Beteiligt sich der Anleger an einem von ihm nicht erkannten Schneeballsystem, das aus seiner Sicht zu gewerblichen Einkünften führen soll, ist er berechtigt, den Verlust seines Kapitals steuerlich geltend zu machen. Dies hat der BFH in einem Musterverfahren für mehr als 1.400 Geschädigte entschieden.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige hatte mit mehreren Gesellschaften der X-Gruppe Verträge über den Erwerb von Blockheizkraftwerken abgeschlossen. Die Kaufpreise wurden wie vereinbart gezahlt. Den späteren Betrieb der Blockheizkraftwerke hatte der Steuerpflichtige vertraglich an die X-Gruppe übertragen. Die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus dem Betrieb sollten jedoch beim Steuerpflichtigen liegen.
Tatsächlich hatten die Verantwortlichen der X-Gruppe jedoch ein betrügerisches „Schneeballsystem“ aufgezogen, in dem es nie zur Lieferung von Blockheizkraftwerken kam. Hierfür wurden sie später strafrechtlich verurteilt. Nachdem der Steuerpflichtige die Kaufpreise gezahlt hatte, wurden die Gesellschaften der X-Gruppe insolvent, sodass die vom Steuerpflichtigen geleisteten Zahlungen verloren waren.
Das FA sah den Steuerpflichtigen als bloßen Kapitalgeber an, der Einkünfte aus Kapitalvermögen hätte erzielen wollen. Entsprechend ließ es den steuermindernden Abzug der Verluste nicht zu, da es sich um den Verlust des Kapitalstamms handele, der nicht zu Werbungskosten führen könne.
Entscheidung
Der BFH entschied jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen. Danach ist die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkunftsart, der die verlorenen Aufwendungen zuzuordnen sind, nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der maßgeblichen Verträge vorzunehmen. Im Gegensatz dazu sind die besseren objektiv-rückblickenden Erkenntnisse hierfür nicht maßgeblich.
Aufgrund der Verträge über den Erwerb und den Betrieb der Blockheizkraftwerke durfte der Steuerpflichtige im Streitfall davon ausgehen, Gewerbetreibender zu sein. Gewerbetreibende dürfen Verluste jedoch auch dann als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehen, wenn letztlich niemals Einnahmen erzielt werden.
Die Entscheidung des BFH beschränkt sich auf das sog. „Verwaltungsvertragsmodell“ der X-Gruppe. Dagegen brauchte der BFH über das von dieser Gruppe ebenfalls angebotene „Verpachtungsmodell“ nicht zu entscheiden. Möglicherweise ist die beabsichtigte Investition jedoch als Steuerstundungsmodell im Sinne von § 15b EStG anzusehen und aus diesem Grunde ein Verlustabzug ausgeschlossen. Ob es sich tatsächlich um ein Steuerstundungsmodell handelt, wird in einem gesonderten Feststellungsverfahren zu entscheiden sein.
Verwandte Themen:
Ohne Werbung mit Steuervorteilen liegt kein Steuerstundungsmodell vor
Fundstelle
BFH 7.2.18, X R 10/16