§ 3 GrEStG regelt, wann eine Grundstücksübertragung von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 6 GrEStG gilt nur unter Personen, die in gerader Linie verwandt sind.
Damit sind Zuwendungen von Grundstücken zwischen Geschwistern, anders als die Grundstückserwerbe von Eltern oder Eheleuten bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaften, grundsätzlich nicht von der Grunderwerbsteuer befreit, da Geschwister nicht in erster Linie miteinander verwandt sind.
Der BFH hatte aktuell zu entscheiden, ob die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unter Geschwistern, die ein Elternteil in einem Schenkungsvertrag durch Auflage gegenüber dem beschenkten Kind angeordnet hat – ebenso wie die Verpflichtung hierzu – von der GrESt befreit ist, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb zwischen den Geschwistern als abgekürzter Übertragungsweg darstellt.
Sachverhalt
Die Mutter übertrug im Jahr 2002 ein Grundstück (Grundstück 1) je zur Hälfte unter Vorbehalt eines Nießbrauchs auf ihren Sohn und ihre Tochter. Im Jahr 2010 übertrug sie das Grundstück 2 auf die Tochter unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs. Sie ordnete an, dass die Tochter verpflichtet ist, ihren hälftigen Anteil an dem Grundstück 1 unter Übernahme insbesondere des Nießbrauchs unentgeltlich auf ihren Bruder zu übertragen. Den Erwerb des Miteigentumsanteils musste sich der Bruder auf seinen Pflichtteilsanspruch beim Tod der Mutter anrechnen lassen. Die Schwester übertrug ihren hälftigen Miteigentumsanteil am Grundstück 1 zur Erfüllung der Auflage auf den Kläger.
Das beklagte FA setzte unter Berücksichtigung des hälftigen Werts des Nießbrauchs für die Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück 1 Grunderwerbsteuer in Höhe von 2.665 EUR fest, weil es davon ausging, dass die Übertragung von Grundstücken zwischen Geschwistern nicht von der Grunderwerbsteuer befreit sei.
Entscheidung
Die Übertragung eines Grundstücks unter Geschwistern ist grundsätzlich weder nach § 3 Nr. 2 GrEStG noch nach § 3 Nr. 6 S. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.
Dennoch kann – so der BFH – die Übertragung aufgrund einer Zusammenschau von grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungsvorschriften nach ihrem Sinn und Zweck über den Gesetzeswortlaut hinaus von der Grunderwerbsteuer befreit sein.
Dies sei möglich, wenn sich der tatsächlich verwirklichte Grundstückserwerb als abgekürzter Übertragungsweg darstelle und die unterbliebenen Zwischenerwerbe, wenn sie durchgeführt worden wären, ebenfalls steuerfrei wären.
Die Mutter habe den Miteigentumsanteil an dem Grundstück 1 auf den Sohn übertragen wollen. Der BFH interpretiert die Vereinbarung dahingehend, dass die Mutter (gedacht) den Miteigentumsanteil zunächst von der Tochter erhält, um ihn anschließend an den Sohn weiter zu übertragen. Beide gedachten Übertragungen wären nach § 3 Nr. 6 S. 1 GrEStG steuerfrei.
Dass der Miteigentumsanteil am Grundstück 1 tatsächlich aufgrund der Auflage der Mutter direkt von der Tochter auf den Bruder übertragen wurde, stehe dem nicht entgegen.
Der BFH beurteilt dies als abgekürzten Weg einer unentgeltlichen Übertragung des Miteigentumsanteils von der Mutter auf das erwerbende Kind. Daher behandelt der BFH den Vorgang als grunderwerbsteuerfrei unter zweifacher Anwendung des § 3 Nr. 6 S. 1 GrEStG.
Erläuterungen
Der BFH hat sich durch das Urteil letztlich für die Grunderwerbsteuerbefreiung einer von der Mutter in die Wege geleiteten Grundstücksübertragung unter Geschwistern im Wege der Zusammenschau der Steuerbefreiungsvorschriften nach §§ 3 Nr. 2 und 3 Nr. 6 GrEStG ausgesprochen.
Eine Zusammenschau mehrerer Befreiungsvorschriften ist im Übrigen nur in engen Grenzen zulässig, weil dadurch der Anwendungsbereich der normierten Befreiungsvorschriften nicht über ihren Zweck hinaus erweitert werden darf. Daher fordert der BFH, dass immer nur an einen real verwirklichten, nicht aber an einen fiktiven Sachverhalt angeknüpft werden darf. Zudem darf kein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO vorliegen.
Somit ist letztlich aufgrund einer Zusammenschau von Befreiungsvorschriften eine Steuerbefreiung nur in engen Grenzen möglich. Sie ist zu gewähren, wenn für den tatsächlich durchgeführten Übertragungsweg ein über die Steuerersparnis hinausgehender beachtlicher Grund ersichtlich ist. Dies war im Besprechungsfall die Übertragung auf Veranlassung der Mutter durch die mit einer Auflage beschwerte Tochter auf den Bruder.
Ein Gestaltungsmissbrauch ist nach Auffassung des BFH ausgeschlossen, wenn der Elternteil im Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung die vorweggenommene Erbfolge neu gestalten wollte. Entscheidend ist hierfür, dass er als eigentlicher Schenker des Grundstücks(teils) auftritt.
Für eine solche Annahme spricht, dass der Elternteil anordnet, dass sich das Kind (hier der Sohn) die Grundstücksübertragung auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss. Ohne einen besonderen Grund liegt im abgekürzten Übertragungsweg ebenso wie im Umweg über die Eltern ein Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO vor (so BFH 16.12.15 II R 49/14, BStBl II 2016, 292).
Fundstelle
BFH 7.11.18, II R 38/15