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Ein Einkommensteuerbescheid, mit dem ein fiktiver Veräußerungs­gewinn von Kapitalgesellschaftsanteilen aufgrund eines Wegzugs ins EU-Ausland festgesetzt wurde, wird aufgehoben, wenn die Anteile später zu einem niedrigeren Wert verkauft werden und die Wertminderung im Zuzugsstaat „nicht berücksichtigt“ wird (§ 6 Abs. 6 Satz 1 AStG). Achtung: Diese Regelung greift nicht ein, wenn im Zuzugsstaat keine Steuererklärung abgegeben wird. |

Sachverhalt

Die zusammenveranlagten Eheleute zogen im Streitjahr von Deutschland nach Österreich. Zu diesem Zeitpunkt hielt der Ehemann 50 % der Gesellschaftsanteile an einer inländischen GmbH. Der gemeine Wert der Gesellschaftsanteile war zum Wegzugszeitpunkt höher als die Anschaffungskosten. Das FA erfasste den sich daraus ergebenden fiktiven Veräußerungsgewinn im Rahmen des Einkommensteuerbescheids für 2012 und stundete die festgesetzte Steuer.

Im Jahr 2016 veräußerte der Ehemann die Anteile und erzielte hierbei einen niedrigeren als den im Jahr 2012 zugrunde gelegten fiktiven Veräußerungsgewinn. Die Wertminderung war betrieblich bedingt. Aufgrund der Veräußerung widerrief das FA die Stundung.

Die Eheleute beantragten daraufhin die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2012. Dies lehnte das FA unter Hinweis auf eine mögliche Berücksichtigung der Wertminderung in Österreich ab.

Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Zwar sei der tatsächlich im Jahr 2016 erwirtschaftete Veräußerungsgewinn niedriger als der im Jahr 2012 zugrunde gelegte fiktive Veräußerungsgewinn und diese Wertminderung sei auch unstreitig betrieblich veranlasst. Die Eheleute hätten jedoch nicht nachgewiesen, dass die Wertminderung bei der Einkommensbesteuerung in Österreich nicht berücksichtigt worden sei.

Eine solche Nichtberücksichtigung setze eine erfolglose Beantragung im Zuzugsstaat voraus. Nur dann könne der Zuzugsstaat eine Entscheidung über die steuerliche Berücksichtigung treffen.

Nach der Gesetzesbegründung sei es sogar erforderlich, dass eine Verlustberücksichtigung im Zuzugsstaat rechtlich nicht möglich sei. Österreich gewähre allerdings die Möglichkeit eines Verlustvortrags hinsichtlich der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen.

Unerheblich sei, dass der Ehemann keine in Österreich zu besteuernden Einkünfte erzielt habe und auch in Zukunft voraussichtlich nicht erzielen werde.

Praxistipp | Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es gibt bislang keine (höchstrichterliche) Rechtsprechung zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 6 AStG und in der Literatur werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Fundstelle
FG Münster 17.9.20, 5 K 3356/17