Die elektronische Übermittlung einer Bilanz ist für Kleinstbetriebe wirtschaftlich unzumutbar, wenn dadurch ein erheblicher finanzieller Aufwand verursacht wird.
Sachverhalt
Die Steuerpflichtige ist eine GmbH, die Dienstleistungen in verschiedenen Bereichen erbringt. Einen Steuerberater nimmt sie für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten nicht in Anspruch. Für das Jahr 2015 übermittelte sie ihre Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung elektronisch an das Finanzamt und verwendete hierfür ein Computerprogramm, das vom Bundesanzeiger Verlag angeboten wird. Ihr Umsatz betrug für dieses Jahr etwa 70.000 EUR und der Gewinn circa 300 EUR. Für 2016 beantragte sie beim FA die Befreiung von der elektronischen Übermittlungspflicht.
Zur Begründung führte sie an, dass die von ihr für die laufende Buchführung angeschaffte Buchhaltungssoftware nicht mit den Vorgaben der Finanzverwaltung für die elektronische Erstellung und Übermittlung einer Bilanz kompatibel sei. Die Inanspruchnahme eines Steuerberaters zur Erstellung der E-Bilanz würde jährlich mehr als 2.000 EUR kosten. Die Umstellung der Software würde jährliche Mehrkosten von 267 EUR sowie einen jährlichen Arbeitsmehraufwand von 60 Stunden verursachen. Für die Erstellung der elektronischen Bilanz für 2015 habe der Geschäftsführer insgesamt vier Arbeitstage benötigt.
Entscheidung
Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG der Klage statt. Es entschied, dass die Steuerpflichtige einen Anspruch darauf habe, dass das FA auf eine elektronische Übermittlung der Bilanz verzichtet. Denn dies sei für sie wirtschaftlich unzumutbar im Sinne der Härtefallregelung (§ 5b Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 150 Abs. 8 AO). Die Steuerpflichtige habe keinen Steuerberater und verfüge selbst nicht über die erforderliche technische Ausstattung. Das von ihr im Jahr 2010 für die laufende Buchführung angeschaffte Computerprogramm generiere zwar einen zum Ausdruck bestimmten Jahresabschluss sowie eine Gewinn- und Verlustrechnung. Es verfüge aber nicht über den nach § 5b EStG zur elektronischen Datenübermittlung erforderlichen Standard.
Auch die Schaffung der technischen Möglichkeiten wäre für die Steuerpflichtige nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich. Dies gelte sowohl für die Beauftragung eines Steuerberaters als auch für die Anschaffung eines neuen Buchführungsprogramms zuzüglich des eigenen Zeitaufwands des Geschäftsführers. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Steuerpflichtige angesichts ihrer Umsatz- und Gewinnzahlen als Kleinstbetrieb anzusehen sei, der vom Gesetzgeber mit der Härtefallregelung geschützt werden solle. Diese Regelung sei großzügig in dem Sinne auszulegen, dass wirtschaftliche Zumutbarkeit nicht mit wirtschaftlicher Leistbarkeit gleichzusetzen sei.
Fundstelle
FG Münster 28.1.21, 5 K 436/20 AO