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Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass eine GmbH die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung nicht in Anspruch nehmen kann, wenn sie Wohnungen vermietet, deren Mieter im Rahmen eines einheitlichen Konzepts (Seniorenresidenz) Dienstleistungsverträge mit einer Schwestergesellschaft abschließen.

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige – eine GmbH – ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks, in dem sich neben Wohnungen auch eine Arztpraxis, ein Friseursalon, eine Fußpflegepraxis, ein Ladenlokal und ein Café befinden. Die Wohnungen vermietet sie an Senioren. Die Mieter schließen mit einer GmbH & Co. KG, deren Gesellschafterbestand mit dem der Steuerpflichtigen identisch ist, Dienstleistungsverträge über die Reinigung der Wohnungen, Wäscheservice, Hausmeisterdienst und Verpflegung ab. Die Verpflegung nehmen die Bewohner in dem auf dem Grundstück befindlichen Café ein, das die Steuerpflichtige der KG mit privatschriftlichem Kaufvertrag „übertragen“ bzw. „abgetreten“ hatte.

Das Finanzamt lehnte die beantragte erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung ab, da die Wohnungsmietverträge an die Abschlüsse der Dienstleistungsverträge gekoppelt seien. Hierfür spreche insbesondere, dass die Steuerpflichtige die Wohnungen auf ihrer Internetseite zusammen mit den von der KG erbrachten Zusatzleistungen bewerbe. Zur Begründung ihrer Klage wandte die Steuerpflichtige ein, dass sie ausschließlich Vermietungsleistungen und keine gewerblichen Leistungen erbringe.

Entscheidung des FG

Das FG Münster wies die Klage ab und führte aus:

Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung lägen zwar vor. Die Steuerpflichtige habe ausschließlich eigenen Grundbesitz vermietet. Allerdings sei die Ausnahmeregelung gem. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG einschlägig. Denn die Vermietung diene dem Gewerbebetrieb der beteiligungsidentischen KG. Der Begriff des Grundbesitzes i. S. v. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bestimme sich nach dem Bewertungsrecht. Für das Vorliegen eigenen Grundbesitzes i. S. v. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG reiche wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO aus. Als Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes gelte auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen sei.

Allerdings diene das Grundstück dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters. Das Grundstück wäre ohne Zwischenschaltung der Klägerin notwendiges Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter.

Der Grundbesitz diene deshalb dem Gewerbebetrieb der Gesellschafter, weil die gewerbliche Erbringung der Serviceleistungen durch die KG mit der Vermietung der Wohnungen untrennbar zusammenhänge. Damit liege eine einheitliche gewerbliche Tätigkeit vor. Die Mietverträge und die Dienstleistungsverträge würden den Bewohnern gleichzeitig vorgelegt und mit ihnen abgeschlossen und eine Kündigung sei nur einheitlich möglich gewesen. Eine Preisaufteilung sei nicht fremdüblich, weil die Kaltmiete für die Wohnungen etwa das Doppelte der ortsüblichen Miete betrage, während das Entgelt für die Dienstleistungen äußerst niedrig bemessen gewesen sei. Schließlich spreche die Bewerbung der Wohnungsvermietungen zusammen mit den Serviceleistungen für eine einheitliche gewerbliche Tätigkeit.

Erläuterungen

Der Grundbesitz dient dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters nicht nur dann, wenn er von diesem aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags genutzt wird, es genügt, dass er ihm allgemein „von Nutzen“ ist (BFH 28.7.93, I R 35/92, BStBl. II 1994, 46). Der Grundbesitz dient auch dann dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters des Grundstücksunternehmens, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist (BFH 15.12.98, VIII R 77/93, BStBl. II 1999, 168). Der Besprechungsfall könnte hiermit vergleichbar sein: Der Grundbesitz wird zwar nicht in dem Sinne genutzt, dass die Schwestergesellschaft dort Räumlichkeiten unterhält. Allerdings reicht nach bisheriger Rechtsprechung ein „Nutzen“ im weiten Sinne aus. Die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG soll eine Bevorzugung der Gesellschaften gegenüber Einzelpersonen vermeiden (BFH 17.1.06, VIII R 60/02, BStBl II 06, 434). Bei einer Einzelperson läge eine Nutzung für den eigenen Betrieb vor, wenn dieser durch einen weiteren Betrieb Leistungen gegenüber den Mietern erbringen würde. Es liegt also keine reine Vermögensverwaltung mehr vor, wenn die Nutzung des Grundstücks auch bei einer Einzelperson eine Einbeziehung der Grundstückserträge in den Gewerbeertrag nach sich ziehen würde.

Der Ausgang des Revisionsverfahrens bleibt abzuwarten: Sowohl die Frage der Übertragbarkeit des wirtschaftlichen Eigentums an einem (nicht in Teileigentum aufgeteilten) Gebäudeteil als auch die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „dienen“ in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG sind nach Auffassung des FG nicht abschließend durch die BFH-Rechtsprechung geklärt.

Beachten Sie | Die Revision ist beim BFH anhängig.

Fundstelle
FG Münster 11.5.21, 9 K 2274/19 G, Rev. beim BFH unter III R 26/21