Ein Steuerpflichtiger kann auch dann Kosten für eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilmethode als außergewöhnliche Belastung geltend machen, wenn er dem FA zum Nachweis der Erforderlichkeit der Behandlung nur eine kurze Stellungnahme des Amtsarztes und kein ausführliches Gutachten vorlegt. |
Sachverhalt
Im entschiedenen Streitfall ging es um Kosten für Naturheilbehandlungsmaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen. Die Steuerpflichtigen ließen ihre zweieinhalbjährige und wegen Komplikationen bei der Geburt schwer behinderte Tochter in einem von zwei Heilpraktikern betriebenen „Naturheilzentrum“ behandeln.
Nachdem die Krankenkasse die Erstattung der Kosten abgelehnt hatte, machten die Steuerpflichtigen die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend und legten ein privatärztliches Attest einer Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde (Homöopathie) vor, das amtsärztlich bestätigt wurde. Auf dem privatärztlichen Attest hatte der zuständige Amtsarzt vermerkt: „Die Angaben werden amtsärztlich bestätigt“. Das FA erkannte die Behandlungskosten jedoch nicht als außergewöhnliche Belastung an, da die knappe Äußerung des Amtsarztes kein „Gutachten“ darstelle.
Entscheidung
Dies sah das FG jedoch anders und gab der Klage statt. Die Tochter der Steuerpflichtigen sei zwar mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden behandelt worden, sodass ein Nachweis nach § 64 EStDV in qualifizierter Form zwingend erforderlich sei. Diese Nachweiserfordernisse waren im Streitfall nach Ansicht des FG jedoch trotz der knappen Äußerung des Amtsarztes erfüllt, da ein amtsärztliches Attest die gleiche Qualität wie ein amtsärztliches Gutachten hat.
Denn § 64 Abs. 1 EStDV ermächtigt nicht nur den Amtsarzt, sondern in gleicher Weise auch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen bei unkonventionellen Behandlungsmethoden zu bestätigen. Hierzu bedarf es beim medizinischen Dienst nur einer „Bescheinigung“. Vor diesem Hintergrund und mit Rücksicht auf Sinn, Zweck und historische Entwicklung der Vorschrift sind daher an das „Gutachten“ des Amtsarztes in Bezug auf Form und Inhalt keine höheren Anforderungen als an eine „Bescheinigung“ zu stellen.
Fundstelle
FG Rheinland-Pfalz 4.7.18, 1 K 1480/16