Erzielt der Steuerpflichtige als Selbstständiger oder als Vermieter Verluste, ist das aus steuerlicher Sicht unproblematisch. Kommt der Steuerpflichtige aber über Jahre hinweg nicht aus der Verlustzone heraus, wird das FA auf Dauer die Gewinnerzielungsabsicht bestreiten und die Tätigkeit als „Liebhaberei“ einstufen.
Dies kann auch rückwirkend erfolgen. Dann dürfen die Verluste steuerlich nicht mehr mit positiven Einkünften verrechnet werden. Die Änderung eines vorläufigen ESt-Bescheids zulasten des Steuerpflichtigen ist jedoch nicht mehr möglich, wenn alle entscheidungserheblichen Tatsachen schon seit mehreren Jahren festgestanden haben. Das hat aktuell das FG Münster entschieden.
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Sachverhalt
Der Steuerpflichtige machte seit 1998 Verluste für eine zeitweise vermietete und zeitweise selbst genutzte Ferienwohnung geltend. Das FA erkannte diese zunächst vorläufig bis zur abschließenden Klärung der Frage der Liebhaberei gemäß § 165 AO an.
Bereits im Rahmen der Veranlagung für 2000 hatte der Kläger eine Prognose für den Zeitraum bis 2029 eingereicht, die zu einem Totalüberschuss führte, da sich die Schuldzinsen ab 2006 wegen geplanter Darlehenstilgungen erheblich reduzieren würden.
Für die Jahre 2010 bis 2012 erklärte er tatsächlich positive Einkünfte aus der Ferienwohnung. Bei den Veranlagungen für die Jahre 2010 und 2011 vermerkten die Sachbearbeiter des FA, dass die Frage der Liebhaberei im jeweiligen Folgejahr geprüft werden solle. Im Rahmen der Veranlagung für 2012 erstellte das FA eine Prognoseberechnung, aus der sich trotz der geminderten Schuldzinsen kein Totalüberschuss ergab. Daraufhin änderte es die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre 1998 bis 2004 im Februar 2014 und erkannte die Verluste nicht mehr an. Mit der Klage hiergegen beruft sich der Kläger auf Festsetzungsverjährung.
Entscheidungsgründe
Das FG gab der Klage unter Aufhebung der Änderungsbescheide wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist statt.
Ablauf der Festsetzungsfrist bei vorläufigen Bescheiden
Bei einem Bescheid, der wegen Ungewissheit über das Entstehen der Steuer für vorläufig gem. § 165 Abs. 1 S. 1 AO ergangen ist, endet die Festsetzungsfrist nach Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und das FA hiervon Kenntnis erhält (§ 171 Abs. 8 S. 1 AO). Die Jahresfrist (nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO) beginnt vorliegend, sobald die Ungewissheit beseitigt ist, die zu den vorläufigen ESt-Festsetzungen für 1998 bis 2004 geführt hat.
Ungewissheit
Die ESt-Festsetzungen erfolgten vorläufig, da ungewiss war, ob hinsichtlich der Vermietungstätigkeit eine Einkünfteerzielungsabsicht oder Liebhaberei vorlag. Fraglich war, ob ab dem Jahr 2006 bzw. ab dem Jahr 2009 erheblich geringere Schuldzinsen als in den Anfangsjahren anfallen würden und die Vermietungstätigkeit auf dieser Grundlage mit einer positiven Totalgewinnprognose betrieben wurde.
Diese Ungewissheit ist beseitigt, wenn die für diese Beurteilung maßgeblichen Hilfstatsachen festgestellt werden können und das FA hiervon positive Kenntnis hat.
Im vorliegenden Fall ist die Ungewissheit spätestens im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2010 entfallen. Im Rahmen der Veranlagung hatte das FA Kenntnis von der maßgeblichen Hilfstatsache erhalten, die dazu führte, dass bis zu diesem Zeitpunkt ungewiss war, ob der Kläger mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden war oder Liebhaberei vorlag.
Dem FA war aus der ESt-Erklärung bekannt, dass im Jahre 2010 nur noch 560 EUR Schuldzinsen gegenüber 3.600 EUR im Vorjahr geltend gemacht wurden. Damit lag die Tatsache vor, dass nach dem Jahr 2009 erheblich geringere Schuldzinsen als in den Anfangsjahren infolge der Darlehenstilgung anfielen. Damit war die hinsichtlich der Höhe der Schuldzinsen bestehende Ungewissheit jedenfalls ab diesem Zeitpunkt entfallen.
Ungewissheit besteht nicht allein aufgrund gemischter Nutzung
Entgegen der Auffassung des FA ist die Einkünfteerzielungsabsicht bei einer zeitweise vermieteten und zeitweise selbst genutzten Ferienwohnung nicht bereits aufgrund der Art der Nutzung ungewiss. Die Art der Nutzung mag ein Beweisanzeichen für eine auch private, nicht mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Veranlassung der Aufwendungen sein und demzufolge Anlass geben, die Einkünfteerzielungsabsicht zu prüfen.
Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass diese gemischte Nutzung einer Ferienwohnung dazu führt, dass eine endgültige Veranlagung der erzielten Vermietungseinkünfte bereits aufgrund der Nutzungsart ausgeschlossen ist.
Überschuss in 2010 beseitigt Ungewissheit
Ebenso führt der in 2010 erwirtschaftete Überschuss zur Beseitigung der bis dahin bestehenden Ungewissheit hinsichtlich der Einkünfteerzielungsabsicht. Bei der Erstellung einer Überschussprognose ist für diesen Veranlagungszeitraum keine Schätzung vorzunehmen, sondern auf das tatsächliche Ergebnis abzustellen. Aus einem nach einer längeren Verlustphase erwirtschafteten Überschuss kann nicht ohne weitere Anhaltspunkte eine Ungewissheit abgeleitet werden, die einer endgültigen Veranlagung entgegensteht.
Entscheidung im Streitfall
Spätestens mit abschließender Zeichnung der Veranlagung für das Jahr 2010 wurde die bis dahin bestehende Ungewissheit bei der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht beseitigt und das FA hat hiervon Kenntnis erhalten. Mithin erfolgte die Änderung der ESt-Bescheide am 26.2.2014 erst nach mehr als einem Jahr danach und damit nach Ablauf der Festsetzungsfrist.
Fazit
Da bei Ungewissheiten über steuererhebliche Tatsachen vorläufige Steuerbescheide ergehen und eine Änderung zulasten des Steuerpflichtigen außerhalb der regulären Festsetzungsfrist nur innerhalb eines Jahres nach Wegfall der Ungewissheit möglich ist, sollten in der Beratungspraxis möglichst frühzeitig alle (Hilfs-)Tatsachen dem FA mitgeteilt werden, die zur Beseitigung der Ungewissheit führen. Damit wird eine Verkürzung des Zeitraums für mögliche Änderungen erreicht.
von RD a.D. Michael Marfels, Nordkirchen
Fundstelle
FG Münster 21.2.18, 7 K 288/16