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Beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften erhalten in der Praxis regelmäßig Tantiemezahlungen. Nicht selten wird über den Zufluss- und damit über den Versteuerungszeitpunkt gestritten. Jüngst hat der BFH nochmals die Grundsätze des Zuflusszeitpunkts von Tantiemezahlungen klargestellt. Im Streitfall hatte eine Gesellschafter-Geschäftsführerin einer Steuerberatungsgesellschaft mbH geklagt. Deren Anstellungsvertrag enthielt eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts der Tantieme. Abweichend von dieser Vereinbarung ging das Finanzamt von einem Zufluss der Tantieme zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses aus.

Ausgangssachverhalt

Es ging um die Jahre 2013 und 2014. Steuerberaterin A ist alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin einer Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH) und hatte nach ihrem Geschäftsführer-Dienstvertrag Anspruch auf jährliche Tantiemen. Eine Anlage zu der Tantiemevereinbarung von 2010 enthielt folgende Regelung:

„Der Anspruch auf Auszahlung der Tantieme wird aufgrund dieser Vereinbarung nicht mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig zur Auszahlung, sondern nach gesonderter Aufforderung durch den Geschäftsführer unter Berücksichtigung der Zahlungsmöglichkeit.“

Die GmbH bildete in ihren Jahresabschlüssen wegen der Tantiemeansprüche von A Rückstellungen. Im Streitjahr 2013 hatte A gegen die GmbH einen Tantiemeanspruch i. H. v. 16.800 EUR und im Streitjahr 2014 i. H. v. 19.200 EUR. In den Streitjahren ließ sich A auf ihre Tantiemeansprüche für das Jahr 2013 einen Betrag von 6.720 EUR und für das Jahr 2014 einen Betrag von 10.000 EUR auszahlen.

Finanzamt und Finanzgericht stellten nicht auf den ­Auszahlungsbetrag ab

Das Finanzamt berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre 2013 und 2014 neben den tatsächlich ausgezahlten Tantiemen auch die nicht ausgezahlten Teilbeträge der Tantiemeansprüche als Arbeitslohn. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (3.5.18, 13 K 13107/16) waren der Auffassung, dass die Tantiemen A nicht nur in Höhe des ausgezahlten Betrags, sondern in Höhe des vereinbarten Betrags zugeflossen seien. Die abweichende Fälligkeitsabrede in der Anlage zur Tantiemevereinbarung komme A nicht zugute. A habe auch hiernach jederzeit die Auszahlung der Tantieme durch eine einfache Zahlungsaufforderung geltend machen und durchsetzen können.

Gesetzliche Grundlage

Tantiemen gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Ihre Besteuerung setzt allerdings voraus, dass sie als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zugeflossen sind: „Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt.“

Zuflusszeitpunkt: Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (vgl. BFH 28.4.20, VI R 44/17). Das ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs.

Praxistipp

In der Regel fließen Geldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden (vgl. BFH 22.2.18, VI R 17/16).

Besonderheit bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern

Nach der Rechtsprechung des BFH kann bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist (vgl. BFH 8.5.07, VIII R 13/06, BFH/NV 2007).

Beachten Sie | Hiervon werden allerdings nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben (vgl. BFH 15.6.16, VI R 6/13, Rn. 12).

Grundsätze zur Fälligkeit des Anspruchs auf Tantiemen

Es sind folgende Grundsätze zu beachten:

1. Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen grundsätzlich erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses.
2. Ausnahme: Sofern die Vertragsparteien eine im Anstellungsvertrag zivilrechtlich wirksame und fremdübliche andere Fälligkeit vereinbart haben, ist dieser Zeitpunkt anstelle der Feststellung des Jahresabschlusses maßgebend.
3. Wenn im Anstellungsvertrag Regelungen zur Fälligkeit des Tantiemeanspruchs fehlen oder dort nur eine Ermächtigung zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts enthalten ist, hat es der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer einer zahlungsfähigen Gesellschaft in der Hand, den Fälligkeitszeitpunkt zu bestimmen. Er kann damit wirtschaftlich bereits im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses über seinen Tantiemeanspruch verfügen, der damit zu diesem Zeitpunkt zugeflossen ist.

BFH bestätigt Auffassung des Finanzamts und des ­Finanzgerichts

Nach den Feststellungen des FG Berlin-Brandenburg wurde eine abweichende Fälligkeitsvereinbarung, die für die Bestimmung des Zuflusszeitpunkts der Tantiemen im Streitfall zu beachten wäre, durch A und die GmbH in ihrem Anstellungsverhältnis nicht getroffen. Soweit nach der Anlage zur Tantiemevereinbarung von 2010 die Fälligkeit der Tantieme nicht mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sondern erst nach gesonderter Aufforderung durch die Geschäftsführerin A unter Berücksichtigung der Zahlungsmöglichkeit der GmbH eintreten sollte, lässt sich daher nach Ansicht der Richter des BFH hieraus keine konkrete Bestimmung eines abweichenden Fälligkeitszeitpunkts entnehmen. Denn A hätte auch nach dieser Regelung die Fälligkeit der Tantieme im Anschluss an die Feststellung des Jahresabschlusses durch eine bloße Aufforderung gegenüber der GmbH herbeiführen können. Nach Ansicht des BFH lag es daher allein in ihrer Hand, den Fälligkeitszeitpunkt des Tantiemeanspruchs zu bestimmen. A konnte damit über die streitigen Tantiemeansprüche wirtschaftlich verfügen, auch soweit sie noch nicht ausgezahlt worden waren (vgl. BFH 12.7.21, VI R 3/19, Rn. 17).

Der BFH sieht auch in dem Umstand, dass A bei der (Zahlungs-)Aufforderung die Zahlungsmöglichkeit der GmbH zu berücksichtigen hatte, keinen Anhaltspunkt, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Denn A konnte auch insoweit frei entscheiden, ob und in welcher Höhe ihr die Tantiemezahlung durch die von ihr beherrschte GmbH als möglich erschien. Irgendwelche Vorgaben, in welchem Umfang A der GmbH Liquidität auch in Ansehung ihrer Tantiemeforderungen zu belassen hatte, sind der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Eine bestimmte oder zumindest nach objektiven Merkmalen bestimmbare Einschränkung der Verfügungsmöglichkeit über den Tantiemeanspruch ergibt sich aus der Anlage zur Tantiemevereinbarung von 2010 mithin nicht (vgl. BFH 12.7.21, VI R 3/19, Rn. 18).

Praxistipp

Sofern die GmbH infolge einer Zahlungsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen wäre, die Tantiemeforderungen zu erfüllen, wäre im Übrigen schon aus diesem Grund ein Zufluss der nicht ausgezahlten Tantiemeansprüche zu verneinen. Auf die Fälligkeit der Forderungen oder den Inhalt der Tantiemevereinbarung würde es in einem solchen Fall nicht ankommen.

Anmerkung

Die Finanzverwaltung hatte bereits mit Schreiben v. 12.5.2014 (BStBl I 2014, 860) aufgrund zuvor ergangener Rechtsprechung zum Zufluss von Gehaltsbestandsteilen bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft Stellung bezogen. Dem beherrschenden Gesellschafter fließt eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu (vgl. BFH 3.2.11, VI R 66/09). Ob sich der Vorgang in der Bilanz der Kapitalgesellschaft tatsächlich gewinnmindernd ausgewirkt hat, etwa durch die Bildung einer Verbindlichkeit, ist für die Anwendung dieser sog. Zuflussfiktion unerheblich, sofern eine solche Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung hätte gebildet werden müssen.

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BFH 12.7.21, VI R 3/19