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Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Der kapitalisierte Wert eines lebenslangen, fortbestehenden Nießbrauchsrechts an einem Grundstück ist nicht Bestandteil der Anschaffungskosten des Grundstücks, wenn der Nießbraucher das Eigentum am belasteten Grundstück erwirbt.

Kürzere tatsächliche Nutzungsdauer

Nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach Satz 1 der Vorschrift die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden. Nutzungsdauer im gesetzlichen Sinne ist der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann (§ 11c Abs. 1 Satz 1 EStDV).

§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG räumt dem Steuerpflichtigen somit ein Wahlrecht ein, ob er sich mit dem typisierten festen AfA-Satz nach Satz 1 der Vorschrift zufriedengibt oder eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer geltend macht.

Die Darlegungs- und Feststellungslast für eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer trägt der Steuerpflichtige. Die Nutzungsdauer ist zu schätzen. Eine solche Schätzung verlangt nach allgemeinen Grundsätzen keine Gewissheit, sondern vielmehr nur größtmögliche Wahrscheinlichkeit. Dabei kann sich der Steuerpflichtige zur Darlegung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer jeder sachverständigen Methode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Die gewählte Methode muss über die maßgeblichen Determinanten der Nutzungsdauer – z. B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen – Aufschluss geben. Hierzu reicht eine Gutachtenmethode aus, durch die die Restnutzungsdauer eines Gebäudes modellhaft wirtschaftlich bestimmt wird.

Die weitergehenden Anforderungen und Einschränkungen, die die Finanzverwaltung in Rz 23 f. des BMF-Schreibens vom 22.2.2023 (BStBl I 23, 332) für den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer durch Sachverständigengutachten aufstellt, lassen sich dem Gesetz jedenfalls so nicht entnehmen.

Insbesondere die sachverständige Ermittlung der Restnutzungsdauer gemäß § 6 Abs. 6 ImmoWertV 2010 (inzwischen § 4 Abs. 3 der Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14.7.21 – ImmoWertV 2021, BGBl I 21 2805) ist eine gutachterlich anerkannte Schätzungsmethode, die ohne eine gesetzliche Anordnung für steuerrechtliche Schätzungen nicht ausgeschlossen werden kann.

Ein auf die Vorgaben der betreffenden Immobilienwertermittlungsverordnung gestütztes Sachverständigengutachten ist auch geeignet, Aufschluss über die für die tatsächliche Nutzungsdauer maßgeblichen Determinanten zu geben. Die ImmoWertV 2010 ordnet eine wirtschaftliche Bestimmung der Restnutzungsdauer an, stellt somit nicht auf den technischen Verschleiß eines Gebäudes ab.

Begründet der Steuerpflichtige die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer mit einer wirtschaftlichen Abnutzung oder einer auf rechtlichen Gegebenheiten beruhenden früheren Entwertung, bedarf es nicht einer sachverständigen Feststellung zum technischen Verschleiß des Gebäudes, da die kürzere wirtschaftliche oder rechtliche Nutzungsdauer entweder nur bedingt oder zumeist gar nicht vom technischen Gebäudezustand abhängig ist. Vielmehr reicht für die Schätzung der Nutzungsdauer eine sachverständige Begutachtung aus, die insbesondere die individuellen Gegebenheiten des Objekts (z. B. durchgeführte oder unterlassene Instandsetzungen oder Modernisierungen, vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 ImmoWertV 2021) berücksichtigen.

Im Streitfall war die Würdigung des FG, die im gerichtlichen Sachverständigengutachten nachvollziehbar ermittelte Restnutzungsdauer der Gebäude von 19 Jahren sei als kürzere tatsächliche Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden.

Wegfall Nießbrauchsrecht

Die Entscheidung des FG war jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als es den Wert des ihr bereits zustehenden Nießbrauchsrechts, der auf den erworbenen Miteigentumsanteil an dem Grundstück entfällt, als Anschaffungskosten angesehen und im Umfang des Gebäudeanteils in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen hat. Denn tatbestandlich setzen Anschaffungskosten Aufwendungen des Steuerpflichtigen voraus. Dies erfordert eine wirtschaftliche Belastung. Eine solche ist ausgeschlossen bei fehlender Gegenleistungspflicht.

Die Steuerpflichtige hatte in Bezug auf dieses Nießbrauchsrecht keinen mit dem Eigentumserwerb in Zusammenhang stehenden Aufwand getragen. Denn sie hatte dieses Recht nicht hingegeben, um den Miteigentumsanteil an dem Grundstück unbelastet zu erwerben. Vielmehr blieb sie trotz Eigentumserwerbs Inhaberin des Nießbrauchsrechts. Dies ergibt sich aus § 889 Alt. 2 BGB, wonach ein Recht an einem fremden Grundstück – hier das Nießbrauchsrecht – nicht dadurch erlischt, dass der Berechtigte – hier die Steuerpflichtige – das Eigentum an dem Grundstück erwirbt.

Das Nießbrauchsrecht besteht als Eigentumsrecht des (neuen) Eigentümers fort. § 889 BGB gilt auch, wenn das Recht – wie im Streitfall – nicht ins Grundbuch eingetragen wurde. Anschaffungskosten entstehen nur, wenn der Eigentümer das einem Dritten zustehende Recht an einem Grundstück zum Zweck einer Beseitigung der Beschränkungen seiner Eigentümerbefugnisse entgeltlich ablöst.

Beachten Sie | Der BFH verwies den Streitfall an die Vorinstanz zurück, weil das FG nicht berücksichtigt hatte, dass die Steuerpflichtige bereits zuvor durch die erbvertraglich geregelte Übernahme von Verbindlichkeiten Anschaffungskosten für das Nießbrauchsrecht aufgewandt hatte, die für das Streitjahr im Wege der AfA als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen gewesen wären.

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