Das LSG Nordrhein-Westfalen hat Folgendes entschieden: Ist ein Geschäftsführer einer GmbH nicht am Gesellschaftskapital beteiligt, unterliegt er selbst dann der Sozialversicherungspflicht, wenn er die Geschäfte der Gesellschaft faktisch wie ein Alleininhaber führt.
Entscheidung
Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, richtet sich bei dem Geschäftsführer einer GmbH in erster Linie danach, ob er nach der ihm zukommenden, sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen kann, die sein Anstellungsverhältnis betreffen. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mindestens 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag über eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität verfügt.
MERKE | Hiervon kann auch bei besonderer Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen nicht abgesehen werden. Dies gilt selbst dann, wenn der Betroffene faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führt, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hindern, er also „Kopf und Seele“ der Gesellschaft ist (vgl. hierzu insbesondere BSG 29.8.12, B 12 KR 25/10 R).
Im Streitfall war der Ehemann als Fremd-Geschäftsführer am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt. Alleinige Gesellschafterin war vielmehr seine Ehefrau, deren Weisungsrecht er unterlag. Diese Weisungsgebundenheit war weder aufgehoben noch eingeschränkt. Für das LSG Nordrhein-Westfalen war es unerheblich, dass der Ehemann die Möglichkeit hatte, als Vermieter der Betriebsstätte und wesentlicher Betriebsmittel sowie als Darlehensgeber wirtschaftlichen Druck auf die GmbH auszuüben. Denn dies eröffnet dem Fremd-Geschäftsführer keine erforderliche umfassende Einflussmöglichkeit, die der Stellung eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers entspricht.
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LSG Nordrhein-Westfalen 10.4.24, L 8 BA 126/23,
Versteuerung von Earn-Out-Zahlungen
Bei Unternehmensveräußerungen werden neben einem fixen Kaufpreis oftmals auch variable Kaufpreiskomponenten vereinbart (sog. Earn-Out-Zahlungen). In der Praxis war bislang nicht ganz klar, zu welchem Zeitpunkt solche nachträglichen variablen Kaufpreiszahlungen zu versteuern sind.
Klarheit brachte hier ein Urteil des BFH. Für den Fall der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i. S. d. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wurde entschieden, dass nachträgliche Earn-Out-Kaufpreiszahlungen, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreiskomponenten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist (sog. rückwirkungslose Earn-Out-Klauseln), zwingend erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahme nach § 16, § 24 Abs. 2 EStG zu versteuern sind.
Da das Urteil nun im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde (BStBl II 2024, 510), sind diese Urteilsgrundsätze über den Einzelfall hinaus anzuwenden.
Praxistipp
Das FinMin Schleswig-Holstein (ESt-Kurzinfo Nr. 2024/13) führte zusätzlich aus, dass die Urteilsgrundsätze bei Earn-Out-Klauseln beim Verkauf an Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. v. § 17 EStG entsprechend anzuwenden sind, nicht dagegen bei betragsmäßig festgelegten nachträglichen Kaufpreiskomponenten (sog. rückwirkende Earn-Out-Klauseln). Hierüber liegt eine höchstrichterliche Entscheidung nicht vor.
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BFH 9.11.23, VI R 9/21,
Bruttolistenpreis ohne Sonderausstattung?
Bei Ermittlung des Privatanteils für die Nutzung eines reinen Elektro-Dienstwagens ist der Bruttolistenpreis bzw. sind die Anschaffungskosten nur zu einem Viertel anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2. Hs. 2 Nr. 3 und Satz 3, Hs. 2 Nr. 3 EStG), wenn die Anschaffung nach dem 31.12.2018 und vor dem 1.1.2031 erfolgt, das E-Fahrzeug keine Kohlendioxidemission je gefahrenen km hat und der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs nicht mehr als 70.000 EUR (bei Anschaffung bis 31.12.23 nicht mehr als 60.000 EUR) beträgt.
In den Finanzämtern sind nun vermehrt Fälle aufgetreten, in denen die Auffassung vertreten wird, dass beim Bruttolistenpreis von 70.000 EUR bzw. 60.000 EUR nur der Bruttolistenpreis ohne den Bruttolistenpreis der Sonderausstattung gemeint ist. Denn in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2. Hs. 2 Nr. 3 und Satz 3, Hs. 2 Nr. 3 EStG ist im Gegensatz zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, Hs. 1 EStG die Sonderausstattung nicht explizit erwähnt.
Praxistipp
Einer internen Verfügung der Finanzverwaltung kann entnommen werden, dass diese Auffassung abgelehnt wird. Die „Viertel-Begünstigung“ kommt daher nur in Betracht, wenn der Bruttolistenpreis inkl. Sonderausstattung nicht mehr als 70.000 EUR bzw. 60.000 EUR beträgt.
Inflationsausgleichsprämie:
Rechtzeitig im Jahr 2024 ausbezahlen
Als Arbeitgeber dürfen Sie Ihren Mitarbeitern noch bis zum 31.12.2024 eine Inflationsausgleichsprämie gewähren, die unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Höhe von 3.000 EUR steuer- und sozialversicherungsfrei ist. Doch aufgepasst! Gerade im Hinblick auf eine Auszahlung noch kurz vor dem Jahresende ist zu beachten, dass dem Mitarbeiter die Inflationsausgleichsprämie spätestens am 31.12.2024 zugeflossen sein muss; sonst ist sie steuer- und beitragspflichtig.
Kein Anspruch auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie während der passiven Phase der Altersteilzeit
Ein Arbeitnehmer, der sich in der Passiv- oder Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet, wird nicht sachfremd benachteiligt, wenn der Arbeitgeber nur an die noch aktiv Beschäftigten eine Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nr. 11c EStG zahlt.
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LAG Niedersachsen 17.5.24, 14 SLa 26/24,
Inflationsausgleichsprämie müssen nicht alle
Arbeitnehmer erhalten
Die in § 3 Nr. 11c EStG geregelte Steuerfreiheit der (freiwilligen) Inflationsausgleichsprämie sieht keine Regelung vor, dass die Prämie an alle Arbeitnehmer ausgezahlt werden muss. Somit ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht daran gehindert, die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie an weitere Bedingungen zu knüpfen.
Es verstößt, so das LAG, nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Arbeitgeber zur weiteren Bedingung der Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie macht, dass der Beschäftigte Teil seiner „active workforce“ ist, sodass z. B. Beschäftigte in der Passivphase der Altersteilzeit von der Prämie ausgeschlossen sind. Das LAG hat die Revision ausdrücklich nicht zugelassen.
Beachten Sie | Die Inflationsausgleichsprämie kann vom 26.10.22 bis Ende 2024 gewährt werden. Bei den 3.000 EUR handelt es sich um einen steuerlichen Freibetrag, der auch in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden kann. Zu beachten ist, dass die Zahlungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgen müssen.
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LAG Niedersachsen 21.2.24, 8 Sa 564/23,