1 Einführung
Rund die Hälfte ihres Vermögens haben die Deutschen in Grundbesitz angelegt; viele planen, in die eigenen vier Wände zu ziehen oder sich aus Renditeaspekten eine Mietimmobilie zuzulegen.
Sofern Familien bereits über Grundbesitz verfügen, denken sie oftmals darüber nach, Immobilien an Kinder oder Enkel abzutreten, ohne auf die bisherigen Einnahmen zu verzichten: Dieser Spagat gelingt über den sogenannten Nießbrauch. Auch wenn Tochter oder Sohn faktisch noch nicht an den Mieterträgen partizipieren, sorgt der endgültig erfolgte Besitzerwechsel im Grundbuch für gesicherte Verhältnisse.
Dabei müssen die Ex-Besitzer noch nicht einmal Abstriche am vorherigen Lebensstandard machen. Denn die Übergabe gegen Nießbrauch sichert – je nach Gestaltung – eine unveränderte Einkommenslage bis zum Tod und sorgt für einen zusätzlichen Minderungsposten für die Erbschaftsteuer.
Auch die anschließende familieninterne Berechnung der Einkommensteuer von Eltern und Kindern ergibt in der Summe oft deutliche Ersparnisse – und dies für einen langen Zeitraum.
Ein bedeutender Aspekt beim Grundbesitz ist die steuerliche Behandlung. Im Umgang mit dem Finanzamt ist so einiges zu beachten, von den Angaben in der Einkommensteuererklärung, den Auswirkungen auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer bis hin zu diversen Sonderaspekten.
Diese greift das nachfolgende Merkblatt auf, indem es die steuerliche Behandlung der verschiedenen Formen des Nießbrauchs und der Möglichkeit einer Hausübertragung unter Verwandten gegen Rentenzahlung erläutert. Eines vorweg: Die Übergabe gegen Rente ist steuerlich seit 2008 nicht mehr attraktiv!
2 Grundsätze zu Mieteinkünften
Die allgemeinen Grundregeln der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist auch beim Nießbrauch oder der Hausübergabe gegen Rentenzahlung zu beachten. Daher zunächst ein paar wichtige Grundregeln. Die Vermietung des eigenen Grundbesitzes ist keine gewerbliche Tätigkeit, selbst bei Wohnblocks oder Bürohäusern.
Vorteil: Die Einkünfte unterliegen nicht der Gewerbesteuer, es besteht keine Buchführungspflicht, und ein Verkaufserlös ist nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist steuerfrei.
Der Privatbereich endet aber, wenn die Immobilie für die eigene Firma, Kanzlei oder Praxis genutzt wird.
Dann gehört das Haus insoweit zum Betriebsvermögen, und Sie erzielen entweder Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit. Liegen z.B. im Erdgeschoss das eigene Ladenlokal, im ersten Stock vermietete Privaträume und in der zweiten Etage die eigene Wohnung, liegt Betriebs- und Privatvermögen vor. Die Hausaufwendungen sind dann entweder Betriebsausgaben, Werbungskosten oder steuerlich als privat veranlasst irrelevant, Der Preis für das Lokal muss bilanziert werden, und die AfA hierauf fällt in den betrieblichen Bereich.
Der Verkauf einer privaten Immobilie gehört nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, kann aber als privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig sein. Der Erlös aus betrieblichen Hausteilen muss jedoch stets als Betriebseinnahme deklariert werden, indem er dem bis dahin abgeschriebenen Wert gegenübergestellt wird.
Auf Dauer gesehen muss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein positiver Ertrag zu erwarten sein, sonst vermutet das Finanzamt sogenannte Liebhaberei, und Verluste sind nicht absetzbar.
Diese Auffassung wird bei Mieteinkünften aber großzügig ausgelegt. So ist hier generell von einem Einnahmeüberschuss auszugehen, sofern eine dauerhafte Vermietung geplant ist – selbst wenn sich die Verhältnisse unerwartet kurzfristig ändern. Bei Zeitverträgen, Vermietung an Angehörige, späterem Verkauf oder Eigennutzung sowie bei Ferienwohnungen prüft das Finanzamt allerdings kritisch. Hier sind Verluste nur absetzbar, wenn auf Dauer gesehen ein Überschuss erzielbar ist.
Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten entscheidend für die Höhe der Steuer.
Erhaltene Mieteinnahmen im Jahr | |
+ | Nebenkosten (Umlagen) |
– | bezahlte Werbungskosten im Jahr (inkl. Umlagen und AfA) |
= | Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (positiv oder negativ) |
Zu den Einnahmen zählen einmalige oder laufende Mieten sowie sonstige Vergütungen, die für die Überlassung gezahlt werden. Werbungskosten sind alle Aufwendungen, die wirtschaftlich mit der Vermietung zusammenhängen. Der Vermieter kann sie auch dann geltend machen, wenn vorübergehend keine Einnahmen aus dem Gebäude erzielt werden. Im Einzelnen fallen unter die anfallenden Werbungskosten z.B. die Abschreibungen, Schuldzinsen, Grundsteuer, Reparaturkosten oder auch die umgelegten Kosten.
3 Behandlung des Nießbrauchs bei der Einkommensteuer
Neben dem normalen Kauf oder Bau einer Immobilie kann der Besitz auch durch spezielle Verträge – in der Regel unter Angehörigen – vollzogen werden.
Damit soll dann oftmals die vorweggenommene Erbfolge geregelt werden, oder die Vereinbarungen erfolgen aus praktischen Gründen – etwa wegen betagter Eltern und zur Steuerersparnis. In Betracht kommen hierbei oftmals der Nießbrauch oder die Vermögensübergabe gegen wiederkehrende Leistungen.
Bei Nießbrauch darf eine dritte Person das Grundstück nutzen, es aber nicht verkaufen. Solche Verträge werden oft innerhalb der Familie abgeschlossen, um beispielsweise die Erbfolge vorzeitig zu regeln.
Daher hat ein Nießbrauch Auswirkungen auf die Einkommen- und auf die Schenkungsteuer. Die Finanzverwaltung folgt dieser zivilrechtlichen Auffassung jedoch nicht in allen Fällen. Grundvoraussetzung ist, dass die Erträge aus der Immobilie beim Nießbraucher aufgrund einer gesicherten Rechtsposition zufließen.
Grundsätzlich werden bürgerlich-rechtliche Gestaltungen zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich nur anerkannt, wenn sie klar vereinbart, ernsthaft gewollt und tatsächlich durchgeführt werden. Somit können aus einer Nießbrauchsbestellung zugunsten naher Angehöriger steuerrechtliche Folgerungen nur dann gezogen werden, wenn
- ein bürgerlich-rechtlich wirksames Nießbrauchsrecht begründet worden ist und
- die Beteiligten die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen auch tatsächlich durchführen.
An der tatsächlichen Durchführung fehlt es, wenn äußerlich alles beim Alten bleibt und etwa nur die Erträge an den Nießbraucher abgeführt werden. In jedem Falle scheidet eine Zurechnung von Einkünften für den Nießbraucher aus, wenn die bezogenen Erträge an den Besitzer weitergeleitet werden müssen, ohne dass dieser rechtlich in irgendeiner Weise auf die Verwaltung des Vermögens Einfluss nehmen kann.
Hierbei sind die unterschiedlichen Formen eines Nießbrauchs zu unterscheiden:
3.1 Zuwendungsnießbrauch
Beim Zuwendungsnießbrauch bestellt der Eigentümer Verwandten oder fremden Dritten ein Nießbrauchsrecht an seinem Besitz. Dabei ist zwischen entgeltlichem und unentgeltlichem Nießbrauch zu unterschieden:
- Dieser Vorgang ist entgeltlich, wenn der Wert des Nießbrauchs und der Wert der Gegenleistung (Immobilie) in etwa gleich sind. Das wird in der Regel der Fall sein, wenn der Nießbrauch unter fremden Dritten abgeschlossen wird.
- Stimmen Nießbrauchswert und Gegenleistung nicht mehr überein, ist der Vorgang teilentgeltlich und wird in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt.
- Gibt es keine Gegenleistung oder liegt diese unter 10 % des Nießbrauchswerts, ist die Einräumung des Rechts unentgeltlich.
Der häufigste Fall ist der unentgeltliche Nießbrauch zwischen Angehörigen.
- Der Nießbraucher erzielt Mieteinkünfte und kann Kosten geltend machen. Er kann allerdings keine Abschreibungen ansetzen.
- Der Eigentümer kann keine Werbungskosten ansetzen. Somit geht die Abschreibung steuerlich verloren.
Wird ein Nießbrauch Dritten entgeltlich eingeräumt, liegt steuerlich eine Grundstücksvermietung des Eigentümers an den Nießbraucher vor.
- Der Eigentümer erzielt Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die er bei Einmalzahlungen auf die Nutzungsdauer verteilen kann. Er darf weiterhin AfA ansetzen.
- Der Nießbraucher setzt die laufenden Aufwendungen als Werbungskosten ab und kann zusätzlich das Nießbrauchsrecht abschreiben.
Bei teilentgeltlicher Rechtsbestellung erfolgt eine Splittung nach den beiden vorherigen Regeln. Die Kosten sind entsprechend aufzuteilen.
3.2 Vorbehaltsnießbrauch
Ein Vorbehaltsnießbrauch wird meist bei der vorweggenommenen Erbregelung verwendet. Der Besitzer (oft Eltern) überträgt die Immobilie und behält sich den Nießbrauch vor. Er kann weiterhin in seiner Wohnung bleiben oder unverändert Mieten kassieren. Der neue Eigentümer (das Kind) erwirbt eine Immobilie, die mit einem Nießbrauch belastet ist.
- Der Vorbehaltsnießbraucher muss die Mieteinnahmen versteuern und kann die Aufwendungen sowie die Gebäude-AfA absetzen.
- Der neue Eigentümer hat weder Werbungskosten noch Einnahmen. Das ändert sich erst, wenn das Nießbrauchsrecht endet.
- Vorteil des Vorbehaltsnießbrauchs: Im Gegensatz zum Zuwendungsnießbrauch kann die AfA weiterhin geltend gemacht werden.
Hinweis Schenkungsteuer
Seit 2009 kann der kapitalisierte Wert der Belastung durch den Nießbrauch in voller Höhe vom Wert der Immobilie abgezogen werden und mindert insoweit die Schenkungsteuer (siehe unten).
3.3 Vermächtnisnießbrauch
Ein Vermächtnisnießbrauch liegt vor, wenn im Erbfall ein Erbe aufgrund einer testamentarischen Verfügung einem Dritten (Vermächtnisnehmer) ein Nießbrauchsrecht einräumen muss. In diesem Fall hat der Erblasser seine Erben verpflichtet, dass eine andere Person die Erträge aus dem geerbten Grundvermögen erhält. Für diesen Vorfall hat die dritte Person – und nicht die Erben – den Mietertrag steuerlich zu erfassen.
- Der Vermächtnisnießbraucher muss die Mieteinnahmen versteuern und kann die Aufwendungen sowie die Gebäude-AfA absetzen.
- Der Erbe als neuer Eigentümer hat weder Werbungskosten noch Einnahmen. Das ändert sich erst, wenn das Nießbrauchsrecht endet.
3.4 Nießbrauch als Sonderbetriebsvermögen
Handelt es sich beim Nießbrauch um Sonderbetriebsvermögen bei der Personengesellschaft, sind die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens bei der Bewertung des Betriebsvermögens mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen und für das Nießbrauchsrecht wird ein Kapitalwert nach dem Bewertungsgesetz ermittelt.
Da der Nießbraucher Mitunternehmer der Personengesellschaft ist, handelt es sich bei dem Nießbrauchsrecht um einen Anteil an einer Personengesellschaft und folglich gehört das Nießbrauchsrecht bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen zum begünstigungsfähigen Betriebsvermögen.
Die Zuordnung zum begünstigten Betriebsvermögen erfordert nicht den Erwerb einer zivilrechtlichen Gesellschafterstellung. Die Steuerbefreiung ist aber ausgeschlossen, wenn das Betriebsvermögen der Personengesellschaft zu mehr als 50 % aus sog. schädlichen Verwaltungsvermögen besteht.
Handelt es sich bei der Personengesellschaft nicht um einen Betrieb mit überwiegendem Verwaltungsvermögen, gewährt die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung für das Nießbrauchsrecht insoweit nicht, als es Nutzungsrecht auf Verwaltungsvermögen entfällt. Bleibt der zivilrechtliche Eigentümer des Gesellschaftsanteils Mitunternehmer, gilt der Teil des Nießbrauchsrechts als nicht begünstigungsfähiges Vermögen, der dem Verhältnis des Werts des Anteils des jungen Verwaltungsvermögens am Wert des Anteils an der Personengesellschaft entspricht.
Beispiel
A und B sind je zu 50 % an der A & B OHG beteiligt. A räumt C unentgeltlich das Nießbrauchsrecht an seinem Anteil ein. Dieses ist so ausgestaltet, dass C Mitunternehmer der OHG wird. A bleibt Mituntemehmer der OHG. Der Kapitalwert des Nießbrauchs beträgt 100.000 € und der des Anteils des A an der OHG 2 Mio. €. Zum Gesamthandsvermögen der OHG gehört Verwaltungsvermögen im Wert von 900.000 €, wovon 500.000 € auf Verwaltungsvermögen entfallen.
Lösung
Die zum Verwaltungsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter sind A und B nach dem Gewinnverteilungsschlüssel je zu 50 % zu zurechnen. Die Verwaltungsvermögensquote bezogen auf den Anteil des A beträgt 900.000 × 0,5 x 2.000.000 € = 22,5 % x50 %. Aufgrund des Verwaltungsvermögens sind jedoch 500.000 € × 0,5 x 2.000.000 € = 12,5 % nicht begünstigt. Damit rechnet das Nießbrauchrecht mit (100.000 € × 12,5 % =) 12.500 € nicht zum begünstigten Vermögen und mit (100.000 € – 12.500 € =) 87.500 € zum begünstigten Vermögen.
4 Nießbrauch als Regelung der Erbfolge
Vorweg:
Aus Sicht der Eltern sind wiederkehrende Leistungen in Form von Rentenzahlungen meist die bessere Entscheidung. Denn die Eltern müssen sich anschließend nicht mehr um Mieterwechsel, Renovierung oder tropfende Wasserhähne kümmern und erhalten monatlich einen fest vereinbarten Betrag aufs Konto. Damit spielt es für die Höhe ihrer Erträge keine Rolle, ob der Nachwuchs anschließend ordentlich wirtschaftet.
Beim Nießbrauch hingegen gibt es später immer wieder Streit über die Bezahlung von außerordentlichen Aufwendungen oder etwa die Notwendigkeit eines Dachausbaus. Zudem fällt es betagten Eltern zunehmend schwer, sich um die Hausverwaltung zu kümmern.
Durch die Übergabe gegen wiederkehrende Leistungen lassen sich auch unliebsame Erben aus dem Weg schaffen. Nach erfolgter Vermögensübergabe laufen Pflichtteilsansprüche spätestens nach zehn Jahren ins Leere. Beim Nießbrauch erlischt die Forderung hingegen nicht, so dass die Nachfolger immer drohende Ansprüche der Geschwister im Auge behalten müssen. Bei Immobilien gegen Nießbrauch bleibt daher das latente Risiko, so dass liquide Mittel für den Fall der Fälle vorgehalten werden müssen.
Allerdings hat der Nießbrauch nicht nur negative Seiten. Bei wiederkehrenden Leistungen muss das Kind auch dann zahlen, wenn beispielsweise Wohnungen leer stehen und die Mieten nicht wie erwartet fließen. Zwar kann es sich an die Eltern mit der Bitte um Reduzierung wenden. Doch die sind oft auf die kalkulierten Einnahmen angewiesen.
Hinweis
Bei Nießbrauchsverträgen mit Minderjährigen ist auch die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers erforderlich. Denn im Gegensatz zu einer klassischen Geldschenkung werden dem Nachwuchs auch Belastungen zugewendet. Die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft ist aber nur für die Bestellung, nicht für die Dauer des Nießbrauchs erforderlich. Die Bestellung des Nießbrauchs ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers ist in diesen Fällen jedoch einkommensteuerrechtlich anzuerkennen, wenn das Vormundschaftsgericht die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers für entbehrlich gehalten hat.
Bei der anschließenden Verwaltung dürfen Vater oder Mutter aber ohne Pfleger unter die Arme greifen. Somit fallen hier nur einmal Gebühren bei der Vertragsunterschrift an.
Bei der Hausschenkung setzt das Finanzamt den Immobilienwert seit 2009 – je nach Grundstücksart – über drei verschiedene Berechnungen fest, um einen Preis auf Marktniveau zu erreichen.
Hiervon darf dann der Kapitalwert des Nießbrauchs abgezogen werden, der sich aus den hochgerechneten Mieterträgen ergibt. Dieser kapitalisierte Betrag fällt umso höher aus, je jünger Vater oder Mutter bei Übergabe sind. Die Jahreseinnahme wird mit einem Vervielfältiger multipliziert, der sich an der amtlichen Sterbetabelle orientiert.
Wenn beide Elternteile bei der Schenkung noch leben, ist der höhere Faktor als Abzugsposten maßgebend. Ist die Mutter z.B. 60 Jahre alt, liegt er aktuell bei rund 13,7, beim 65 Jahre alten Vater bei 11,3. Beträgt der jährliche Nießbrauchwert nun beispielsweise 10.000 €, setzt das Finanzamt 137.000 € als Schuldenposition an. Liegt das Resultat unter dem Freibetrag (pro Kind immerhin 400.000 €), bleibt der Besitzerwechsel steuerfrei.
Weiterer Vorteil: Das durch dieses Geschäft übertragene Haus belastet im späteren Erbfall steuerlich nach zehn Jahren überhaupt nicht mehr.
Diese Rechnung galt auch bereits unter altem Rechtsstand. Durch die Erbschaftsteuerreform 2009 kommen aber positive Aspekte hinzu. Nunmehr werden Grundstücke im Schnitt 20 % bis 50 % höher bewertet als zuvor, dafür können Kinder einen doppelt so hohen und Enkel einen viermal so hohen Freibetrag nutzen – insoweit also zumindest ein Nullsummenspiel. Dafür wird die Schenkungsteuer auf die Nießbrauchslast aber nicht wie bis 2008 nur bis zum Tod des Berechtigten gestundet, die Schuld zählt jetzt dauerhaft.
Dabei fällt der Abzugsposten sogar deutlich höher aus. Da das Haus mit dem Verkehrswert angesetzt wird, darf auch die Nießbrauchlast großzügiger angesetzt werden. Zudem wurde die Sterbetabelle der Finanzverwaltung aktualisiert, was statistisch eine längere Lebensdauer für Vater und Mutter von rund drei Jahren bedeutet.
Das erhöht dann den Kapitalwert, ohne dass sich die Mieterträge aus der mit Nießbrauch belasteten Immobilie ändern. Das kann dazu führen, dass es gelingt, ein Mehrfamilienhaus gegen Nießbrauch zu verschenken, ohne dass der Fiskus Forderungen stellt. Bis 2008 gab es diesen Entlastungseffekt nicht auf Dauer, sondern nur über die temporäre Steuerstundung.
Beispiel
Die verwitwete 52-jährige Mutter überträgt das vermietete Mehrfamilienhaus Anfang 2014 zum Marktpreis von 1,2 Mio. € an die Tochter. Sie vereinbaren Vorbehaltsnießbrauch.
Jahresertrag Haus 50.000 €
Vervielfältiger bei Alter 52 x 15,31
Kapitalwert Nießbrauch 765.450 €
Steuerrechnung
Wert des Hauses 1.200.000 €
Nießbrauchslast – 765.450 €
Ergibt 434.550 €
Kinderfreibetrag – 400.000 €
Bemessungsgrundlage 34.550 €
Steuersatz x 7 %
Fällige Schenkungsteuer 2.419 €
5 Behandlung der Rentenzahlung bei der Einkommensteuer
Eine Immobilie kann auch gegen die Zusage von wiederkehrenden Leistungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden. Hierbei übertragen (Groß-)Eltern ihre Immobilien vorzeitig auf Kinder oder Enkel, ohne auf die bisherigen Einnahmen zu verzichten. Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung nennt sich das Modell.
Die neuen Hausbesitzer setzen ihre privaten Zahlungen bis zum Tod der Eltern als Sonderausgaben ab und Vater oder Großmutter versteuern die Rente als sonstige Einnahmen. Diese im Familienkreis beliebte Variante hat sich in der Vergangenheit besonders dann gelohnt, wenn der Übergebende (z.B. die Eltern) einer geringeren Steuerprogression als die Zahlenden (erwerbstätige Kinder) unterliegt.
Grundvoraussetzung für die Anerkennung solcher Versorgungsleistungen ist, dass das übertragene Haus Erträge bringt.
Konkret:
Die vereinbarten Zahlungen müssen aus den Nettoerträgen erzielbar sein. Nur dann ist der Sonderausgabenabzug möglich. Hierzu muss die Rendite bei überschlägiger Berechnung zum Zeitpunkt des Besitzwechsels zumindest genauso hoch sein wie die vereinbarten Zahlungen an den Übergebenden. Reicht das Ergebnis nicht aus, sollte der Übernehmer dem Finanzamt nachweisen, dass sich die Rendite in den kommenden Jahren deutlich verbessern wird. Auch ersparte Mietaufwendungen stellen einen Ertrag dar. Lassen sich hieraus die Versorgungsleistungen finanzieren, sind diese als Sonderausgaben des Vermögensübernehmers abzugsfähig.
Beispiel
Eltern übertragen in 2007 ihr Eigenheim auf die Tochter und lassen sich eine Versorgungsrente von 900 € zusagen. Die ersparten Mietaufwendungen der Tochter durch den Wohnungswechsel betragen monatlich 1.000 €.
Lösung
Das Kind kann Sonderausgaben von jährlich 10.800 € absetzen, die Eltern versteuern diesen Betrag als sonstige Einnahmen. Dieses Nullsummenspiel lohnt sich, wenn die Tochter deutlich höhere Einkünfte als ihre Eltern erzielt.
Diese Gestaltungsmöglichkeit stand Ihnen aber nur bei Grundstücksübertragungen bis 2007 offen. Seit 2008 sind Versorgungsleistungen steuerlich nicht mehr im Bereich von privaten Immobilien absetzbar. Sofern der Besitzerwechsel jedoch bereits vor 2008 stattgefunden hatte, ist das Steuersparmodell weiterhin anwendbar.
Hintergrund dafür war, dass damit dieses Familiensparmodell in der Vergangenheit mit Betriebsvermögen und Mietimmobilien gelang. Nach Grundsatzentscheidungen Bundesfinanzhofs konnten jedoch auch Sparguthaben, Wertpapiere, stille Beteiligungen und sogar das selbst genutzte Wohneigentum Gegenstand einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen sein. Dies war in der Praxis der Startschuss zu neuen Steuergestaltungen.
Dadurch wurde der bisher eher übliche Nießbrauch im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zum Auslaufmodell, da die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung in der Praxis flexibler war und zudem steuerlich oft vorteilhafter. Denn die Steuersparmöglichkeiten wurden sogar so weit getrieben, dass die Übergabe von Sparguthaben selbst dann begünstigt ist, wenn hiermit private Schulden getilgt werden. Hierauf reagierte die Finanzverwaltung das erste Mal ablehnend und erkannte den Sonderausgabenabzug nicht an.
Anschließend wurde über das Jahressteuergesetz 2008 wurden die steuerbegünstigten Versorgungsleistungen auf betriebliches Vermögen begrenzt und damit zurück auf den früheren Kernbereich geführt.
Auslöser für diesen Einschnitt waren auch die damaligen Beanstandungen des Bundesrechnungshofs, wonach die Rechtslage kaum noch zu verstehen ist und Finanzämter 90 % der Fälle fehlerhaft bearbeitet hatten. Somit wurde das historische Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen auf seinen Kernbereich reduziert, um missbräuchliche Gestaltungen und Mitnahmeeffekte zu verhindern.
Mit der Änderung 2008 wurden Versorgungsleistungen nur auf den Übertrag von Betriebsvermögen reduziert, entweder in Form von Einzelunternehmen oder Anteilen an Personengesellschaften. Andere Vermögensarten sind seitdem nicht mehr privilegiert.
Weiterhin begünstigt
- Land- und forstwirtschaftliche Betriebe
- Einzelunternehmen (Betriebe oder Teilbetriebe)
- Anteile an Personengesellschaften (OHG, KG, GbR, atypisch stiller Gesellschaft) mit Gewinneinkünften gem. §§ 13, 15 Abs. 1 Nr. 1 und 18 Abs. 1 EStG
- Anteil an Erben- oder Gütergemeinschaft mit Gewinneinkünften
- Mitunternehmeranteil an einer Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung
- Unentgeltliche Aufnahme des Übernehmers in ein bestehendes Einzelunternehmen
- Praxis oder Kanzlei von Freiberuflern
- GmbH-Anteile bei mindestens 50prozentiger Beteiligung, wenn sowohl der ehemalige als auch der neue Besitzer für die GmbH tätig sind
- Wohnteile eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft
Steuerlich nicht gefördert
- Immobilien
- Sparguthaben
- Wertpapiere
- Anteil an vermögensverwaltender oder gewerblich geprägter Personengesellschaft
- Typisch stille Beteiligung
- GmbH-Anteile mit weniger als 50prozentiger Beteiligung
- GmbH-Anteile mit 50prozentiger Beteiligung, aber fehlender Geschäftsführung
- Aktien
- Anteile an Körperschaften, die keine GmbH sind – unabhängig von der Höhe der Beteiligung
Hinweis
Diese Gesetzesänderung gilt für neue Vereinbarungen, die ab dem 01.01.2008 abgeschlossen werden, nicht jedoch für Altverträge bis Silvester 2007. Sofern heute ein Übergabevertrag für nicht mehr gefördertes Vermögen geschlossen wird, zählt der steuerlich überhaupt nicht mehr. Die Neubesitzer erhalten also von Beginn an keinen Sonderausgabenabzug und (Groß-)Eltern als Übergebende müssen die Rente nicht mehr versteuern.
Nunmehr bietet sich als Alternative der Vorbehaltsnießbrauch an.
Bei der Übertragung von nicht begünstigtem privatem Grundvermögen gegen wiederkehrende Leistungen in nach 2007 geschlossenen Verträgen handelt es sich um teilentgeltliche Rechtsgeschäfte. Sie führen mit ihrem Barwert zu Anschaffungskosten, und der in den einzelnen Zahlungen enthaltene Zinsanteil kann zu berücksichtigen sein, wenn es sich um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt. Aus der Sicht des Vermögensübergebers führt dies zu einem Veräußerungsgeschäft, was Spekulationssteuer auslösen kann.
Beispiel
Eltern übertragen ihr Eigenheim auf die Tochter gegen Versorgungsrente. Der kapitalisierte Rentenwert beträgt 50 % des Marktpreises vom Haus. Aus der Rente kann der Neubesitzer den Zinsanteil als Werbungskosten absetzen, wenn er die Immobilie vermietet. Sofern die Eltern das Mietshaus noch keine zehn Jahre besessen haben, unterliegt das halbe Haus den Regeln der Spekulationssteuer.
Keine Nachteile aufgrund der Gesetzesänderung ergeben sich hingegen, wenn es sich um betriebliche Immobilien handelt. Sofern also beispielsweise der Freiberufler seine Kanzlei oder Praxis an den Nachfolger gegen Rente übergibt, lassen sich die Rentenzahlungen als Sonderausgaben absetzen, auch wenn das Geschäft erst 2014 erfolgen sollte. Ähnlich sieht es bei Wohnteilen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs sowie beim Einzelunternehmer oder dem Beteiligten an einer gewerblichen Personengesellschaft (OHG, KG, GbR, atypisch stiller Gesellschaft) aus. Bei der Übergabe von Anteilen an einer GmbH mit Grundbesitz gelingt es hingegen nur, wenn der Übergebende mindestens zu 50 % daran beteiligt ist und sowohl der ehemalige als auch der neue Besitzer für die GmbH tätig sind.
Bei der Schenkungsteuer ergeben sich keine Unterschiede zum Nießbrauch. Denn bei Versorgungsleistungen werden die jährlichen Rentenzahlungen kapitalisiert, während es bim Nießbrauch die Hauserträge sind.
6 Checkliste: Rente / Nießbrauch
Rentenzahlungen | Vorbehaltsnießbrauch | |
Modalitäten | Es muss sich um einen Vermögensübergabevertrag mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge handeln. Zwingende Inhalte sind die Hausbezeichnung, die Höhe der Versorgungsleistung sowie die Zahlungsmodalitäten. | Einräumung des Rechts, ein Grundstück zu nutzen, wobei die Zahlung außerordentlicher Hausaufwendungen geregelt werden sollte. Da zuvor die Immobilie übertragen wird, ist ein Notarvertrag notwendig. |
Partner | Steuerlich möglich nur zwischen erbberechtigten Verwandten | Keine Beschränkung auf Angehörige. Bei Dritten wird das Geschäft entgeltlich durchgeführt. |
Vertrag bis 2007 | Weiterhin Sonderausgabenabzug, Renten sind steuerpflichtige Einnahmen | Notartermin ist für die Behandlung bei der Einkommensteuer unerheblich. Das Modell wird bei Einhaltung der formalen Voraussetzungen – etwa beim Nachwuchs unter 18 Jahren – immer anerkannt. Dabei müssen die Vereinbarungen nachfolgend in der Praxis tatsächlich durchgeführt werden. |
Vertrag ab 2008 | Die Neubesitzer erhalten keinen Sonderausgabenabzug und (Groß-)Eltern als Übergebende müssen die Rente nicht mehr versteuern. | |
Einnahmen | Die Eltern versteuern die Zahlungen bei Verträgen vor 2008 als sonstige Einkünfte und können einen Pauschbetrag von jeweils 102 € abziehen. Bei Neuverträgen keine Steuerpflicht. | Die Eltern müssen ihre Mieteinkünfte unverändert deklarieren, bei Eigennutzung ist steuerlich nichts zu veranlassen. |
Ausgaben | Können die Kinder ihre Zahlungen noch als Sonderausgaben absetzen, verpufft der Abzugsposten in dem Jahr, in dem sie keine positiven Einkünfte aufweisen. | Erst einmal fällt bei den Nachkommen keine neue Position für die Einkommensteuer an. Erst mit dem Tod der Eltern gibt es Mieteinkünfte. |
Besonderheiten | Sonderausgabenabzug gelingt nur, wenn die Hauserträge die Zahlungen abdecken können. Ausreichend sind auch ersparte Mieten. | Außergewöhnliche Reparaturaufwendungen sind beim Nießbraucher nur Werbungskosten, wenn die Zahlung schriftlich vereinbart ist. |
Abschreibung | Die Kinder führen die AfA der Eltern unverändert fort. | Die Kinder setzen AfA erst nach dem Tod der Eltern an. |
Hauswert | Berechnung nach den Erbschaftsteuerregeln zum Zeitpunkt der Übergabe | |
Schuldposten | Jahresrente x nach Lebensalter bemessenem Faktor | Jahreswert des Ertrags aus dem Nießbrauch x Faktor nach Lebensalter |