steuerlich die Frage, ob die Aufwendungen für das Jahresticket in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sind oder nur anteilig für die Monate, in denen keine Kurzarbeit bestand.
Gute Nachricht: Wegen der Coronapandemie dürfen die kompletten Ticketkosten als Werbungskosten abgezogen werden, wenn
* die Kosten für das Jahresticket über der Entfernungspauschale für Fahrten zur Arbeit im Kalenderjahr liegen und
* die Kurzarbeit im Zeitpunkt des Kaufs nicht absehbar war.
Merke | as Finanzamt darf also keine anteilige Kürzung der Ticketkosten beim Werbungskostenabzug während der Zeit der Kurzarbeit vornehmen. Das steht übrigens in den „FAQ Corona (Steuern)“, die unter www.bundesfinanzministerium.de zu finden sind. Die steuerzahlerfreundlichen Aussagen des Bundesfinanzministeriums beziehen sich zwar auf die Homeoffice-Pauschale, sind aber analog bei Kurzarbeit anzuwenden.
Einkommensteuervorauszahlungen wegen Kurzarbeitergeld
Da es aufgrund der Einbeziehung des Kurzarbeitergelds in den Progressionsvorbehalt in vielen Fällen zu Steuernachzahlungen kommt, setzen zahlreiche Finanzämter seit 1.1.2022 Einkommen-steuervorauszahlungen fest. Das ist zwar nach der BFH-Rechtsprechung möglich, aber in Zeiten der Coronapandemie sicherlich nicht gewollt.
Setzt das Finanzamt tatsächlich Vorauszahlungen wegen des Bezugs von Kurzarbeitergeld fest und führt das bei einem ohnehin wegen der Coronapandemie finanziell geschwächten Arbeitnehmer zu weiteren finanziellen Problemen, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
1. Beantragen Sie für Ihren Mandanten die Herabsetzung der laufenden Einkommensteuervorauszahlung in Bezug auf das Kurzarbeitergeld auf 0 EUR.
2. Verweisen Sie hier auf das BMF-Schreiben vom 31.1.2022 (IV A 3 – S 0336/20/10001 :047), nach dem die Finanzämter bei negativ von der Coronakrise betroffenen Steuerzahlern bei Herabsetzungsanträgen großzügig agieren sollten.
3. Argumentieren Sie mit den „FAQ Corona des Bundesfinanzministeriums, in denen der Hinweis zu finden ist, dass Corona-Hilfen bei Unternehmern nicht in die Ermittlung der Höhe der Vorauszahlungen einbezogen werden dürfen. Dasselbe müsste auch für das Kurzarbeitergeld gelten.
Praxistipp
Da es in der Praxis tatsächlich wegen des Kurzarbeitergeldes häufig zu Steuernachzahlungen kommt, sollten Sie betroffene Mandanten dazu anhalten, Rücklagen für eventuelle Steuernachzahlungen zu bilden.
Schenkungsteuer und Erbschaftsteuer: Problemfall Lohnsummenregelung
Hat Ihr Mandant einen Betrieb vor der Coronakrise geerbt oder geschenkt bekommen? Dann hat er bei Ermittlung der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer sicherlich die Verschonungsregelungen des § 13 ErbStG beantragt. Je nachdem, ob die Regelverschonung oder die Optionsverschonung beantragt wurde, blieben bei Übergang des Betriebs entweder 85 % oder sogar 100 % des übertragenen Betriebsvermögens erbschaft- bzw. schenkungsteuerfrei.
Voraussetzung für die Verschonungsregelungen ist unter anderem, dass die jährlichen Lohnsummen in den nächsten fünf bis sieben Jahren nach Betriebsübergang bestimmte Grenzen nicht unterschreiten. Doch wegen der Coronapandemie ist genau das passiert. Viele Betriebe verloren Personal. Kann das dazu führen, dass die Verschonungsregelungen wegfallen und das Finanzamt auf einmal Erbschaft- oder Schenkungsteuer nachfordert? Die Antwort lautet: Grundsätzlich ja.
Billigkeitsmaßnahmen wegen Coronapandemie
Fordert das Finanzamt wegen Unterschreitung der Lohnsummen Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen einen Antrag auf Erlass dieser Steuern beantragen. Diesen Steuererlass aus Billigkeitsgründen sieht ein gleich lautender Erlass der Obersten Finanzbehörden der Länder vom 31.12.2021 vor.
Praxistipp
Bei Unterschreiten der Mindestlohnsumme kann bei Wegfall der Verschonungsregelung von Steuernachzahlungen abgesehen werden, wenn ein Zusammenhang mit der Coronapandemie nachgewiesen werden kann. Als Nachweise dienen Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass im Zeitraum zwischen dem 1.3.2020 bis 30.6.2022 Kurzarbeitergeld an den Betrieb gezahlt wurde und dass der Betrieb einer Branche angehört, die von einer verordneten Schließung wegen der COVID-19-Pandemie unmittelbar betroffen war.
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* BMF 31.1.22, IV A 3 – S 0336/20/10001 :047