Der Erblasser verfasste ein Testament und bestimmte darin seine Kinder gleichanteilig zu seinen Erben. Zweieinhalb Wochen später nahm er sich das Leben. Der Erblasser wusste aber, dass seine Frau nochmals schwanger war. Er richtete einen längeren Brief an das noch ungeborene Kind, sein Testament änderte er nicht mehr. Das OLG Stuttgart hat nunmehr bejaht, dass das Testament des Erblassers nach § 2079 BGB wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten angefochten werden konnte.
Das noch ungeborene Kind ist nach § 1923 Abs. 2 BGB erbfähig, wenn es lebend geboren wird. § 2079 BGB stellt die gesetzliche Vermutung auf, dass ein Erblasser bei Kenntnis der Existenz des weiteren Pflichtteilsberechtigten anders testiert hätte. Diese Vermutung wird nicht schon dadurch widerlegt, dass der Erblasser sein Testament nicht geändert hat. Denn die Untätigkeit könne durch Schwer- oder Hinfälligkeit, die Kürze der zur Verfügung stehenden Lebenszeit, einen Rechtsirrtum oder sonstige Gründe bedingt sein.
MERKE | Die nach § 2079 BGB wirksam erklärte Anfechtung hat grundsätzlich die Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung zur Folge. Es gilt demnach die gesetzliche Erbfolge. Einzelne Verfügungen können wirksam bleiben, wenn nach § 2079 S. 2 BGB positiv festgestellt wird, dass sie der Erblasser so auch getroffen hätte, falls er zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments Kenntnis von dem weiteren Pflichtteilsberechtigten gehabt hätte.
Fundstelle
OLG Stuttgart 14.5.18, 8 W 302/16