Erleidet ein Steuerpflichtiger auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte einen Unfall, kann er die durch den Unfall verursachten Krankheitskosten als Werbungskosten abziehen. Solche Krankheitskosten werden nach Auffassung des BFH nicht von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale erfasst. |
Sachverhalt
Im Streitfall erlitt die Steuerpflichtige auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall mit erheblichen Verletzungen. Sie machte die selbst getragenen Behandlungskosten (2.402 EUR), soweit sie nicht von der Berufsgenossenschaft übernommen wurden, als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend. FA und FG vertraten hingegen die Auffassung, dass die angefallenen Krankheitskosten mit der Entfernungspauschale abgegolten sind.
Entscheidung
Dies sieht der BFH jedoch anders. Er erkannte die unfallbedingten Krankheitskosten als Werbungskosten an.
Zwar sind durch die Entfernungspauschale grundsätzlich sämtliche fahrzeug- und wegstreckenbezogene Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind. Dies gilt auch für Unfallkosten, soweit es sich um echte Wegekosten handelt (z. B. Reparaturaufwendungen).
Die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschalen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG erstreckt sich jedoch nur auf „Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte“ sowie für Familienheimfahrten, also auf die fahrzeug- und wegstreckenbezogenen Aufwendungen. Andere Aufwendungen, insbesondere Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind, werden von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale dagegen nicht erfasst. In Bezug auf diese Aufwendungen teilt der BFH die Auffassung der Finanzverwaltung, die den Abzug von Aufwendungen in Zusammenhang mit Unfallschäden zusätzlich zur Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Werbungskostenabzug zulässt.
Beachten Sie | In H 9.10 „Unfallschäden“ LStH teilt die Finanzverwaltung die Auffassung des BFH. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Fall überhaupt aufgegriffen wurde und das beklagte FA dem Begehren der Steuerpflichtigen nicht von vornherein entsprochen hat. Der steuerliche Berater sollte deshalb immer auch den Blick auf die Auffassung der Verwaltung werfen.
Solche beruflich veranlassten Krankheitskosten können daher neben der Entfernungspauschale als Werbungskosten abgezogen werden. Denn Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden stellen keine beruflichen Mobilitätskosten dar. Es handelt sich nicht um Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte. Dies gilt auch dann, wenn die körperliche Beeinträchtigung, zu deren Beseitigung oder Linderung die betreffenden Aufwendungen getätigt werden, auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten ist. Denn Aufwendungen zur Beseitigung oder Linderung von Körperschäden sind weder fahrzeug- noch wegstreckenbezogen.
Fundstelle
BFH 19.12.19, VI R 8/18